Weil wir wis­sen, wir sind unverzichtbar …“

Gespräch mit dem Betriebs­rats­vor­sit­zen­den von Als­tom Mannheim

 

Der Schie­nen­fahr­zeug­her­stel­ler Als­tom hat 2021 die Bahn­spar­te von Bom­bar­dier auf­ge­kauft. Avan­ti² sprach über die pro­ble­ma­ti­schen Fol­gen die­ser Über­nah­me für die Beschäf­tig­ten und ihre Inter­es­sen­ver­tre­tung mit Otto Schä­fer, dem Betriebs­rats­vor­sit­zen­den des Mann­hei­mer Alstom-Werks.*

Warnstreik bei Alstom Mannheim, 23. März 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Warn­streik bei Als­tom Mann­heim, 23. März 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Was ist seit 2021 bei Als­tom passiert?

Nach dem Kauf von Bom­bar­dier durch Als­tom hat das Manage­ment ver­lau­ten las­sen, dass dies eine gute Ent­schei­dung des Kon­zerns gewe­sen sei und dass alle Beschäf­tig­ten und alle Stand­or­te benö­tigt würden.

Dann kam Ende Dezem­ber 2021, kurz vor Weih­nach­ten, die unsäg­li­che Ankün­di­gung, dass Als­tom auf­grund der wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on zu hohe Kapa­zi­tä­ten hät­te. Des­halb müs­se man rund 1.400 Arbeits­plät­ze abbauen.

Der Gesamt­be­triebs­rat – wie auch die IG Metall – haben dar­auf natür­lich umge­hend reagiert und Gesprä­che mit der Unter­neh­mens­lei­tung auf­ge­nom­men, die sich sehr lan­ge hin­ge­zo­gen haben. Das Ergeb­nis war, dass bis zum Abschluss am 31.12.2022 kei­ne Maß­nah­men umge­setzt wer­den sollten.

Aller­dings wur­den trotz­dem stra­te­gi­sche Ent­schei­dun­gen getrof­fen, die uns auch hier in Mann­heim tan­gie­ren. Beson­ders gra­vie­rend war das The­ma Stromrichterentwicklung.

Das heißt, es gab zwei unter­schied­li­che Lösun­gen und zwei unter­schied­li­che Pro­duk­te in die­sem Bereich, was wie­der­um dazu führ­te, dass die Strom­rich­ter­ent­wick­lung in Mann­heim hoch gefähr­det war, weil sich die Kon­zern­zen­tra­le in Paris für das fran­zö­si­sche Pro­dukt ent­schie­den hat­te – obwohl im tech­no­lo­gi­schen Ver­gleich die Mann­hei­mer Strom­rich­ter­pro­duk­ti­on und -ent­wick­lung die wesent­lich bes­se­re war.

Es kam dann im März 2023 zu einem Abschluss der Gesprä­che mit dem Kon­zern. In einem drei­sei­ti­gen Ver­trag zwi­schen IG Metall, Gesamt­be­triebs­rat und Als­tom wur­de ein gewis­ser Per­so­nal­ab­bau durch ein „Frei­wil­li­gen­pro­gramm“ ver­ein­bart, dafür aber der Erhalt aller Stand­or­te zuge­si­chert. Es soll­te zudem einen „Arbeit­neh­mer­bei­trag“ in Form eines vor­läu­fi­gen Ver­zichts auf das Urlaubs­geld geben mit der Ein­schrän­kung, dass bei gestei­ger­ter Pro­duk­ti­vi­tät, ver­rin­ger­tem Kran­ken­stand und guter Qua­li­tät die­ser Ver­zicht nicht wirk­sam wer­den sollte.

Die Mit­glie­der der IG Metall soll­ten an den ein­zel­nen Stand­or­ten über die­sen „Zukunfts­ta­rif­ver­trag“ abstim­men. Sowohl in Mann­heim als auch in Sie­gen wur­de er abge­lehnt. In Sie­gen gab es dann in Nach­ver­hand­lun­gen jedoch eine ande­re Lösung, so dass letzt­lich Mann­heim als ein­zi­ger gro­ßer Stand­ort die­sem Ver­trag nicht zustimmte.

Wir haben uns danach bereit erklärt, mit der ört­li­chen Geschäfts­lei­tung unter Betei­li­gung der IG Metall über Lösun­gen nach­zu­den­ken, um unser Mann­hei­mer Werk bes­ser absi­chern zu können.

Es gab aller­dings ein paar Vor­aus­set­zun­gen dafür, die in dem für die deut­sche Als­tom gel­ten­den „Zukunfts­ta­rif­ver­trag“ ste­hen. Der Bereich Signal­tech­nik ist in Deutsch­land an drei Stand­or­ten ange­sie­delt − Mann­heim, Braun­schweig und Ber­lin. Die­se haben bis­her kei­ne Tarif­bin­dung. Wir woll­ten natür­lich, wenn es zu Zuge­ständ­nis­sen der Beschäf­tig­ten kommt, errei­chen, dass es eine Tarif­bin­dung für alle Betrie­be gibt.

Das Unter­neh­men hat dies ver­trag­lich in dem „Zukunfts­ver­trag“ zuge­si­chert und muss­te die Maß­nah­men bis zum 31.10.2023 rea­li­sie­ren. Da das Unter­neh­men die­se Zusa­ge nicht ein­ge­hal­ten hat, war unse­re For­de­rung, dass wir erst in Ver­hand­lun­gen gehen, wenn die Tarif­bin­dung her­ge­stellt wor­den ist. Das war auch die Vor­ga­be der IG Metall-Mit­glie­der, die gesagt haben: Wenn wir was geben, wol­len wir auch was haben. Wobei es fak­tisch beim Ent­gelt kei­ne Zwei­klas­sen­ge­sell­schaft im Mann­hei­mer Werk gibt. Die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen bei Als­tom Signal­tech­nik sind genau­so ein­grup­piert wie die Beschäf­tig­ten bei Als­tom Transport.

Wir haben dem Manage­ment vie­le sehr intel­li­gen­te Vor­schlä­ge zur Ver­bes­se­rung unse­rer Posi­ti­on in Mann­heim gemacht, ohne dass dies nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Geld­beu­tel der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen gehabt hät­te. Es hapert aller­dings immer an der Umset­zung, ganz klar.

Warnstreik bei Alstom Mannheim, 23. März 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Warn­streik bei Als­tom Mann­heim, 23. März 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Wie ist der aktu­el­le Stand?

Beim bis­her letz­ten Gespräch hat uns die Unter­neh­mens­lei­tung gefragt, ob wir wei­ter­hin an der Tarif­bin­dung für den Bereich Signal­tech­nik fest­hal­ten wür­den. Und wir sag­ten, es hat sich an unse­rer Auf­fas­sung nichts verändert.

Dar­auf­hin haben die Unter­neh­mens­ver­tre­ter erklärt, dass wei­te­re Gesprä­che kei­nen Sinn mehr machen wür­den. Sie haben also im Prin­zip die­se Gesprä­che auf Eis gelegt und zum Schluss noch hin­zu­ge­fügt, dass das natür­lich auch Kon­se­quen­zen für den Stand­ort Mann­heim hät­te und es hier kei­ne Neu­ein­stel­lun­gen mehr geben würde.

Momen­tan ver­las­sen die gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge das Unter­neh­men. Das heißt, wir haben eine Fluk­tua­ti­on, zwi­schen 5 und 10 % im Jahr. Und in die­ser Situa­ti­on kün­digt das Unter­neh­men an, dass es auch kei­ne Ersatz­ein­stel­lun­gen mehr gibt. Das bedeu­tet natür­lich per­spek­ti­visch das Aus­blu­ten des Mann­hei­mer Werks, und das war eine kla­re Ansa­ge des Unternehmens.

Aller­dings wur­de von Sei­ten der Unter­neh­mens­lei­tung bis­her noch nichts rea­li­siert. Das heißt, wir haben nach wie vor per­so­nel­le Ein­zel­maß­nah­men, unter ande­rem auch Ein­stel­lun­gen, Ver­set­zun­gen etc., also Ver­fah­rens­wei­sen, die sich nicht groß­ar­tig unter­schei­den zu dem Zeit­raum vor die­ser Einstellung.

Aber man muss auch sehen – und das ist unser größ­tes Pro­blem –, dass das Unter­neh­men sich ja in einer leich­ten Schief­la­ge befin­det. Der Hin­ter­grund ist: Es hat Ende letz­ten Jah­res einen mas­si­ven Ein­bruch der Als­tom-Aktie um etwa 40 % gege­ben. Dar­auf­hin hat die Kon­zern­füh­rung mit der phan­ta­sie­lo­sen Ankün­di­gung eines „Spar­plans“ reagiert und einen welt­wei­ten Abbau von 1.500 Arbeits­plät­zen angekündigt.

Die­se Ankün­di­gung wird zur­zeit umge­setzt. Das heißt, die ent­spre­chen­den Gre­mi­en wer­den unter­rich­tet. Zuerst der Euro­päi­sche Betriebs­rat, und jetzt wird es suk­zes­si­ve run­ter­ge­bro­chen auf die ein­zel­nen Regio­nen bzw. Län­der. Nächs­te Woche wer­den der Wirt­schafts­aus­schuss des Gesamt­be­triebs­ra­tes und anschlie­ßend der Gesamt­be­triebs­rat über die Aus­wir­kun­gen die- ser Abbau­plä­ne auf die ein­zel­nen Stand­or­te informiert.

Es zeich­net sich jetzt schon ab, dass Als­tom vor allem in den indi­rek­ten Berei­chen Per­so­nal abbau­en will. Aller­dings lie­gen uns zur­zeit die kon­kre­ten Zah­len noch nicht vor.

Also wei­ter­hin düs­te­re Wol­ken am Hori­zont. Wie wirkt sich jetzt die­se Situa­ti­on auf Eure Arbeit und auf die Stim­mung in der Beleg­schaft im Werk hier aus, auch auf die Tätig­keit des Betriebs­rats und der Vertrauensleute?

Wir haben ja schon seit Jahr­zehn­ten hier eine Situa­ti­on mit einer gewis­sen Unsi­cher­heit. Wir haben aller­dings nie die Hoff­nung auf­ge­ge­ben, weil wir hier gute Pro­duk­te her­stel­len. Wir haben zudem einen wach­sen­den Markt, um die Ver­kehrs­wen­de hin­zu­be­kom­men. Um die Kli­ma­zie­le zu errei­chen, ist es abso­lut not­wen­dig, dass wir der Spar­te Schie­nen­ver­kehr gute Lösun­gen anbie­ten. Und des­we­gen ist es für uns unver­ständ­lich, wie man so einen pro­spe­rie­ren­den Bereich zugrun­de richtet.

Es sind gigan­ti­sche Fehl­ent­schei­dun­gen in der Ver­gan­gen­heit gefällt wor­den, gegen unse­re Rat­schlä­ge, aber es gibt ja kei­ne wirt­schaft­li­che Mit­be­stim­mung. Das heißt also, wir kön­nen in den ein­zel­nen Gre­mi­en schon unse­re Vor­schlä­ge ein­brin­gen, aller­dings die Ent­schei­dun­gen tref­fen die­se Mana­ger. Und wir haben es schon sehr oft erfah­ren müs­sen, dass wir hier eine Klas­se von Mana­gern haben, die sich beson­ders durch Inkom­pe­tenz und durch Igno­ranz her­vor­tut. Die Leid­tra­gen­den sind dann die abhän­gig Beschäf­tig­ten, ganz klar.

Wir haben nach wie vor trotz alle­dem immer noch Hoff­nung, weil wir wis­sen, dass wir hier eine gute Arbeit machen und dass wir alles dafür tun, um unse­ren Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen eine Per­spek­ti­ve auf­zei­gen zu können.

Die Stim­mung ist natür­lich pro­ble­ma­tisch, das kann man nicht von der Hand wei­sen. Es hat sich im Betriebs­kli­ma schon eini­ges nega­tiv ver­än­dert, weil die­ser Druck natür­lich jetzt lang­sam von oben bis nach ganz unten durch­kommt. Und wir ver­su­chen als Betriebs­rat, als Ver­trau­ens­leu­te, als IG Metall dage­gen zu arbei­ten. Aller­dings wir erfah­ren selbst mit der ört­li­chen Geschäfts­lei­tung, zusätz­lich zu den nor­ma­len Inter­es­sens­kon­flik­ten, die wir haben, eine Ver­schär­fung. Es gibt schon Indi­ka­to­ren dafür.

Noch eine Nach­fra­ge: Was ist das Beson­de­re an den Pro­duk­ten, die Ihr hier herstellt?

Wir sind zum größ­ten Teil hier ein Engi­nee­ring Stand­ort. Wir haben den Bereich Loko­mo­ti­ven, wo wir wirk­lich, sehr, sehr gute Pro­duk­te haben.

Wir haben hier den Bereich Ser­vices, der nach wie vor ein gro-ßer Wachs­tums­be­reich ist. Wir haben hier noch den Bereich Stra­ßen­bah­nen, der aller­dings auf­grund von Pro­dukt­ent­schei­dun­gen redu­ziert wird. Das hat damit etwas zu tun, dass wir an ver­schie­de­nen Aus­schrei­bun­gen nicht mehr mit dem Pro­dukt bezie­hungs­wei­se der Tech­no­lo­gie, die hier aus Mann­heim kommt, betei­ligt sind.

Wir waren welt­weit füh­rend in der Strom­rich­ter­ent­wick­lung. Zum Bei­spiel kam der ers­te Dreh­strom­rich­ter, den es welt­weit gab, hier aus Mann­heim. Mann­heim ist ja eine Stadt für Mobi­li­tät. Hier wur­de nicht nur das ers­te Auto, das ers­te Fahr­rad und einer der ers­ten Trak­to­ren gebaut, son­dern auch bei BBC der ers­te Dreh­strom­an­trieb für Loko­mo­ti­ven oder Schienenverkehrsfahrzeuge.

Dann haben wir hier den Bereich Signal­tech­nik und zwar die­sen wun­der­ba­ren Bereich OnBoard. Das heißt, die Zug­si­che­rungs­sys­te­me bezie­hungs­wei­se die Signal­tech­nik wer­den immer mehr von der Fahr­stre­cke auf die Fahr­zeu­ge weg­ver­la­gert. Und da sind wir sehr, sehr gut im Markt. Und da gibt es auch gute Wachstumsprognosen.

Und wir haben hier noch eine klei­ne Rest­pro­duk­ti­on für Strom­rich­ter mit den Schwer­punk­ten Retro­fit (das heißt Umrüs­tung), Repa­ra­tur etc.
Dann gibt es noch den gro­ßen Bereich Train Con­trol & Manage­ment Sys­tem (TCMS), den wir bedie­nen. Das ist die Elek­tro­nik und die Soft­ware die das gesam­te Fahr­zeug prak­tisch steu- ert und einen siche­ren Fahr­gast­be­trieb sicherstellt.

Dafür arbei­ten allein in Mann­heim rund 1.000 Beschäftigte?

Wir haben etwa 1.000 Beschäf­tig­te, wobei nicht alle hier am Stand­ort sind. Wir haben auch noch ein paar Inbe­trieb­neh­mer, Mon­teu­re, die in Deutsch­land und teil­wei­se auch welt­weit unter­wegs sind.

Ich muss noch erwäh­nen, dass in der Ver­gan­gen­heit wirk­lich hier in Mann­heim gro­ße Erfol­ge erzielt wurden.

Wir hat­ten zum Bei­spiel im Bereich Loko­mo­ti­ven den größ­ten jemals ver­ge­be­nen Auf­trag der DB hier ord­nungs­ge­mäß abge­ar­bei­tet. Das war zuerst die Bau­rei­he 101, dann die 145 und dann die 185 in den ver­schie­de­nen Seri­en. Also wir kön­nen das. Wir sind gut. Wir haben hier eine hoch­mo­ti­vier­te Beleg­schaft, hoch­qua­li­fi­zier­te Menschen.

Aller­dings, und das ist unse­re größ­te Befürch­tung, auf­grund die­ser Unsi­cher­heit besteht die Gefahr, dass sich unse­re Inge­nieu­re, also unse­re Elek­tro­in­ge­nieu­re der Fach­rich­tung Antriebs­tech­nik, anders­wo umschau­en. Wenn man kei­ne beruf­li­che Per­spek­ti­ve mehr hät­te, dann wäre es natür­lich schwie­rig, hier die­se Fach­kräf­te zu hal­ten bezie­hungs­wei­se neue zu gewinnen.

Das wäre natür­lich eine fata­le Ent­wick­lung. Die wol­len wir nicht. Da arbei­ten wir klar dage­gen. Unse­re Hand­lungs­mög­lich­kei­ten sind natür­lich irgend­wo begrenzt, aber wir wen­den viel Phan­ta­sie, Enga­ge­ment und Ideen auf, um unse­re Zie­le zu rea­li­sie­ren. Weil wir wis­sen, wir sind unver­zicht­bar, und wir sind gut.

Das ist ja gera­de vor dem Hin­ter­grund die­ser oft genann­ten Ver­kehrs­wen­de, die mit der Ver­la­ge­rung von Ver­kehr auf die Schie­ne zusam­men­hängt, eine völ­lig gro­tes­ke Situa­ti­on. Jetzt ist es bekann­ter­ma­ßen schwer für abhän­gig Beschäf­tig­te auf trans­na­tio­nal agie­ren­de Kon­zer­ne Ein­fluss aus­zu­üben. Das gelingt ja meis­tens nur dann, wenn Beleg­schaf­ten sich über­ört­lich zusam­men­schlie­ßen, Wider­stand orga­ni­sie­ren, wie das ja auch Euer frü­he­res Mut­ter­werk hier lan­ge Jahr­zehn­te vor­ex­er­ziert hat. Gibt es da Bestre­bun­gen in die Rich­tung oder ist das eher ein schwie­ri­ges Terrain?

Das ist ein sehr schwie­ri­ges Ter­rain, weil wir inner­halb die­ses gro­ßen Kon­zerns ein von der Unter­neh­mens­lei­tung bewusst geschür­tes, mas­si­ves Kon­kur­renz­den­ken haben.

Das gip­felt dar­in, dass zum Bei­spiel einer der wich­ti­gen Punk­te die­ses „Zukunfts­ta­rif­ver­trags“ ja nicht nur die Absi­che­rung der Stand­or­te durch Fest­schrei­bung von Kom­pe­ten­zen war, son­dern dass man sich auch dar­auf ein­ge­las­sen hat, die Abar­bei­tung der gewon­ne­nen Auf­trä­ge mit einer Metho­de durch­zu­füh- ren, die die­sen Kon­kur­renz­kampf prak­tisch beför­dert. Das heißt, wenn ein Auf­trag bei der welt­wei­ten Als­tom im Haus ist, dann kön­nen sich ein­zel­ne Regio­nen, ein­zel­ne Län­der, ein­zel­ne Stand­or­te dar­auf bewer­ben, die­sen Auf­trag abzu­ar­bei­ten. Und dann ent­steht natür­lich schon eine auto­ma­ti­sier­te Konkurrenzsituation.

Das heißt, jeder muss also ver­su­chen, sich so gut wie mög­lich dar­zu­stel­len, und vor allen Din­gen, und das ist ja immer die Mess­lat­te über­haupt, so gut wie mög­lich pro­fi­ta­bel zu operieren.

Solidarität mit der Belegschaft von Bombardier-Alstom Mannheim, 16. Juli 2020. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Soli­da­ri­tät mit der Beleg­schaft von Bom­bar­dier-Als­tom Mann­heim, 16. Juli 2020. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Wie reagiert denn die Poli­tik auf die­se Ent­wick­lun­gen? Offi­zi­ell wird ja auch von der Bun­des­re­gie­rung ver­kün­det, Ver­kehrs­wen­de heißt För­de­rung des Schie­nen­ver­kehrs. Da müss­te doch die Poli­tik alar­miert sein.

Ja, natür­lich muss das – theo­re­tisch gese­hen – die Poli­tik alar­mie­ren, aber es gibt ja immer einen Unter­schied zwi­schen dem, was ange­kün­digt wird, und dem, was rea­li­siert wird. Da muss man genau­er hin­schau­en. Fakt ist ganz ein­fach: Um die­se Ver­kehrs­wen­de zu schaf­fen, um die Kli­ma­zie­le zu errei­chen, bedarf es natür­lich einer Men­ge von Inves­ti­tio­nen. Die­se sind natür­lich in der Art von Gesell­schaft, in der wir leben, nicht von heu­te auf mor­gen zu rea­li­sie­ren. Das liegt an vie­len, vie­len Fak­to­ren und Pro­ble­men, die selbst pro­du­ziert wurden.

Aber wie gesagt, wir haben dazu Lösun­gen. Wir haben zum Bei­spiel ein Pro­jekt, das ist wirk­lich phan­tas­tisch. Wir wis­sen ja, dass die Schie­nen-Kapa­zi­tät begrenzt ist, aber wir kön­nen es durch intel­li­gen­te Lösun­gen schaf­fen, dass wir die­se begrenz­ten Kapa­zi­tä­ten wesent­lich bes­ser nut­zen. Das heißt, dass wir mehr Ver­kehr auf die Schie­ne brin­gen kön­nen, indem wir zum Bei­spiel die Abstän­de zwi­schen zwei Fahr­zeu­gen ver­rin­gern und damit im Prin­zip eine erhöh­te Fre­quenz schaf­fen, damit mehr Per­so­nen oder Güter trans­por­tie­ren kön­nen und so wei­ter. Da gibt es wirk­lich gute und intel­li­gen­te Lösun­gen. Wir sind auch damit vor­ne dabei, nur wie gesagt, da bedarf es halt Inves­ti­tio­nen. Und die Poli­tik ist, sagen wir mal, hier oder da noch nicht so weit, wie das viel­leicht not­wen­dig wäre.

Aber wir haben auch da Hoff­nung, dass sich etwas ver­än­dert. Es gibt jetzt zum Bei­spiel eine Initia­ti­ve, die uns wirk­lich am Her­zen liegt. Das ist die soge­nann­te Bran­chen­kon­fe­renz der IG Metall.

Für den Schienenverkehr?

Für den Schie­nen­ver­kehr, ja. Und eine der wich­ti­gen For­de­run­gen ist auf der einen Sei­te, dass man ver­bes­sern muss bei der Zulas­sung von Schie­nen­fahr­zeu­gen, die teil­wei­se sehr, sehr auf­wen­dig und zeit­in­ten­siv ist. Und auf der ande­ren Sei­te bei der Fra­ge der Ver­ga­be der Aufträge.

Es gibt eine kla­re Initia­ti­ve der IG Metall, die dar­in gip­felt, dass, wenn hier in Deutsch­land Pro­jek­te ver­ge­ben wer­den, die­se nur an tarif­ge­bun­de­ne Unter­neh­men ver­ge­ben werden.

Europaweiter Aktionstag bei Bombardier-Alstom Mannheim, 16. Juli 2020. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Euro­pa­wei­ter Akti­ons­tag bei Bom­bar­dier-Als­tom Mann­heim, 16. Juli 2020. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Denn wenn Steu­er­mit­tel für den Öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr inves­tiert wer­den, dann sol­len die bit­te schön auch an tarif­ge­bun­de­ne Unter­neh­men gehen. Das ist zum Bei­spiel eine Ini- tia­ti­ve der Bran­chen­kon­fe­renz Schie­ne der IG Metall, die wir an die Poli­tik her­an­ge­tra­gen haben. Wie das letzt­lich rea­li­siert wird, ist noch abzu­war­ten, weil da der Gesetz­ge­bungs­pro­zess zur­zeit im Gan­ge ist.

Wir haben ja als alte Metal­ler gelernt, dass Macht Gegen­macht braucht. Habt ihr da Über­le­gun­gen ange­stellt, wie man unter den heu­ti­gen Bedin­gun­gen Gegen­macht ver­stär­ken kann? Etwa durch einen betriebs- und bran­chen­über­grei­fen­den Kampf gegen sol­che Abbau­plä­ne von inter­na­tio­na­len Kon­zer­nen und − in Anleh­nung an Arti­kel 14 Grund­ge­setz − für ein Ver­bot von Ent­las­sun­gen, wie das Betriebs­rat und IGM-Ver­trau­ens­kör­per­lei­tung von Als­tom Power in ihrem Mann­hei­mer Appell getan haben?

Der Arti­kel 14 sagt ja aus, dass Eigen­tum eine Sozi­al­bin­dung hat. Wenn ich jetzt reflek­tie­re, was Du bis­her berich­tet hast, dann inter­es­siert das einen Kon­zern wie Als­tom einen feuch­ten Keh­richt. Gibt es irgend­wel­che Über­le­gun­gen, um ent­spre­chen­de Gegen­po­si­tio­nen zu ent­wi­ckeln und an ande­re Bünd­nis­part­ner, auch außer­halb der IG Metall, heranzutreten?

Zum Bei­spiel an die Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung, oder an die Beschäf­tig­ten bei der DB AG, die sich gera­de in einer Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Bahn­vor­stand befinden?

Also die Situa­ti­on kann ich lei­der nicht schön­re­den. Wie gesagt, die­ses Kon­kur­renz­den­ken ist vor­han­den. Wir haben auch ganz klar die Per­spek­ti­ve, dass wir Bünd­nis­part­ner suchen, aber das zu sta­bi­li­sie­ren, das ist ein sehr auf­rei­ben­der und wich­ti­ger Pro­zess. Es gibt Bestre­bun­gen mit Grup­pen die­ser Gesell­schaft, die sich für eine Kli­ma­ge­rech­tig­keit ein­set­zen, natür­lich gemein­sam etwas zu machen, aber das steckt zur­zeit noch in den Anfän­gen, ganz klar.

Immer­hin gibt es schon die ers­ten Kon­tak­te, und wir haben ja auch mit die­ser Initia­ti­ve für die Bran­chen­kon­fe­renz IG Metall natür­lich schon so eine Geschich­te rea­li­siert, um zu sehen, wie wir mit den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ande­rer Schie­nen­fahr­zeug­her­stel­ler an einem Strang zie­hen kön­nen. Und es gibt auch Ideen, wie man bei der Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gien gemein­sam zum Nut­zen aller vor­an­kom­men kann. Aber das sind alles Ideen, die immer noch in ihren Anfän­gen ste­cken, lei­der. Und zu die­ser Fra­ge der Sozi­al­bin­dung des Eigen­tums: Wir sind ein mul­ti­na­tio­na­ler Kon­zern und Als­tom ist erst­mal sei­nen Aktio­nä­ren ver­pflich­tet. Und alle Aktio­nen, die dort zur­zeit vor­an­ge­trie­ben wer­den, sind natür­lich pro­fit­ge­trie­ben. Der Ver­fall des Kur­ses der Als­tom-Aktie Ende letz­ten Jah­res hat dazu geführt, dass sich die Situa­ti­on verschärft.

Wir müs­sen klipp und klar sagen: Auf­grund der Zah­len, die auch öffent­lich bekannt sind, ist das Unter­neh­men in eini­gen Berei­chen nicht in einer Super­po­si­ti­on. Aber wir haben immer noch den Glau­ben, den Traum, dass wir ein gutes Pro­dukt her­stel­len und dass wir am Markt erfolg­reich sein können.

Aber das mit der Gegen­wehr ist ein schwe­res Feld, wie Du weißt.

Aber ein unersetzbares.

Uner­setz­bar, klar.


* [Das Gespräch fand am 15. Febru­ar 2024 statt. Die Fra­gen stell­te W. A.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2024
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