Die Eisen­bah­nerin­nen und Eisen­bah­ner haben es satt!“

Der aktu­el­le Arbeits­kampf bei der Bahn (DB AG) ist zum Redak­ti­ons­schluss noch nicht been­det. Bis zum 3. März soll noch ver­han­delt wer­den. Dan­ny Gross­hans, 2. stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der GDL Süd­west, war zur 693. Mon­tags­de­mo gegen Stutt­gart 21 am 29.01.2024 ein­ge­la­den wor­den. Im Fol­gen­den ver­öf­fent­li­chen wir wesent­li­che Aus­zü­ge sei­ner Rede.

D. Grosshans beim GDL-Streik in Mannheim, 11. Januar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

D. Gross­hans beim GDL-Streik in Mann­heim, 11. Janu­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Lie­be „Oben-Blei­ber“, … vie­len Dank, dass Ihr uns Eure Büh­ne zur Ver­fü­gung stellt, um die Wahr­heit zu sagen über unse­ren Tarif­kon­flikt mit der Deut­schen Bahn AG …

Und ich möch­te eines ein­mal klar­stel­len: Die Mit­glie­der der GDL tre­ten im Streik nicht gegen die Fahr­gäs­te oder die Güter­ver­kehrs­kun­den an, son­dern wir tre­ten gegen einen Bahn­vor­stand an, der die Eisen­bahn jah­re­lang kaputt­ge­spart hat. … 

Wer auf die Eisen­bahn ange­wie­sen ist, erlebt täg­lich, wie maro­de das Sys­tem ist. Ver­spä­tun­gen, ver­pass­te Anschluss­zü­ge, defek­te Toiletten! …

Und eins kann ich Euch ver­si­chern: Die Eisen­bah­nerin­nen und Eisen­bah­ner schä- men sich dafür! Sie schä­men sich, dass weder die Poli­tik noch der Bahn­vor­stand Ent­schei­dun­gen auf den Weg brin­gen, die die Eisen­bahn als kli­ma­freund­li­ches Ver­kehrs­mit­tel voranbringen. …

Was sie jedoch gut kön­nen, ist Geld aus­ge­ben – Steu­er­gel­der! Immer neue Mil­li­ar­den wer­den für Leucht­turm­pro­jek­te be- reit­ge­stellt, wel­che am Ende das Sys­tem Eisen­bahn wenig bis gar nicht vor­an­brin­gen. Stutt­gart 21 ist ein leuch­ten­des Bei- spiel dafür. Seit der Pla­nung haben sich die Kos­ten ver­drei­facht auf über 10 Mil­li­ar­den Euro – und es ist eine Frech­heit, dass dafür am Ende nie­mand ver­ant­wort­lich ist und zur Rechen­schaft gezo­gen wird! 

Was sie auch gut beherr­schen, ist die Berech­nung ihrer Bonus­zah­lun­gen. Anstatt Kun­den­zu­frie­den­heit und Pünkt­lich­keit als Kri­te­ri­en her­an­zu­zie­hen, sind Frau­en­quo­te im Unter­neh­men und gleich­blei­ben­de – nicht ver­bes­ser­te, son­dern gleich- blei­ben­de – schlech­te Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den-heit für die Aus­zah­lung der Boni aus­schlag­ge­bend. Für die Kun­den und für die Mit­ar­bei­ter ist das ein Schlag ins Gesicht! 5 Mil­lio­nen Euro für eine Pünkt­lich­keit von gera­de ein­mal 65 Pro­zent! 5 Mil­lio­nen Euro für eine Schlecht­leis­tung, die ihres­glei­chen sucht! ….

Die Eisen­bah­nerin­nen und Eisen­bah­ner haben es satt! Über 7 Mil­lio­nen Stun­den auf den Arbeits­zeit­kon­ten und über 20 Mil­lio­nen Stun­den auf den Lang­zeit­kon­ten der Deut­schen Bahn AG sind der Beweis: Die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen leis- ten seit Jah­ren ihren Bei­trag. Sie sind kaputt und kön­nen nicht mehr! Es gab noch nie so vie­le Anträ­ge auf Teil­zeit! Die wenigs­ten Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen blei­ben bis zur Regel­al­ters­ren­te in ihrem Beruf. Der durch­schnitt­li­che Eisen­bah­ner geht mit 64 in Ren­te – nicht etwa, weil er im Lot­to gewon­nen hat, son­dern weil der unre­gel­mä­ßi­ge Wech­sel­dienst – wis­sen­schaft­lich bewie­sen – die unge­sün­des­te Form der Arbeits­zeit­ge­stal­tung ist. 

Und Nach­wuchs? Pus­te­ku­chen! 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Woche, Wochen­en­de, Fei­er­ta­ge, das alles rund um die Uhr, will nie­mand mehr machen! …

Unse­re For­de­run­gen in der lau­fen­den Tarif­run­de zie­len ganz klar dar­auf ab, die Beru­fe im Schicht­dienst wie­der attrak­ti­ver zu gestal­ten. Nur wenn das gelingt, haben wir im hart umwor­be­nen Fach­kräf­te­markt über- haupt eine Chan­ce, Berufs­ein­stei­ger für unse­re Beru­fe zu begeis­tern und das vor­han­de­ne Per­so­nal spür­bar zu entlasten. …

Nur der GDL ist es zu ver­dan­ken, dass der Eisen­bahn­markt so gestal­tet ist, dass der Wett­be­werb eben nicht mehr über die Lohn­kos­ten – und somit auf dem Rücken der Be- schäf­tig­ten – statt­fin­det! Als wir im Jahr 2007 begon­nen haben, fan­den wir ein Del­ta von bis zu 40 Pro­zent vor, und wir haben einen Anglei­chungs­pro­zess hin­ter uns, bei dem Arbeits­zeit­re­ge­lun­gen und Ent­gelt über­all mit­ein­an­der ver­gleich­bar sind! …

Und was macht unse­re Poli­tik? Erst pri­va­ti­sie­ren sie die Eisen­bahn und neh­men den Lok­füh­rern, Zug­be­glei­tern und Fahr­dienst­lei­tern den Beam­ten­sta­tus, und jetzt faseln sie von kri­ti­scher Infra­struk­tur und Daseins­vor­sor­ge. Mit dem ein­zi­gen Ziel, den Eisen­bah­nern ihr demo­kra­ti­sches Grund­recht – näm­lich das Streik­recht – zu entziehen! …

Und dann gibt es da noch das Tarif­ein­heits­ge­setz. Die Schaf­fung die­ses Geset­zes hat­te das kla­re Ziel, klei­ne, aber gut orga­ni­sier­te Gewerk­schaf­ten mund­tot und zahm zu machen. Am Bei­spiel der GDL sieht man – Ziel mäch­tig ver­fehlt! Das Gegen­teil ist der Fall: Wenn ein Gesetz zur Anwen­dung kommt, das Mehr­hei­ten for­dert, braucht sich am Ende nie­mand zu wun­dern, wenn der Orga­ni­sa­ti­ons­be­reich erwei­tert wird, und Mehr­hei­ten geschaf­fen werden. 

Wie geht es jetzt wei­ter? Unser letz­ter Streik scheint Wir­kung gezeigt zu haben. …

Bis zum 3. März wird ver­han­delt, und wäh­rend die­ser Zeit herrscht Frie­dens­pflicht und Still­schwei­gen wur­de ver­ein­bart. Ich hof­fe für unse­re Mit­glie­der, für die Kun­den der Eisen­bahn und für das Sys­tem Eisen­bahn, dass die Ver­hand­lun­gen auf Augen­hö­he geführt wer­den, und am Ende die Beru­fe der Eisen­bahn durch bes­se­re Arbeits­zeit- und Ent­gelt­be­din­gun­gen wert­ge­schätzt wer­den! Fakt ist, weder unser Grund­recht auf einen Tarif­ver­trag für die Infra­struk­tur ist ver­han­del­bar, noch wer­den wir uns von der 35-Stun­den- und 5-Tage-Woche abbrin­gen lassen!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2024
Tagged , , , , , . Bookmark the permalink.