1. Mai-Kund­ge­bung in Weinheim

Gegen den Klas­sen­kampf von oben

 

K. W.

Die dies­jäh­ri­ge DGB-Kund­ge­bung am 1. Mai in Wein­heim wur­de von der dor­ti­gen Orts­grup­pe der Gewerk­schaft IGBCE orga­ni­siert und musi­ka­lisch vom Duo Michel­le Wal­ker & Danie­le Aprile umrahmt.

Industriepfarrer M. Heßlein in Weinheim, 1. Mai 2024. (Foto: Privat.)

Indus­trie­pfar­rer M. Heß­lein in Wein­heim, 1. Mai 2024. (Foto: Privat.)

Zu Beginn erin­ner­te der Vor­sit­zen­de der Orts­grup­pe, Hel­mut Schmitt, an die nach wie vor gro­ße Bedeu­tung des 1. Mai. Er ist seit über 130 Jah­ren welt­weit ein Tag der Soli­da­ri­tät und des Wider­stands gegen Aus­beu­tung und Unterdrückung.

Ange­sichts der sich zuspit­zen­den Kri­sen des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems durch Krie­ge, hohe Infla­ti­on, Rezes­si­on, wach­sen­de Armut, Zer­stö­rung der Umwelt und des Kli­mas wird, so Schmitt, die gewerk­schaft­li­che Gegen­wehr immer wich­ti­ger. Die­se Gegen­wehr ist aber, von Aus­nah­men wie etwa den Streiks der GDL abge­se­hen, viel zu wenig sicht­bar. Des­halb ist es auch nicht gelun­gen, die Preis­trei­be­rei durch aus­rei­chen­de Ein­kom­mens­er­hö­hun­gen auszugleichen.

Streik­recht schützen
Die Beschäf­tig­ten und die Gewerk­schaf-ten sehen sich Schmitt zufol­ge einem immer schär­fe­ren Klas­sen­kampf von oben aus­ge­setzt. Geschäfts­lei­tun­gen ver­such­ten ver­stärkt, die Anlie­gen der Beschäf­tig­ten und ihrer Gewerk­schaf­ten mit Unter­stüt­zung der Medi­en und der Poli­tik zu dis­kre­di­tie­ren. Das bes­te Bei­spiel hier­für ist der erst vor kur­zem been­de­te Arbeits­kampf bei der Bahn, bei dem die GDL trotz übels­ter Het­ze erfolg­reich eine Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn­aus­gleich durch­set­zen konnte.

Die zur Bekämp­fung sol­cher Streiks erho­be­ne For­de­rung, das bereits ein­ge­schränk­te Streik­recht in Deutsch­land wei­ter zu schwä­chen zeigt Schmitt zufol­ge, dass die Rech­te der abhän­gig Beschäf­tig­ten und ihrer Gewerk­schaf­ten mas­siv bedroht sind.

Dies gilt auch für die Rech­te der Betriebs­rä­te, die immer häu­fi­ger von hem­mungs­lo­sen Geschäfts­füh­run­gen außer Kraft gesetzt wer­den. Dabei wer­den laut Schmitt oft Metho­den ange­wen­det, wel­che nicht nur das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz, son­dern auch die Grund- und Men­schen­rech­te mit Füs­sen treten. 
Als beson­ders extre­men Fall stell­te er das jah­re­lan­ge Betriebs­rats-Mob­bing bei Pro­Mi­nent, dem Hei­del­ber­ger Unter­neh­men des BDA-Prä­si­den­ten Rai­ner Dul­ger, her­aus. Schmitt wies dar­auf hin, dass das Netz­werk gegen BR-Mob­bing den wegen die­ses Skan­dals ver­fass­ten Offe­nen Pro­test­briefs Gün­ter Wall­raffs bun­des­weit ver­brei­tet und unter­stützt hat.

Arbeits­zeit­ver­kür­zung fordern
Der Vor­sit­zen­de der IGBCE Orts­grup­pe Wein­heim beton­te, dass die durch die Ge- werk­schafts­be­we­gung über Jahr­zehn­te hin- weg erkämpf­ten Errun­gen­schaf­ten akut bedroht wer­den. Die Kapi­tal­sei­te, ihr Reprä­sen­tant Rai­ner Dul­ger und ihre Lob­by- isten in der Poli­tik pro­pa­gie­ren per­ma­nent die Erhö­hung des Ren­ten­ein­tritts­al­ters, die Ver­län­ge­rung der Wochen­ar­beits­zeit und täg­li­cher Höchst­ar­beits­zei­ten eben- so wie das Sen­ken der Altersrente.

Die Ver­kür­zung der Arbeits­zeit bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich ist Schmitt zufol­ge eine der wich­tigs­ten For­de­run­gen sowohl gegen den zuneh­men­den Stress am Arbeits­platz als auch gegen Per­so­nal­ab­bau als Fol­ge der „Trans­for­ma­ti­on“ der Wirt­schaft und der Ener­gie­er­zeu­gung. Arbeits­zeit­ver­kür­zung, so der Gewerk­schaf­ter, ist nur durch eine kämp­fe­ri­sche Gewerk- schafts­stra­te­gie durchsetzbar.

Gegen­wehr stärken
Maxi­mi­li­an Heß­lein, Wirt­schafts- und So- zial­pfar­rer im Kirch­li­cher Dienst in der Arbeits­welt (KDA) mit Sitz in Mann­heim, erin­ner­te in sei­ner Rede eben­falls an die lan­ge Tra­di­ti­on des 1. Mai. An die­sem Tag sieht er alle auf­ge­ru­fen, für gute Arbeit, für eine gerech­te Gesell­schaft und für den Frie­den aufzustehen.

Das Bei­spiel der beab­sich­tig­ten Schlie­ßung der Mann­hei­mer Gale­ria-Kauf­hof-Filia­le zeigt ihm zufol­ge die Not­wen­dig­keit auf, gemein­sam im Sin­ne des Gemein­wohls akti­ver zu wer­den. Zum drit­ten Mal ist das Unter­neh­men in Insol­venz gegan­gen, und das Ende von vie­len wei­te­ren Nie­der­las­sun­gen des Waren­haus-Kon­zern ist ange­kün­digt worden.

Auch im Fall von Mann­heim liegt das an den über­höh­ten Mie­ten, die der Eigen­tü­mer der Immo­bi­lie – die Signa-Hol­ding des Kauf­hof-Eig­ners Ben­ko − ver­lan­ge. Skru­pel­los miss­ach­tet der Kauf­hof-Eigen­tü­mer, so der Indus­trie­pfar­rer, sei­ne sozia­le Ver­ant­wor­tung und nimmt sogar einen län­ge­ren Leer­stand des Gebäu­des in Kauf, mög­li­cher­wei­se, um damit Steu­ern zu sparen.

Heß­lein bezeich­ne­te Vor­ge­hens­wei­sen wie die­se als „Sys­tem­ver­sa­gen“. Er for­der­te, dass der Gesetz­ge­ber dem kla­re Gren­zen set­zen müsse. 
Zwei­fels­oh­ne, so die Bot­schaft der 1. Mai-Kund­ge­bung in Wein­heim, ste­hen die Gewerk­schaf­ten und die dar­in Akti­ven vor enor­men Her­aus­for­de­run­gen. Wie das Kanin­chen auf die Schlan­ge zu star­ren, ist in einer sol­chen Lage kein guter Rat. Viel­mehr gilt der alte Satz: „Nur wer sich wehrt, lebt nicht verkehrt!“

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2024
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