Bernhard Brosius
(Teil 5 des Referats auf unserem Seminar “Alternativen zum Kapitalismus”. Teil 1 – 4 sind in Avanti2 Nr. 14 von Oktober 2015 und Avanti2 Nr. 18 von Februar 2016 veröffentlicht worden.)
Teil 5:
Die Verteilung der Güter
Die wichtigste Ressource der Produktion ist die menschliche Arbeitskraft. Da in einer basisdemokratischen Gesellschaft alle Informationen verfügbar sind und das produziert wird, was benötigt wird, ist der Sinn der eigenen Arbeit unmittelbar einsichtig. Er besteht nicht mehr primär im Geldverdienen, sondern unmittelbar in der Deckung des eigenen Bedarfs: Der Vorrat, dem ich die Güter entnehme, muss gefüllt bleiben.
Ein Gebot der Verteilungsgerechtigkeit ist dann die Gleichverteilung der notwendigen Arbeit auf alle Arbeitsfähigen. Die direkten Folgen dieser Maßnahme sind:
1. JedeR kommt in den Genuss einer sinnvollen Tätigkeit.
2. Es gibt keine Arbeitslosigkeit mehr.
3. Wenn die Arbeit auf alle gleich verteilt wird, ist die Arbeitszeit für jedeN am kürzesten.
Damit aber werden keine Waren mehr produziert, die noch zu tauschen wären, sondern jedeR bezahlt mit seiner Arbeit ihren/seinen Anteil am Gesamtprodukt!
Deshalb müssen die Produkte nicht mehr mit Geld bezahlt werden, – sie sind bereits bezahlt mit der verausgabten Arbeit beim Produktionsprozess. Oder anders gesagt: Die Arbeit wird nicht mehr mit Geld bezahlt, sondern dadurch, dass mensch die Güter abholen kann, die gebraucht werden.
Gleichzeitig wird beim Abholen der Güter der Bedarf gemessen, und der Wirtschaftskreis- lauf beginnt von neuem.
Schauen wir noch einmal auf den erwähnten Satz von Marx, dass die Arbeitszeit für jeden am kürzesten ist, wenn die Arbeit auf alle gleich verteilt wird:
– Die Gleichverteilung der Arbeit ist eine Maßnahme zur Arbeitszeitverkürzung! Wenn ein Teil der Arbeitsfähigen nicht arbeiten kann, weil er exerzieren muss, dann müssen andere umso mehr arbeiten. Wenn ein Teil der Bevölkerung nicht arbeitet, weil er reich ist, müssen andere umso mehr arbeiten. …
– Arbeiten, die nicht benötigt werden, entfallen: Keine Rüstung, keine Reklameflut, kein Geldverkehr, … Alle BankerInnen und BörsianerInnen bekommen endlich die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun.
– Eine Milliarde Menschen weltweit sind arbeitslos. Ihre Rückführung in die Produktion wird sie nicht nur dem Elend entreißen, sondern gleichzeitig eine erhebliche Arbeitszeitverkürzung für die übrigen Arbeitenden bewirken.
– Die ungeheure Vergeudung von Arbeitszeit durch Konkurrenz entfällt.
Und weitere Wege zu weiteren Arbeitszeitverkürzungen lassen sich denken.
Im Jahre 2002 rechnete ein Ökonom, der sich das Pseudonym Darwin Dante einfallen ließ, diese Szenarien durch und konnte so zu quantitativen Angaben über die eingesparte Arbeitszeit gelangen. In dem Text „5-Stunden sind genug“ (unter diesem Suchbegriff im Internet abrufbar) führt er detailliert und gut nachvollziehbar aus, dass bei Gleichverteilung der Arbeit zur Produktion der benötigten Güter eine Arbeitszeit von fünf Stunden pro Woche erreichbar ist.
Da es wenig sinnvoll erscheint, bis zum 60. Lebensjahr jede Woche für fünf Stunden am Arbeitsplatz zu erscheinen, könnte mensch die Fünfstunden – Arbeitswoche auch in Lebensarbeitszeit umrechnen. Das Renteneintrittsalter nach der Grundproduktion läge dann vielleicht bei 30 bis 35 Jahren. Damit wiederum eröffnen sich ganz andere Perspektiven, denn sicher wollen viele ihren Beruf nicht nach so kurzer Zeit wieder aufgeben, sondern länger arbeiten. Deshalb könnten unbeliebte Tätigkeiten mit einer noch kürzeren Lebensarbeitszeit angesetzt werden, so dass auch solche Tätigkeiten attraktiv werden für Menschen mit einem anderen Lebensentwurf. Die eigentliche Flexibilität zugunsten des einzelnen Menschen ist erst ist einer bedürfnisorientierten Ökonomie möglich. Das Reich der Freiheit, das wir betreten, wenn wir das Reich des Notwendigen verlassen haben, wird es uns ermöglichen, unsere Welt selbst zu organisieren und frei und selbstbestimmt zu leben.