Jürgen Arz
(12.09.1944 - 10.12.2016)
W.A.
Am 10. Dezember 2016 ist Jürgen Arz, unser alter Genosse aus den 1970er Jahren, in einem Mannheimer Krankenhaus einem schweren Krebsleiden erlegen.
Jürgens Eltern waren kriegsbedingt aus dem zerbombten Mannheim nach Colmar ins Elsass ausquartiert worden. Dort erblickte er am 12. September 1944 das Licht der Welt.
Über seine Mannheimer Kindheit ist uns nichts bekannt.
Die Jugendradikalisierung der 1960er Jahre und die Außerparlamentarische Opposition (APO) haben ihn stark beeinflusst.
Sein großes Interesse an kritischer Literatur führte ihn zur intensiven Lektüre der Schriften von Marx und Trotzki. Von daher war sein Kontakt mit der IV. Internationale kein Zufall. Deren Mannheimer Ortsgruppe war 1956 von Willy Boepple gegründet worden und durch eine konsequente Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit geprägt.
Jürgen engagierte sich politisch in vielerlei Hinsicht.
Er half zum Beispiel einem Kreis von jungen linken Ludwigshafener BASF-Lehrlingen vor etwa 50 Jahren bei den „ersten tastenden Schritte[n] in ein selbständiges Denken“. So sieht es eines der damaligen Mitglieder dieser Sozialistischen Betriebsgruppe Ludwigshafen (SBL) im Rückblick. Und unser Zeitzeuge fährt fort: „Das war gar nicht so einfach, zwischen dem Zugriff der BASF, die uns - nach Worten des damaligen Personalvorstandes Dr. Bischof - nur als funktionierende ‚Nummern‘ sehen wollte, und dem Zugriff der Moskau-Treuen, die die Zustimmung zu einem anderen totalitären System haben wollten, einen Weg der Freiheit und Solidarität zu finden. Jürgen hat mit seiner menschlichen und feinen Art viel dazu beigetragen, einen solchen Weg zu finden.“
Zur Jahreswende 1972/1973 vereinigte sich die Revolutionär Kommunistische Jugend (RKJ) mit der „alten“ Organisation der IV. Internationale in Deutschland zur Gruppe Internationale Marxisten (GIM). Jürgen war ein führender Kopf ihrer Mannheimer Ortsgruppe. Er trug als Mitglied der örtlichen Leitung sehr viel zum lokalen und regionalen Aufbau der Sektion bei.
An der damaligen Fachhochschule für Sozialwesen Mannheim hat er eine Gruppe von Studierenden, der GIM nahestand, intensiv betreut und neue Mitglieder für die IV. Internationale gewonnen.
Einer der von ihm damals frisch „Rekrutierten“ erinnert sich heute an Jürgen mit den Worten: Ich „habe ihn dann […] immer erlebt als zumindest lokal sehr wichtigen Genossen, der maßgebliche Beiträge zum Aufbau der Organisation geleistet hat. Auch an den innerorganisatorischen Debatten war er [unter dem Namen Juan, W.A.] heftig beteiligt.“
Zudem hat sich Jürgen immer wieder mit inhaltlichen und theoretischen Fragen beschäftigt. Er führte Kapitalschulungen für neue Mitglieder durch. 1976 veröffentlichte er gemeinsam mit Otmar Sauer die Schrift „Zur Entwicklung der sowjetischen Übergangsgesellschaft 1917- 29“.
Jürgen arbeitete lange Jahre als Disponent in einer Spedition. Das war offensichtlich nicht nur eine anstrengende Arbeit, sondern sie bot zudem kaum gewerkschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten.
1980 eskalierten die scharfen Differenzen in der GIM wegen eines Wahlaufrufs für die SPD und wegen der Art, wie er innerorganisatorisch durchgesetzt worden war. Dagegen hatte sich eine neuformierte Kompass-Gruppe um die große Mehrheit der Mannheimer Mitglieder gewendet, die Jürgen zunächst unterstützte. Nach deren Austritt aus der GIM zog er sich von ihr zurück.
Er hielt noch Kontakt zu einigen Freunden und Genossen, beteiligte sich aber kaum noch an politischen Aktivitäten. Umso mehr konnte er seiner Leidenschaft für Wanderungen in der Natur und für gute Bücher frönen.
Bald nach Jürgens Verrentung wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Er konnte jedoch diese Erkrankung zunächst besiegen.
Danach hat er, so der bereits zitierte zweite Genosse, mit „unglaublicher Energie auf hohem Niveau über Marx gearbeitet, insbesondere über das ‚Kapital‘. Und er kam sogar wieder raus aus seiner Studierstube, hat in kleinen Kreisen referiert und diskutiert und hatte sich da noch viel vorgenommen. Was alles durch das neue Auftreten einer Krebserkrankung [im Jahr 2016] verhindert wurde.“
Am 22. Dezember 2016 haben wir gemeinsam mit vielen WeggefährtInnen bei einer Trauerfeier auf dem Mannheimer Hauptfriedhof von Jürgen Abschied genommen.
Wir werden seinen hinterlassenen Aufsatz „150 Jahre Das Kapital“ bald in geeigneter Form veröffentlichen und auch damit die Erinnerung an Jürgen Arz wachhalten.