Der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst
N. B.
Diesen Herbst fanden die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst der Länder statt. Nach dem Applaus der letzten Jahre waren die Hoffnungen auf eine handfeste Aufwertung der Berufe insbesondere im Gesundheits- und Bildungsbereich groß. Sie wurden bitter enttäuscht.
Im Zentrum der Forderungen der DGB-Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG Bau stand eine Lohn- und Gehaltserhöhung um 5 %. Für die Beschäftigten des Gesundheitswesens im Öffentlichen Dienst der Länder wollte man eine Gehaltserhöhung von 300 Euro monatlich.
Die GEW forderte zudem eine Paralleltabelle, in der Angestellte und Beamtinnen gleich eingestuft werden − was aufgrund des Statusunterschieds immer noch einen massiven, aber doch geringeren Gehaltsunterschied bedeuten würde. Die vielen befristeten Beschäftigungen, die jedes Jahr Arbeitslosigkeit über die Sommerferien bedeuten, sollten eingedämmt werden.
Reallohnsenkung mit einem Jahr Leerlauf
Als die „Arbeitgeber“ jegliches Angebot verweigerten, riefen GEW und ver.di im November zu Warnstreiks auf. In vielen Städten folgten Beschäftigte dem Aufruf. Bei den Verhandlungen Ende November kam es dann zu einer Einigung.
In den ersten 14 Monaten des Tarifvertrags gibt es nichts bis auf eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung von 1.300 Euro. Ab dem 1. Dezember 2022 gibt es eine Gehaltserhöhung von 2,8 %. Ja genau, ab Dezember 2022, nicht 2021! Hier hat sich niemand verlesen und es ist kein Tippfehler. Bei spürbar steigenden Energie- und Mietpreisen und einer Inflation von offiziell 5,2 % in 2021 bedeutet das eine Reallohnsenkung. Dabei gibt es keinen Grund davon auszugehen, dass die Inflation nun pausieren werde, bis die Beschäftigten mit ihrer Lohn- und Gehaltssteigerung in einem Jahr endlich ihren Reallohnverlust etwas verringern können.
Ein paar wenige kleine Errungenschaften gab es immerhin, wie eine Aufstockung der Zulagen im Gesundheitswesen für viele dort Beschäftigte um 200 Euro und mehr oder eine monatliche Erhöhung der Auszubildendenvergütung von 50 bzw. 70 Euro für Azubis in diesem Bereich.
Die Forderung der GEW nach strukturellen Veränderungen durch eine Paralleltabelle wurde jedoch gänzlich fallen gelassen.
Abwertung des Öffentlichen Dienstes
Diese Abwertung des Öffentlichen Dienstes ist fatal. Wenn auf das Klatschen keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen folgt, werden die Berufe insbesondere im Gesundheitsbereich immer unattraktiver. Gesundheit und Bildung könnten tolle, erfüllende Arbeitsgebiete sein. Doch die miserablen Arbeitsbedingungen erlauben den dort Arbeitenden nicht, in ihrem Beruf gesund zu bleiben. Die Pflege von Kranken leidet darunter ebenso wie die bestmögliche Förderung von Schülerinnen. Deswegen gilt die am Streiktag in Heidelberg gerufene Parole: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns den Job versaut.“
Wenn der „Job“ immer mehr „versaut“ wird durch Tarifvereinbarungen wie diese, verschärft das die ohnehin schon massive bis dramatische Personalnot im Gesundheits- und Bildungsbereich. Gesundheit und Bildung als Waren werden dann immer mehr zum Luxusgut.
Fehlende Durchsetzungskraft?
Die Gewerkschaftsapparate meinen, keine Alternative gehabt zu haben: Ihre Mobilisierungsfähigkeit sei nicht stark genug. Die mögliche mobilisierende Wirkung des Streiks beachten sie dabei nicht. An den wenigen Streiktagen kamen Kolleginnen und Kollegen wieder miteinander in Kontakt, was ja seit Beginn der Pandemie kaum möglich gewesen war. Die Streiks hätten sehr wohl als Ausgangspunkt anstatt als Endpunkt einer Tarifauseinandersetzung genutzt werden können. Der Frust und die Wut unter den Streikenden waren groß genug für eine Fortsetzung und verstärkte Mobilisierung.
Doch eine Gewerkschaft, die nicht willens ist, einen Tarifabschluss im Sinne der Beschäftigten zu erkämpfen, entfaltet auch keine wirksame Gegenmacht zu den gut organisierten und entschlossenen „Arbeitgebern“.
Von unten und solidarisch!
Mehr denn je zeigt sich: Wir müssen unsere Gewerkschaften von unten verändern und können uns nicht auf ihre Apparate verlassen. Tarifrunden wie die des Öffentlichen Dienstes bergen eine Schwierigkeit, die wir als die Chance nutzen müssen, die sie ist: Sie sind bereichs- und gewerkschaftsübergreifend. Wir müssen wieder lernen, gemeinsam solidarisch zu kämpfen.