Ein Erfolg?
H. S.
Nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst wurde am 31.10.2020 auch für den kommunalen Nahverkehr in Baden-Württemberg (6.400 Beschäftigte) ein Tarifabschluss (TV-N) erreicht. In den anderen Bundesländern, bis auf Bremen, Bayern, Saarland, Sachsen-Anhalt, Berlin und Hamburg, konnten vergleichbare Tarifabschlüsse auf Basis des Ergebnisses des Öffentlichen Dienstes, erzielt werden. In den genannten Ländern werden die Verhandlungen im Frühjahr 2021 fortgesetzt.
Aufgrund eines eigenen Haustarifvertrags musste für die 2.200 Beschäftigten des Rhein-Neckar-Verkehrs-ver- bundes (RNV) in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen gesondert verhandelt werden. Am 6. November wurde aber auch hier ein Verhandlungsergebnis erzielt.
Die Gewerkschaft ver.di und der Kommunale Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV) einigten sich sowohl für Baden-Württemberg als auch für den RNV auf die Übernahme des Tarifabschlusses im Öffentlichen Dienst inklusive der Corona-Prämie sowie weiterer Verbesserungen.
Die Beschäftigten erhalten ab dem 1. April 2021 insgesamt 1,4 % mehr Geld, mindestens aber 60 Euro, in unteren Gehaltsgruppen mindestens 70 Euro. Zum 1. April 2022 soll eine weitere Erhöhung um 1,8 % und mindestens 70 Euro folgen. Auszubildende erhalten 2021 und 2022 jeweils 25 Euro mehr.
In Baden-Württemberg wird das Urlaubsgeld um 120 Euro erhöht, ab 2023 wird ein Entlastungstag nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit eingeführt, für Fahrerinnen und Fahrer und Beschäftigte im Schichtdienst mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit ab 2022. Azubis bekommen künftig ein Jahr ihrer Ausbildungszeit auf die Stufenlaufzeit angerechnet.
Die Beschäftigten des RNV erhalten eine Corona-Prämie von 700 Euro statt 600 Euro, für Auszubildende gibt es 300 Euro mehr. Zudem werden ab dem 1. Juli 2021 Überstunden von der ersten Minute an gezahlt, und nicht erst nach 15 Minuten. Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird von bisher jeweils 50 auf jeweils 80 % des Monatsbruttolohns angehoben. Alle Manteltarifverträge laufen bis zum 31.12.2023.
Kämpfen unter Pandemiebedingungen
Kämpfen trotz Pandemie ist möglich. Die Beschäftigten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) haben das eindrucksvoll gezeigt. Am 29. September 2020 stand der ÖPNV im Land in weiten Teilen still. Die 87.000 Beschäftigten in kommunalen Nahverkehrsunternehmen haben erstmals nach über 20 Jahren gleichzeitig in allen Betrieben gestreikt. Nicht nur die Busse und Bahnen standen still. Mit dem Stillstand des ÖPNV machten verstopfte Straßen deutlich, dass das Verkehrssystem in den meisten Städten überholt ist.
Der KAV hatte zuvor versucht, die Beschäftigten mit dem Vorwurf des „unmoralischen Handelns“ einzuschüchtern und auseinanderzudividieren. In der Pandemie sei nicht die Zeit für Verbesserungen. Es gehe jetzt um Beschäftigungssicherung. Wer seinen Arbeitsplatz in der Krise behalten wolle, der müsse auf Verbesserungen verzichten können. Dazu kam die veröffentlichte Meinung der Medien, die gegen die Streikenden Front machte. Trotzdem haben sich die Beschäftigten nicht spalten lassen und sich Unterstützung organisiert.
Für Verkehrswende
Aufgrund der Pandemie fanden nur wenige größere Kundgebungen statt. Stattdessen gab es an vielen Orten Unterstützung für die Streikposten durch Aktive von Fridays For Future und andere Engagierte.
Nachdem in den Monaten zuvor Bündnisse gebildet worden waren, kam es nun zum gemeinsamen Auftritt: Die Klimagerechtigkeitsbewegung sieht die Verbesserung der Arbeits- bedingungen als Teil der Verkehrswende und solidarisierte sich mit dem Tarifkampf der ÖPNV-Beschäftigten. Zusammen wurden zwei Verkehrswendetage bestritten (14.8. und 18.9.2020). ÖPNV-Beschäftigte nahmen am weltweiten Klimaaktionstag am 26.9.2020 teil. Diese gegenseitige solidarische Unterstützung gilt es nun weiter zu entwickeln. Sie nützt nicht nur den Beschäftigten im ÖPNV, sondern auch dem Ziel der so notwendigen sozialen- und ökologischen Verkehrswende. Diese kann nur durch eine breite Massenbewegung erzwungen werden!