Land­wirt­schaft im Auf­ruhr – Für ein „Wei­ter so“?

U. D.

Seit Dezem­ber 2023 fin­den in Deutsch­land Pro­tes­te von Bäue­rin­nen und Bau­ern statt.

Traktor von John Deere, 8. Mai 2007. (FGot: Gemeinfrei.)

Trak­tor von John Dee­re, 8. Mai 2007. (FGot: Gemeinfrei.)

Mit Trak­to­ren wer­den Innen­städ­te lahm­ge­legt, der Ver­kehr auf Land-stra­ßen aus­ge­bremst und zeit­wei-se Auf­fahr­ten zu Auto­bah­nen blockiert.

Im Unter­schied zum Umgang mit Aktio­nen der Kli­ma­be­we­gung waren die Reak­tio­nen von Poli­zei und Poli­tik auf die Blo­cka­den sehr zurück­hal­tend. BLIND ver­öf­fent­lich­te kei­ne Hetz­ar­ti­kel. Selbst der Blo­cka­de-Angriff auf die Habeck-Fäh­re blieb bis­her straf­recht­lich folgenlos

Kon­ser­va­tiv und in Tei­len „rechts­of­fen“
Mehr­heit­lich sind die Bäue­rin­nen und Bau­ern zwar natio­nal-kon­ser­va­tiv, aber nicht faschis­tisch. Aber sie füh­len sich als Opfer einer welt­frem­den, „öko-ideo­lo­gi­schen“ Poli­tik. Das macht sie emp­fäng­lich für die rech­te Pro­pa­gan­da, die gegen eine „links-grün-ver­siff­te“ Poli­tik hetzt.

Daher kön­nen AFD und Co. mit ihren völ­kisch-ras­sis­ti­schen Hass-Paro­len, Sym­bo­len und Fah­nen an den Pro­tes­ten ando­cken und wer­den teil­wei­se sogar mit Sym­pa­thie gedul­det. Nicht zuletzt gel­ten bäu­er­li­che Ver­bän­de wie der „LSV Deutsch­land“ oder die „Frei­en Bau­ern“ als „rechts­of­fen“.

Klei­ne Grup­pe, gro­ße Wirkung
An den Aktio­nen haben eini­ge Zehn­tau­send Men­schen teil­ge­nom­men. Erstaun­lich ist, dass ein solch klei­ner Teil der Be- völ­ke­rung, des­sen Bei­trag zur deut­schen Brut­to­wert­schöp­fung gerin­ger als 1 % ist, einen solch gro­ßen Ein­fluss hat.

Inzwi­schen hat die Regie­rung auf­grund der Pro­tes­te bereits einen Teil der geplan­ten Kür­zun­gen zurück­ge­nom­men und sogar einen Maß­nah­men­ka­ta­log zu Guns­ten der Land­wirt­schaft angekündigt.

Poli­tisch gewoll­tes Höfesterben
Aus­lö­ser der aktu­el­len Pro­tes­te waren die Kür­zungs-Beschlüs­se der Ampel-Koali­ti­on, die zu Las­ten der Land­wirt­schaft gin­gen. Geplant waren die Ein­füh­rung der Steu­er­pflicht für land­wirt­schaft­li­che Fahr­zeu­ge und die Strei­chung der Steu­er­ermä­ßi­gung für Agrar-Die­sel. Zusam­men eine Belas­tung von rund 920 Mil­lio­nen Euro.

Doch der Kern der Pro­tes­te liegt tie­fer. Vie­le land­wirt­schaft­li­che Betrie­be sind in ihrer wirt­schaft­li­chen Exis­tenz bedroht. Sie sind Teil der glo­ba­li­sier­ten, kapi­tal­in­ten­si­ven und durch­in­dus­tria­li­sier­ten Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on und dem Dik­tat der Lebens­mit­tel­kon­zer­ne und der Agro-Indus­trie ausgeliefert.

Seit Jahr­zehn­ten wer­den die Höfe von Kon­zer­nen und Agrar­po­li­tik zu fort­ge­setz­ter Ertrags­stei­ge­rung mit­tels Che­mie­keu­le, zer­stö­re­ri­scher Boden­aus­beu­tung, immer grö­ße­ren Maschi­nen und bil­li­gen Hilfs­kräf­ten getrie­ben. Es gilt das Dik­tat: „Wach­sen oder Wei­chen“. Mit Sub­ven­tio­nen, die 40 bis 60 Pro­zent des Ein­kom­mens aus­ma­chen, wer­den die Erzeu­ger­prei­se nied­rig gehal­ten. Die meis­ten land­wirt­schaft­li­chen Betrie­be sind tief in die­se Abhän­gig­keits­struk­tu­ren inte­griert und längst zu einem akti­ven Teil die­ser Fehl­ent­wick­lung geworden.

Das ange­pran­ger­te Höfester­ben ist kei­ne neue Erschei­nung, son­dern seit Jahr­zehn­ten Rea­li­tät. 1995 gab es 590.000 Betrie­be, 2020 nur noch 263.000, wäh­rend sich die bewirt­schaf­te­te Gesamt­flä­che ledig­lich um 4 % auf 16,6 Mil­lio­nen ha verringerte.

Inves­to­ren und Bodenspekulation
Seit der Kri­se 2008/09 sind Spe­ku­lan­ten auf der Suche nach siche­ren Kapi­tal­an­la­gen und kau­fen Acker­land. Unter ande­rem führt dies zu einer Ver­knap­pung von Böden und stei­gen­den Pachtzahlungen.

Wach­sen­de Bedeu­tung haben Agrar­hol­dings. Sie stel­len nur 1,4 % aller Betrie­be, bewirt­schaf­ten aber bereits 11 % der Acker­flä­chen, in Thü­rin­gen sogar fast 40 %.

Hin­ter die­sen Agrar­hol­dings ste­cken Adli­ge, Groß­agra­ri­er und rei­che „Inves­to­ren“ wie Merk­le, Reth­mann oder ALDI Nord. Die­se Hol­dings kas­sie­ren allein wegen ih-rer Betriebs­grö­ße hohe Sub­ven­tio­nen − die Deut­sche Agrar-Hol­ding rund 5 Mil­lio­nen Euro, die Boscor-Grup­pe (ALDI-Nord) ca. 3 Mil­lio­nen Euro.

Agro-indus­tri­el­ler Komplex
Die gro­ßen Nah­rungs­mit­tel­pro­fi­teu­re sind die markt­be­herr­schen­den Kon­zer­ne in den Berei­chen Land­ma­schi­nen, Ener­gie, Che­mie, Dün­ge­mit­tel, Saat­gut, Phar­ma­zie und Lebens­mit­tel­han­del. Zum Bei­spiel Bay­er, BASF, John Dee­re, Mond­elēz, ALDI, REWE, EDEKA und Co.

Sie alle wol­len in der Land­wirt­schaft ein „Wei­ter so“, um ihre hoch­pro­fi­ta­blen Geschäf­te fort­set­zen zu kön­nen. Sie beein­flus­sen die Gesetz­ge­bung und zwin­gen der Land­wirt­schaft ihre Bedin­gun­gen auf. Sie prä­sen­tie­ren sich „öko­lo­gisch“ und „nach­hal­tig“, aber maxi­ma­le Pro­fi­te sind ihnen wich­ti­ger als der Erhalt der Natur und unse­rer Gesundheit.

Öko­lo­gi­scher Umbau jetzt
Aus der glo­ba­len Kri­se der Land­wirt­schaft gibt es kei­nen kapi­ta­lis­ti­schen Aus­weg. Ohne Über­win­dung des wachs­tums­ori­en­tier­ten Pro­fit­sys­tems kann sich nichts ändern.

Die Kli­ma­ka­ta­stro­phe erfor­dert jedoch ein schnel­les und gesell­schaft­lich geplan­tes Han­deln unter Berück­sich­ti­gung fol­gen­der Punkte:

• Sofor­ti­ger öko­lo­gi­scher Umbau der Land wirt­schaft unter Ein­be­zie­hung der Bäue­rin­nen und Bauern
• Kei­ne Sub­ven­tio­nen auf Grund­la­ge der Betriebsgröße
• Kei­ne Sub­ven­tio­nen für kli­ma- und natur­schä­di­gen­den Anbau
• För­de­rung und Wei­ter­ent­wick­lung scho­nen­der Anbaumethoden
• Ver­ge­sell­schaf­tung der gesam­ten Nahrungsmittelindustrie
• Für eine soli­da­ri­sche und öko­lo­gi­sche Landwirtschaft.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2024
Tagged , , , , , , . Bookmark the permalink.