Ren­ten­re­form“ in Frankreich

Kei­ne „Weih­nachts­ru­he“ beim Streik

B.S

Die mitt­ler­wei­le längs­te Streik- und Pro­test­be­we­gung in Frank­reich seit 1968 hält nach wie vor an. Die ers­te Raf­fi­ne­rie wur­de durch die Strei­ken­den bis zum voll­stän­di­gen Still­stand her­un­ter­ge­fah­ren. Dies hat­te eine Ver­samm­lung der Beleg­schaft im süd­fran­zö­si­schen Lavé­ra – in der Nähe von Mar­seil­le – am 22. Dezem­ber 2019 beschlossen.

„Besser streiken als mit Armutsrenten leben“ – Streikende Arbeiter in Paris, 17. Dezember 2019 (Foto: Copyright Photothèque Rouge: Martin Noda, Hans Lucas)

Bes­ser strei­ken als mit Armuts­ren­ten leben“ – Strei­ken­de Arbei­ter in Paris, 17. Dezem­ber 2019 (Foto: Copy­right Pho­to­t­hè­que Rouge: Mar­tin Noda, Hans Lucas)

Ein­mal her­un­ter­ge­fah­ren, benö­tigt eine Raf­fi­ne­rie rund eine Woche, um wie­der pro­duk­ti­ons­fä­hig zu wer­den. Frank­reich ver­fügt aller­dings für rund zwei Mona­te über „stra­te­gi­sche Reser­ven“ an Treib­stof­fen. Sie wer­den übli­cher­wei­se für den Aus­nah­me-, Ernst- oder Kriegs­fall aufbewahrt.

Im Augen­blick droht jedoch noch kein lan­des­wei­ter Ver­sor­gungs­eng­pass bei Treib­stof­fen. Auf­grund der ungleich­mä­ßi­gen regio­na­len Ver­tei­lung der ins­ge­samt acht Raf­fi­ne­rien und der Haupt­ab­nah­me­ge­bie­te könn­te es jedoch Anfang Janu­ar 2020 im Groß­raum Paris all­mäh­lich kri­tisch werden.

Streik­kas­sen und Bahnstreik
Rund 1,5 Mil­lio­nen Euro befin­den sich der­zeit in den Streik-Unter­stüt­zungs­kas­sen. Vie­les an Gel­dern wird der­zeit über das Inter­net und per Scheck gespendet.

Die­se Streik­gel­der, die von einer Gewerk­schafts­mit­glied­schaft unab­hän­gig aus­ge­schüt­tet wer­den, dürf­ten der­zeit vor allem den Beschäf­tig­ten in den Trans­port­be­trie­ben, die seit über vier Wochen unbe­fris­tet strei­ken, zugu­te­kom­men. Dies ist der ein­zi­ge Sek­tor, von den Raf­fi­ne­rien ein­mal abge­se­hen, in dem der­zeit ein dau­er­haf­ter Streik gegen die „Ren­ten­re­form“ stattfindet.

Ansons­ten ist die ange­streb­te Aus­wei­tung der Arbeits­kämp­fe auf ande­re Berufs­grup­pen bis­her immer nur befris­tet gelun­gen. Dies war an ein­zel­nen zen­tra­len Akti­ons­ta­gen wie dem 05. und vor allem dem 17. Dezem­ber 2019 der Fall. Am 17.12.19 waren auch Beschäf­tig­te der Auto- und Metall­in­dus­trie (Als­tom, PSA, Renault, Safran …) und erneut „Gelb­wes­ten“ auf der Pari­ser Streik­de­mons­tra­ti­on vertreten.

Die akti­ven Gewerk­schaf­ten ori­en­tie­ren nun auf den nächs­ten zen­tra­len Akti­ons­tag am 09. Janu­ar 2020. Es wird sich zei­gen, ob bis dahin die Pro­tes­te auf­recht­erhal­ten wer­den können.

Jeden­falls fand der Auf­ruf der UNSA (ein sich als „unpo­li­tisch“ ver­ste­hen­der Zusam­men­schluss „unab­hän­gi­ger Gewerk­schaf­ten“) zur Ein­hal­tung einer „Weih­nachts­pau­se“ im Streik kei­nen gro­ßen Anklang. Meh­re­re UNSA-Mit­glieds­ver­bän­de, vor allem die der orga­ni­sier­ten Beschäf­tig­ten der Eisen­bahn SNCF und der Pari­ser Ver­kehrs­be­triebs RATP, lehn­ten die­se Auf­for­de­rung nun aus­drück­lich ab.

Streik­un­ter­stüt­zung ungebrochen
Unter­des­sen liegt die Unter­stüt­zung für die Streiks in bür­ger­li­chen Mei­nungs­um­fra­gen immer noch bei 51 Pro­zent der Befrag­ten. Klar rück­läu­fig ist unter­des­sen die Unter­stüt­zung für die „Reform-Plä­ne“ der Regierung.

Ent­schei­den wer­den jedoch nicht Umfra­gen, son­dern die Kampf­kräf­te der Streikenden.


Wesent­li­che Inhal­te der „Reform­plä­ne“
1. Es soll ein neu­es Ren­ten­ein­tritts­al­ter („Schar­nier­al­ter“) von 64 Jah­ren ein­ge­führt werden.
2. Die­ses „Schar­nier­al­ter“ soll einen frü­he­ren Ren­ten­ein­tritt (der­zeit noch ab dem Min­dest­al­ter von 62 Jah­ren mög­lich) mit finan­zi­el­len Ein­bu­ßen bele­gen, wel­che erst ab 64 Jah­ren ent­fal­len würden.
3. Bestä­tigt wird auch, dass die Lohn­er­satz­quo­te bei der Ren­te künf­tig nach einem „Punk­te­sys­tem“ auf das gesam­te Erwerbs­le­ben (also in Zukunft: 43 Bei­trags­jah­re) berech­net wird. Das wür­de eine spür­ba­re Sen­kung der Alters­be­zü­ge für fast alle Berufs­grup­pen zur Fol­ge haben.
4. Mas­siv betrof­fen sein sol­len vor allem die Jahr­gän­ge, die 1975 oder danach gebo­ren sind. Dadurch ver­sucht die Regie­rung, Alte und Jun­ge zu spalten.
5. Den kon­kre­ten Gesetz­ent­wurf will die Regie­rung nun am 22. Janu­ar 2020 prä­sen­tie­ren, und ab Ende Febru­ar kom­men­den Jah­res im Par­la­ment bera­ten lassen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2020
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