„Unsere Chance – Résistance!“
H. N.
Eines ist unbestreitbar: Das Management von Alstom, eines weltweit agierenden Herstellers von Schienenfahrzeugtechnik, bleibt im Auftrag der Hauptaktionäre seiner bisherigen Strategie treu. Sie ist nicht ganz neu und heißt „Diktatur der Zahlen“. Ihre Erfindung beanspruchte 1981 Jack Welch, damals Boss von General Electric und bald danach „bester Manager aller Zeiten“.
Welchs Leitspruch zur Erzeugung maximaler Profite in den Tochterfirmen von General Electric lautete: „Fix it, sell it or close it“. Sinngemäß auf Deutsch bedeutet das: „Strukturiere sie um, verkaufe sie oder mache sie platt.“
Welchs Spitzname „Neutronen-Jack“ leitete sich aus seiner gna- denlosen Kriegsführung gegen GE-Standorte und deren Beschäftigte ab. Nicht vergessen werden sollte, dass Welch auch ein notorischer Gewerkschaftsfeind war.
In Mannheim-Käfertal sind die verheerenden Folgen dieses skrupellosen Vorgehens auf dem ehemals zu Alstom Power gehörenden Industrieareal nicht zu übersehen. Nur wenige hundert Meter davon entfernt befindet sich der Standort der heutigen Alstom Transport Deutschland.
Rund 1.000 Menschen sind dort tätig. Nach der Ankündigung eines Stellenabbaus durch die Konzernleitung im Oktober geht auch bei ihnen erneut die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes um.
Kahlschlagprogramm
Kernpunkte des als neuer „Deutschland Footprint“ bezeichneten Kahlschlagprogramms von Alstom in Deutschland sind unter anderem die Schließung der traditionsreichen Fabrik für Waggonbau in Görlitz im März 2026, die Schließung des Zugneubaus in Berlin-Hennigsdorf, eine Verlagerung des dortigen Be- reichs für Antriebstechnik nach Indien sowie die Umwandlung des Werks in einen Service- und IT-Standort. Dafür sollen die Service-Aktivitäten von Kassel nach Hennigsdorf transferiert werden. Für Alstom Siegen ist − wie übrigens auch für den gesamten Angestelltenbereich in der BRD − ein noch nicht bezifferter Personalabbau geplant.
Außerdem ist Alstom Mannheim massiv von den zerstörerischen Vorhaben der Konzernleitung betroffen. So soll das Reparatur-Geschäft nach Hennigsdorf verlagert werden, die Produktion von Neubau-Prototypen ins baskische Trápaga, die Neubau-Projektentwicklung und Prototypenfertigung „Green Traction“ ins französische Tarbes, der Digital-Bereich D&IS sowie die entsprechenden Reparatur- und Wartungs-Tätigkeiten ebenfalls nach Hennigsdorf. Das im Konzern einzigartige Traktions-Testlabor steht vor dem Aus.
Nach derzeitigem Stand sollen in Mannheim mindestens 140 Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Verkauf des gesamten Werksgeländes steht auf der Agenda. Die restliche Belegschaft soll in ein noch zu erwerbendes Bürogebäude umgesiedelt werden − möglicherweise außerhalb des Geltungsbereichs der Tarifverträge der IGM Baden-Württemberg.
„Wettbewerbsfähigkeit“
An dieser Stelle ist ein Blick zurück erforderlich: Am 9. Juni 2023 hatten Alstom und die IG Metall einen „Zukunftstarifvertrag“ für die rund 9.600 Beschäftigten an 13 Standorten hierzulande geschlossen. Er sollte unter anderem „Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland“ stellen sowie Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland für die nächsten drei Jahre sichern. Diese Vereinbarung wurde mit dem Verzicht auf tarifliche Leistungen erkauft. Sie ist nun offenkundig nicht mehr das Papier wert, auf dem sie unterzeichnet worden war.
Die Mannheimer Alstom-Belegschaft kann sich jedenfalls in ihrer Ablehnung dieses „Deals“ bestätigt sehen.
Widerstand
Sowohl der Gesamtbetriebsrat von Alstom Deutschland als auch der Mannheimer Betriebsrat haben Widerstand gegen die aggressiven Pläne der Konzernführung angekündigt. Sie zweifeln die als Rechtfertigung vom Management ins Feld geführten „Argumente“ und deren Schlüssigkeit offen an.
Die Erfolgsaussichten des Widerstands hängen von mehreren Faktoren ab. Gelingt es, nicht nur an den einzelnen deutschen Alstom-Standorten, sondern bundesweit eigene Alternativen und eine aktive Gegenwehr zu entwickeln? Gelingt es ferner, den Widerstand im Konzern international zu organisieren? Und nicht zuletzt: Wie kann ein Bündnis mit der Bewegung für die Wende zum Schienenverkehr geschaffen werden?
Die IG Metall ist jetzt gefordert, eine kämpferische, auch gesellschafts- und verkehrspolitisch begründete Perspektive jenseits der Routine von Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen aufzuzeigen.
„Unsere Chance – Résistance!“ gilt heute mehr denn je.