ISO-Infoabend im März 2021
K. S.
Die ISO Rhein-Neckar lud am Freitag, den 26. März 2021, zu einem weiteren virtuellen Infoabend ein. Mit den knapp 20 Teilnehmenden wurde in kleiner, aber feiner Runde über das Leben und Werk von Rosa Luxemburg diskutiert.
Der einleitende Vortrag stellte die Frage, was an dieser bedeutenden revolutionären Sozialistin historisch sei und was aktuell. Als allseits gekannte und doch unbekannte Ikone, verklärt und verehrt zugleich, versuchte unser Referent, Rosa Luxemburg in ihrer Zeit – dem imperialen Zeitalter (Eric Hobsbawm) – zu verorten, also in der Hochphase des sozialdemokratischen Marxismus und der sozialistischen Arbeiterbewegung um 1900.
Sozialistische Klassenpolitik
Die Kluft zu unserer Zeit im 21. Jahrhundert wurde herausgestellt, und nicht versucht rhetorisch zu überbrücken, was seit ihrer Zeit an Umbrüchen und Krisen geschah. Es lasse sich nicht eins zu eins von Rosa Luxemburgs Politik lernen.
Heute könnten wir nicht auf die gleichen politischen Koordinaten zurückgreifen. Denn die konterrevolutionären Katastrophen des 20. Jahrhunderts führten sowohl zum Niedergang der sozialistischen Arbeiterbewegung in Europa als auch der russischen Oktoberrevolution.
Stattdessen müsse die Aktualität von Rosa Luxemburgs theoretischen Ansatz gesehen werden. Erstens in ihrer radikaldemokratischen Betonung der Selbsttätigkeit der Massen im Prozess der Machteroberung von unten. Sie verstehe letztere als millionenfachen exemplarischen Lernprozess. Zweitens in ihrem Schlüsselbegriff der „revolutionären Realpolitik“, der die Zusammenführung von Revolution und Politik im tagesaktuellen Kampf begreife. Das heißt in einer Verbindung der verschiedenen Kämpfe in der Perspektive auf ein Fernziel. Für Rosa Luxemburg mache dies den Kern einer sozialistischen Klassenpolitik seit Marx aus.
Umgang mit Widersprüchen
Es sei hervorzuheben, dass für Luxemburgs Ansatz gerade ihr „beweglicher Umgang mit Widersprüchen, nicht ihre Eliminierung“ (W. F. Haug) zentral gewesen sei. Von diesem beweglichen Denken des Wirkens der Widersprüche lasse sich auch heute noch lernen.
Im Hinblick auf die Krisen der Gegenwart stelle sich die Frage, ob nicht unsere Zeit derjenigen Luxemburgs gleiche. Der von den Herrschenden als „alternativlos“ dargestellte globalisierte Kapitalismus treibe die arbeitenden Klassen im 21. Jahrhundert in Armut und in Krisen. Diese glichen jenen aus der Anfangszeit der Industrialisierung. In gewisser Weise würden die Uhren vom Kapital zurückgedreht. Die sozialen Gegensätze verschärften sich heutzutage rasant.
Gerade in Rosa Luxemburgs Schriften fänden sich Elemente eines Revolutionsbegriffs, der die politischen Umbrüche ihrer Zeit auf eine besondere Weise verarbeite. Darin sei revolutionär Neues, die Widersprüche der lernenden und sich organisierenden Massen, enthalten. Es zeige uns heute Perspektiven auf, eben weil wir viele der „alten“ Gewissheiten und Organisationen nicht mehr hätten. Es lasse sich bei Luxemburg entdecken, wie sich die sozia- listische Klassenbewegung durch ihre eigenen Kämpfe selbst aus der Taufe hebe.
Kritische Diskussion
In der Diskussion wurde kritisch gegengefragt, ob nicht Rosa Luxemburg selbst, trotz ihrer Betätigung in der Sozialdemokratie, nicht ebenso wie wir häufig in Isolation und mit dem Rücken zur Wand wirken musste? Zudem wurde nach der Relevanz von Rosa Luxemburg für den Feminismus gefragt, sowie nach ihrem Verhältnis zur Oktoberrevolution 1917 oder ihrer Rolle in der Novem- berrevolution von 1918.
Um einen theoretischen Zugang zum Werk von Rosa Luxemburg zu finden, empfahl unser Referent Frigga Haug, Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik, Hamburg (Argument-Verlag) 2007.