Tarif­aus­ein­an­der­set­zung Metall und Elektro

Klas­sen­kampf nur von oben?

R. G.

Die Mit­te Dezem­ber begin­nen­de Tarif­run­de in der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie hat es in sich. Der Kapi­ta­lis­ten­ver­band Gesamt­me­tall nutzt die „Coro­na-Kri­se“ zur Ver­schär­fung des Klas­sen­kampfs von oben. Was setzt die IG Metall (IGM) dem entgegen?

Die Ant­wort auf die­se Fra­ge wird letzt­end­lich nicht am Ver­hand­lungs­tisch, son­dern in den Betrie­ben gege­ben. Denn Tariffra­gen sind Machtfragen.

IGM-Prag­ma­tis­mus
Die IGM-Tarif­kom­mis­sio­nen in der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie haben am 17. Novem­ber ihre an die Emp­feh­lung des Vor­stan­des ange­lehn­ten For­de­run­gen beschlos­sen. Der IGM-Vor­stand wie­der­um hat die For­de­run­gen nun genehmigt:

Europaweiter Aktionstag bei Bombardier Mannheim, 16. Juli 2020 (Foto:helmut-roos@web.de)

Euro­pa­wei­ter Akti­ons­tag bei Bom­bar­dier Mann­heim, 16. Juli 2020 (Foto:helmut-roos@web.de)

• Ver­bes­se­rung der gekün­dig­ten Tarif­re­ge­lun­gen zur Beschäf­ti­gungs­si­che­rung durch Arbeits­zeit­ab­sen­kung mit Teil­ent­gelt­aus­gleich (z. B. als 4-Tage-Woche).
• Tarif­li­cher Rah­men für betrieb­li­che Zukunfts­ta­rif­ver­trä­ge, die Rege­lun­gen in den ein­zel­nen Betrie­ben zur Siche­rung von Stand­ort und Arbeits­plät­zen festlegen.
• 4 Pro­zent mehr bei Ent­gel­ten und Aus­bil­dungs­ver­gü­tun­gen bei einer Lauf­zeit von 12 Mona­ten. Ver­rech­nung die­ses Volu­mens für Maß­nah­men zur „Beschäf­ti­gungs­si­che­rung“ wie etwa einem Teil­ent­gelt­aus­gleich bei Arbeitszeitabsenkungen.
• Außer­dem Rege­lun­gen zur Ver­bes­se­rung der Aus­bil­dung und zur unbe­fris­te­ten Über­nah­me für alle Aus­zu­bil­den­den – auch für die dual Studierenden.
• Schließ­lich „Schrit­te zur Anglei­chung der Arbeits­be­din­gun­gen in der ost­deut­schen Metall- und Elek­tro­in­dus­trie“, wo nach wie vor die 38-Stun­den­wo­che gilt.

Das sind alles kei­ne revo­lu­tio­nä­ren For­de­run­gen. Im Gegen­teil. Zwar ist es posi­tiv, dass die IGM-Spit­ze die 4-Tage­wo­che ins Gespräch gebracht hat. Aber eben nicht mit vol­lem Lohn­aus­gleich – und schon gar nicht mit (vol­lem) Per­so­nal­aus­gleich. Da war die Dis­kus­si­on in den 1980er Jah­ren schon wesent­lich weiter.

Zudem spricht der ers­te Vor­sit­zen­de der IGM, Jörg Hof­mann, von einer fak­ti­schen wei­te­ren Auf­wei­chung des Flä­chen­ta­rif­ver­trags: „Mit Zukunfts­ta­rif­ver­trä­gen sol­len pass­ge­naue betrieb­li­che Lösun­gen gefun­den wer­den, die Zusa­gen für Inves­ti­tio­nen, Stand­or­te, Beschäf­ti­gung und Qua­li­fi­zie­rung ent­hal­ten. Die Vor­schlä­ge zur 4-Tage-Woche und zu Zukunfts­ta­rif­ver­trä­gen sind Ant­wor­ten auf die digi­ta­le und öko­lo­gi­sche Transformation.“

Was die­se Zusa­gen wert sind, zei­gen die aktu­el­len Kon­flik­te um die „Beschäf­ti­gungs­si­che­rung“ bei Opel und Daim­ler. Die dor­ti­gen Kon­zern­vor­stän­de wol­len trotz gel­ten­der Rege­lun­gen, tau­sen­de Arbeits- und Aus­bil­dungs­plät­ze vernichten.

Kapi­ta­lis­ten-Träu­me
In einem Inter­view mit der FAS vom 22.11.2020 redet Ste­fan Wolf, mitt­ler­wei­le Vor­sit­zen­der von Gesamt­me­tall, einer wei­te­ren Sen­kung der Arbeits­kos­ten das Wort. Er sag­te: „Die von der IG Metall gefor­der­te Vier­ta­ge­wo­che mit Teil-Lohn­aus­gleich wäre gro­tesk. Dadurch wür­den die Arbeits­kos­ten je Stun­de stei­gen. Die müs­sen aber drin­gend runter.“

Aber damit nicht genug. Wolf erwar­tet aus­drück­lich Ver­zicht sei­tens der Beschäf­tig­ten: „Es gibt vie­le Mög­lich­kei­ten. […] hier in Baden-Würt­tem­berg gibt es zum Bei­spiel Spät­zu­schlä­ge schon ab zwölf Uhr mit­tags. Da kann man ran­ge­hen. Es gibt vie­le Ver­güns­ti­gun­gen, Son­der­zah­lun­gen, Pau­sen­re­ge­lun­gen. Viel­leicht kann man auch mal dran den­ken, dass man für das glei­che Geld wie­der ein biss­chen mehr arbeitet.“

Neben unbe­zahl­ter Mehr­ar­beit kann sich Gesamt­me­tall aber auch eine fle­xi­ble Absen­kung der Arbeits­zeit vor­stel­len – eben­falls ohne Lohnausgleich.

Sinn­voll“, so Wolf, „wäre eine Fle­xi­bi­li­sie­rungs-Auto­ma­tik im Flä­chen­ta­rif: Wenn ein Unter­neh­men in der Kri­se bei­spiels­wei­se unter eine bestimm­te Ertrags­kenn­zahl fällt, dann soll­te es auto­ma­tisch die Mög­lich­keit bekom­men, indi­vi­du­el­le Rege­lun­gen zu ver­ein­ba­ren, die vom Flä­chen­ta­rif­ver­trag abwei­chen und direkt zwi­schen Geschäfts­lei­tung und Betriebs­rat aus­ge­han­delt wer­den. Die IG Metall muss dabei nicht mit am Tisch sit­zen, denn dadurch wird es in der Pra­xis oft kompliziert.“

Das Mot­to der Kapi­ta­lis­ten ist klar: Die Höhe der Pro­fi­te ist unan­tast­bar. Des­halb sol­len Tarif­ver­trä­ge noch mehr aus­ge­he­belt und die Gewerk­schaft wei­ter geschwächt werden.

Akti­ve Gegenmacht?
Die IG Metall-Füh­rung steht vor meh­re­ren Her­aus­for­de­run­gen: 1. Sie muss sich von ihren Sozi­al­part­ner­schafts-Träu­men ver­ab­schie­den. 2. Sie muss unter Coro­na-Bedin­gun­gen neue und alte For­men der Mobi­li­sie­rung mit­ein­an­der ver­knüp­fen 3. Sie muss die noch viel zu weit ver­brei­te­te Läh­mung im Appa­rat und in der Basis über­win­den. Und sie muss 4. glaub­haft deut­lich machen, dass sie den Arbeits­kampf nicht scheut.

Wird es gelin­gen, den Gegen­machts-Anspruch der akti­ven ehren- und haupt­amt­li­chen Gewerk­schafts­mit­glie­der allen Hemm­nis­sen zum Trotz auf die Stra­ße zu brin­gen? Die ers­ten Mona­te des kom­men­den Jah­res wer­den eine Ant­wort auf die­se Fra­ge geben. Wir soll­ten dazu bei­tra­gen, dass sie posi­tiv ausfällt.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2020
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