150 Jah­re Rosa Luxem­burg – his­to­ri­sche Iko­ne oder aktu­el­le Ideengeberin?“

ISO-Info­abend im März 2021

K. S.

Die ISO Rhein-Neckar lud am Frei­tag, den 26. März 2021, zu einem wei­te­ren vir­tu­el­len Info­abend ein. Mit den knapp 20 Teil­neh­men­den wur­de in klei­ner, aber fei­ner Run­de über das Leben und Werk von Rosa Luxem­burg diskutiert.

Der ein­lei­ten­de Vor­trag stell­te die Fra­ge, was an die­ser bedeu­ten­den revo­lu­tio­nä­ren Sozia­lis­tin his­to­risch sei und was aktu­ell. Als all­seits gekann­te und doch unbe­kann­te Iko­ne, ver­klärt und ver­ehrt zugleich, ver­such­te unser Refe­rent, Rosa Luxem­burg in ihrer Zeit – dem impe­ria­len Zeit­al­ter (Eric Hobs­bawm) – zu ver­or­ten, also in der Hoch­pha­se des sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Mar­xis­mus und der sozia­lis­ti­schen Arbei­ter­be­we­gung um 1900.

Rosa Luxem­burg (4. von links) 1907 als Leh­re­rin an der SPD-Par­tei­schu­le (Foto:Gemeinfrei)

Sozia­lis­ti­sche Klassenpolitik
Die Kluft zu unse­rer Zeit im 21. Jahr­hun­dert wur­de her­aus­ge­stellt, und nicht ver­sucht rhe­to­risch zu über­brü­cken, was seit ihrer Zeit an Umbrü­chen und Kri­sen geschah. Es las­se sich nicht eins zu eins von Rosa Luxem­burgs Poli­tik lernen.

Heu­te könn­ten wir nicht auf die glei­chen poli­ti­schen Koor­di­na­ten zurück­grei­fen. Denn die kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Kata­stro­phen des 20. Jahr­hun­derts führ­ten sowohl zum Nie­der­gang der sozia­lis­ti­schen Arbei­ter­be­we­gung in Euro­pa als auch der rus­si­schen Oktoberrevolution.

Statt­des­sen müs­se die Aktua­li­tät von Rosa Luxem­burgs theo­re­ti­schen Ansatz gese­hen wer­den. Ers­tens in ihrer radi­kal­de­mo­kra­ti­schen Beto­nung der Selbst­tä­tig­keit der Mas­sen im Pro­zess der Macht­er­obe­rung von unten. Sie ver­ste­he letz­te­re als mil­lio­nen­fa­chen exem­pla­ri­schen Lern­pro­zess. Zwei­tens in ihrem Schlüs­sel­be­griff der „revo­lu­tio­nä­ren Real­po­li­tik“, der die Zusam­men­füh­rung von Revo­lu­ti­on und Poli­tik im tages­ak­tu­el­len Kampf begrei­fe. Das heißt in einer Ver­bin­dung der ver­schie­de­nen Kämp­fe in der Per­spek­ti­ve auf ein Fern­ziel. Für Rosa Luxem­burg mache dies den Kern einer sozia­lis­ti­schen Klas­sen­po­li­tik seit Marx aus.

Umgang mit Widersprüchen
Es sei her­vor­zu­he­ben, dass für Luxem­burgs Ansatz gera­de ihr „beweg­li­cher Umgang mit Wider­sprü­chen, nicht ihre Eli­mi­nie­rung“ (W. F. Haug) zen­tral gewe­sen sei. Von die­sem beweg­li­chen Den­ken des Wir­kens der Wider­sprü­che las­se sich auch heu­te noch lernen.

Im Hin­blick auf die Kri­sen der Gegen­wart stel­le sich die Fra­ge, ob nicht unse­re Zeit der­je­ni­gen Luxem­burgs glei­che. Der von den Herr­schen­den als „alter­na­tiv­los“ dar­ge­stell­te glo­ba­li­sier­te Kapi­ta­lis­mus trei­be die arbei­ten­den Klas­sen im 21. Jahr­hun­dert in Armut und in Kri­sen. Die­se gli­chen jenen aus der Anfangs­zeit der Indus­tria­li­sie­rung. In gewis­ser Wei­se wür­den die Uhren vom Kapi­tal zurück­ge­dreht. Die sozia­len Gegen­sät­ze ver­schärf­ten sich heut­zu­ta­ge rasant.

Gera­de in Rosa Luxem­burgs Schrif­ten fän­den sich Ele­men­te eines Revo­lu­ti­ons­be­griffs, der die poli­ti­schen Umbrü­che ihrer Zeit auf eine beson­de­re Wei­se ver­ar­bei­te. Dar­in sei revo­lu­tio­när Neu­es, die Wider­sprü­che der ler­nen­den und sich orga­ni­sie­ren­den Mas­sen, ent­hal­ten. Es zei­ge uns heu­te Per­spek­ti­ven auf, eben weil wir vie­le der „alten“ Gewiss­hei­ten und Orga­ni­sa­tio­nen nicht mehr hät­ten. Es las­se sich bei Luxem­burg ent­de­cken, wie sich die sozia- lis­ti­sche Klas­sen­be­we­gung durch ihre eige­nen Kämp­fe selbst aus der Tau­fe hebe.

Kri­ti­sche Diskussion
In der Dis­kus­si­on wur­de kri­tisch gegen­ge­fragt, ob nicht Rosa Luxem­burg selbst, trotz ihrer Betä­ti­gung in der Sozi­al­de­mo­kra­tie, nicht eben­so wie wir häu­fig in Iso­la­ti­on und mit dem Rücken zur Wand wir­ken muss­te? Zudem wur­de nach der Rele­vanz von Rosa Luxem­burg für den Femi­nis­mus gefragt, sowie nach ihrem Ver­hält­nis zur Okto­ber­re­vo­lu­ti­on 1917 oder ihrer Rol­le in der Novem- ber­re­vo­lu­ti­on von 1918.

Um einen theo­re­ti­schen Zugang zum Werk von Rosa Luxem­burg zu fin­den, emp­fahl unser Refe­rent Frig­ga Haug, Rosa Luxem­burg und die Kunst der Poli­tik, Ham­burg (Argu­ment-Ver­lag) 2007.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2021
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