R. G.
Das statistische Bundesamt hat am 29.09.2022 für den September eine (vorläufige) offizielle Inflationsrate von 10 % (!) im Vergleich zum Vorjahresmonat veröffentlicht. Im August waren es noch 7,9 %. So hoch war die Inflation in Deutschland seit 70 Jahren nicht mehr.
Insbesondere Energie und Nahrungsmittel treiben die Inflation an. So seien die Preise für Energie um 43,9 % und die für Nahrungsmittel um 18,7 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Für Millionen Menschen ist ihr alltägliches Leben kaum oder nicht mehr bezahlbar.
Millionen Menschen verlieren
Die Teuerungskrise bedeutet einen massiven Kaufkraftverlust für Arbeitende, Rentnerinnen und Rentner, Studierende und Empfängerinnen und Empfänger von Transferzahlungen. 2000 Euro im September 2021 waren im September 2022 nur noch 1800 Euro „wert“.
Eine niedrigere Inflation wird erst 2023 erwartet. Dann beziehen sich die Vergleichsrechnungen jedoch auf die aktuellen Prei- se. Wenn es nicht gelingt, eine Erhöhung der Einkommen und Transferzahlungen um den Inflationswert durchzusetzen, führt dies dauerhaft zur „Abwertung“ der Löhne und zu großem Kaufkraftverlust.
Bereits 2021 waren laut Paritätischem Wohlfahrtsverband in Deutschland 13,8 Millionen Menschen arm. In den zwei Pandemie-Jahren habe diese Zahl um 600.000 zugenommen. Die Teuerungskrise droht, diese dramatische Entwicklung zu beschleunigen. Ein Indiz dafür ist die Aussage des Vorsitzenden der Tafel Deutschland, dass sich allein im Jahr 2022 die Zahl der bei den Tafeln angemeldeten Menschen um die Hälfte auf mehr als zwei Millionen erhöht habe.
Die hohe Inflation ist kein deutsches Phänomen, sondern weltweit zu beobachten. Sie trifft vor allem die arbeitende Klasse und besonders Frauen, Kinder und alte Menschen. Sie erzeugt massenhaft Armut, verschärft die globale Ernährungskrise und wird noch mehr Menschen zur Flucht zwingen.
Millionäre gewinnen
Die Teuerungskrise zeigt erneut den wahren Kern des globalen Kapitalismus: Die rücksichtslose Vermehrung von Macht und Reichtum Weniger auf Kosten der großen Mehrheit.
Wie während der COVID-19-Pandemie soll die arbeitende Klasse massive finanzielle Verluste hinnehmen. Klein- und Kleinstbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht.
Auf der anderen Seite nutzen globale Konzerne in den Bereichen Energie (Öl und Gas), Nahrung, Rüstung und Logistik ihre marktbeherrschende Position rücksichtslos aus. Sie missbrauchen die politische und ökonomische Weltlage, um ihre Preise und damit ihre Gewinne massiv zu erhöhen.
Inflation wird gemacht
Inflation ist ein untrennbarer Teil des Kapitalismus. Der derzeitige, dramatische Anstieg hat schon im Herbst 2021 begonnen. Der russische Angriffs-Krieg gegen die Ukraine und seine geopolitischen Folgen haben diesen zwar verstärkt, aber nicht ausgelöst.
Inflation ist kein Naturereignis, sondern die Folge wirtschaftlicher sowie politischer Entwicklungen und Entscheidungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nennen wir die permanente Aufrüstung, die neoliberalen Deregulierungen der globalen Finanzmärkte, die „Aufblähung“ des Kreditvolu- mens, die „Suche“ nach immer neuen Anlagemöglichkeiten für nicht-investiertes Kapital, die Börsen-Spekulation mit Energie- trägern und Nahrungsmitteln und nicht zuletzt der Einfluss profitgetriebener Investmentfonds wie zum Beispiel BlackRock auf Wirtschaft, Unternehmen und Politik.
Gemeinsam Gegenwehr organisieren
Die Entlastungspakete der Regierung werden den Kaufkraftverlust weder ausgleichen noch stoppen, sondern nur kurzfristig abfedern. Die Unternehmen und Reichen wollen für Löhne und Transferzahlungen keinen Inflationsausgleich, um dauerhaft weiter ihre Profite erhöhen zu können. Die Führungen der Industrie-Gewerkschaften vermei- den bisher offensive Abwehrkämpfe.
Statt auf andere zu vertrauen, müssen wir jetzt selbst aktiv werden und in unseren Wohnvierteln, Betrieben, Schulen, Unis usw. eine breite Bewegung gegen die Teuerung aufbauen. Dazu schlagen wir folgende Punkte vor:
• Aufbau von Aktionsbündnissen als Teil einer gemeinsamen sozialen, ökologischen, antifaschistischen und antikapitalistischen Front
• eine aktive, kämpferische Gewerkschaftspolitik im Interesse der Arbeitenden statt „Sozialpartnerschaft“ und „konzertierter Aktion“
• eine automatische und monatliche Anpassung der Löhne, Sozialleistungen und Transferzahlungen an die Preissteigerung
• Wohnen, Nahrung, Energie und medizinische Versorgung müssen für alle bezahlbar werden, freier Zugang zu Öffentlichen Verkehrsmitteln, Bildung und Kultur
• gemeinsame Aktionen und Streiks von Gewerkschaften und sozialen und ökologischen Bewegungen
• internationale Zusammenarbeit und gemeinsame Aktionen mit den Bewegungen gegen die Teuerungskrise in anderen Ländern.
Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite!
Die Reichen müssen zahlen!