O. T.
Die Lebenshaltungskosten in Deutschland steigen seit Monaten so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein Ende der Inflation ist jedoch nicht in Sicht.
Im Mai 2022 lag der durchschnittliche Anstieg der Preise gegenüber dem Vorjahr offiziell bei 7,9 Prozent. Schneller als die Lebenshaltungskosten schießen derzeit nur die Aktienkurse der Kriegsindustrie nach oben. So legte der Börsenwert des Rüstungskonzerns Rheinmetall nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine um 158 % zu.
Die schon lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine gestiegenen Preise widerlegen auch die Behauptung der bürgerlichen Politik, die wachsenden Lebenshaltungskosten seien vor allem durch diesen Krieg verursacht.
Die steigenden Lebenshaltungskosten sind eine massive Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums – zum Schaden der arbeitenden Klasse und der Armen, aber zum Nutzen der Großkonzerne und der dahinterstehenden Superreichen.
Ursachen der Inflation
Die kapitalistische Weltwirtschaft befindet sich seit 2018/19 in einer schweren Überproduktionskrise. Im Frühjahr 2020 hat die Corona-Pandemie diese Wirtschaftskrise massiv verschärft. Die weltweite Wirtschaftsleistung sank um 3,4 Prozent und damit viel stärker als in der Krise von 2008/09 (- 1,3 %).
Das Zusammenwirken von Überproduktion und Pandemie hat dazu geführt, dass die weltweiten Lieferketten unterbrochen wurden. Viele kleine und mittlere Zulieferbetriebe gingen pleite. Die Industrieproduktion kann derzeit teilweise nur stockend hochgefahren werden − weil der internationale Seehandel immer noch beeinträchtigt ist, weil Vorprodukte nicht hergestellt werden und weil Rohstoffe verknappt werden. Auch deswegen sind viele Güter massiv verteuert worden.
Fossiler Kapitalismus
Die jetzt schon spürbaren Auswirkungen der drohenden Klimakatastrophe zeigen, dass die Kosten der notwendigen Energiewen- de auch für die Unternehmen immer höher werden. Energievermeidung steht aber in Widerspruch zum kapitalistischen Wachs- tumswahn. Zudem stehen erneuerbare Energien immer noch nicht ausreichend zur Verfügung.
Durch die wieder anspringende Konjunktur ist die Nachfrage nach Energie gestiegen. Der Preis für Rohöl hat sich dadurch − und durch spekulative Manöver − zwischen Oktober 2020 und Oktober 2021 verdoppelt. Der Preis für Gas ist um 130 Prozent gestiegen und der für Kohle um 342 Prozent. In diesen Zahlen sind die Preissteigerungen aufgrund des Ukrainekrieges noch gar nicht enthalten.
Hinzu kommt die CO2-Steuer, mit der die Kosten für den Umbau der Industrie auf die arbeitende Klasse abgewälzt werden. Sie wurde im Januar 2021 eingeführt und soll bis 2025 schrittweise steigen. Konkret wirkt sich das in einem Aufschlag auf die Preise von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas aus.
Inflationstreiber Notenbanken
Zu den genannten wirtschaftlichen Reibungen und staatlichen Maßnahmen kommt die Geldpolitik der Notenbanken. Bis Ende Januar 2021 haben allein die amerikanische, die europäische und die japanische Notenbank Geld in Höhe von 14 Billionen US-Dollar neu geschaffen und damit staatliche Krisenpro- gramme finanziert. Diese bestanden wiederum vor allem aus Krediten, Subventionen und Garantien für Unternehmen.
Wird die Geldmenge ausgedehnt, führt dies jedoch über kurz oder lang zwangsläufig zu einer Entwertung des Geldes − zur Inflation. Bei gleichbleibenden Löhnen bedeutet Inflation, dass die Kaufkraft sinkt. Inflation ist also ein weiteres Mittel zur Umverteilung von unten nach oben.
Ukrainekrieg als Preistreiber
Das jahrzehntelange Festhalten an den fossilen Brennstoffen hat auch zu einer umfassenden Abhängigkeit von den Lieferanten dieser Brennstoffe, insbesondere von Russland, geführt. Angesichts des russischen Angriffskrieges rächt sich das jetzt. Die westliche „Sanktionspolitik“ gegen Putin setzt vor allem auf ein Embargo fossiler Energieträger aus Russland. Dadurch bringen sich der „Westen“ und vor allem Deutschland selbst in allergrößte wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Weil Deutschland Gas und Öl aus politischen Gründen jetzt nicht mehr in Russland, sondern zum Beispiel in Katar, in Saudi-Arabien oder den USA einkaufen will, können diese Anbieter massive Preisaufschläge verlangen. Von steigenden Preisen am Weltmarkt profitiert übrigens nicht zuletzt Putins Regime. Hingegen haben weltweit die Ärmsten der Armen und die abhängig Beschäftigten, die Folgen zu tragen.
Es ist an der Zeit, den Kriegs- und den Preistreibern das Handwerk zu legen. Eine offensive gewerkschaftliche Lohnpolitik und der Kampf für eine gleitende Lohnskala sind dafür unabdingbar.