R. G.
„Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn – Wohin geht die Reise?“ Unter dieser Überschrift fand im Januar 2024 der Infoabend der ISO Rhein-Neckar statt. Anlass war der neuerliche Tarifkampf zwischen Deutscher Bahn AG (DB) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Als Referent zu Gast war Danny Grosshans (2. stellvertretender Bezirksvorsitzender der GDL Süd-West). Er informierte faktenreich über die Hintergründe, Ziele und den aktuellen Stand der laufenden Tarifauseinandersetzung. Er entschuldigte sich zu Beginn dafür, dass er sich wegen des arbeits- und zeitintensiven Streiks nicht vorbereiten konnte. Doch von einer fehlenden Vorbereitung war bei seinem informativen Vortrag nichts zu spüren.
Blick zurück
Danny Grosshans gab einen Überblick über die GDL-Geschichte der letzten 30 Jahre bis hin zum aktuellen Streik. Die GDL ist aus historischen Gründen Mitglied im Deutschen Beamtenbund, da früher die Lokführer verbeamtet waren. Dies hat sich nach der Fusion von DDR-Reichsbahn und BRD-Bundesbahn zur Bahn AG 1994 und der Bahn-Privatisierung verändert. Heute sind viele Lokführer Tarifangestellte.
Bekanntlich gibt es eine weitere Eisenbahngewerkschaft, die im DGB organisierte Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Ursprünglich bildeten EVG und GDL eine Tarifgemeinschaft. Da aber die GDL kleiner als die EVG war, wurden ihre Ziele und Interessen bei den Tarifabschlüssen nicht ausreichend berücksichtigt. Als Anfang der 2000er Jahre die Lokführer bei DB-Regio schlechter gestellt werden sollten als bei DB-Cargo, stimmte die GDL dem nicht zu. Seitdem gehen GLD und EVG getrennte Wege und stehen in direkter Konkurrenz zueinander.
Kampferfahren und streikbereit
2007 kam es zum ersten großen GDL-Streik mit dem der erste Tarifvertrag für Lokführer durchgesetzt wurde. Beim zweiten Streik 2011 wurde für die Lokführer ein Rahmenvertrag bezüglich Arbeitszeit und Vergütung durchgesetzt. Dieser sorgte mit Übergangsfristen bis 2022 dafür, dass die Lokführer – unabhängig vom jeweiligen Bahnunternehmen – finanziell „gleichgestellt“ sind. In der Tarifrunde 2014/15 kam es erneut zu Streiks. Diesmal ging es um einen Tarifvertrag für Zugbegleiter, von denen seit Anfang der 2000er Jahre immer mehr Mitglied in der GDL wurden.
In der Folge dieses Streiks wurde 2015 das Tarifeinheitsgesetz verabschiedet, welches von der DB AG ab 2021 angewandt wurde. Dies zwang die GDL, sich für alle Berufsgruppen zu öffnen, um auf Dauer tariffähig zu bleiben und somit auch in Zukunft die Interessen ihrer Mitglieder wirksam durchsetzen zu können.
Aktuell sind in rund 70 der 400 DB-Betriebe sowohl GDL als auch EVG vertreten. Auf Grundlage des Tarifeinheitsgesetzes habe die EVG einseitig „entschieden“, dass die GDL lediglich in 16 Betrieben zuständig sei. Die DB teilt diese EVG-Position. Seit rund 2,5 Jahren führt die GDL dagegen ein arbeitsgerichtliches Verfahren. Aber bis heute gibt es dazu kein Urteil.
Falsches Spiel der Deutschen Bahn AG
Die GDL fordert bei einer Laufzeit von 12 Monaten 555 Euro Entgelterhöhung, höhere Schichtzulagen, höhere Ausbildungsvergütungen, die 35-Stunden- und die 5-Tage-Woche für Schichtarbeitende, eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro und 5 Prozent Unternehmensanteil an der betrieblichen Altersvorsorge.
Auf Grundlage dieser Forderung konnte die GDL bei 18 privaten Bahnunternehmen inzwischen Tarifabschlüsse erzielen. Vereinbart wurde eine Lohnerhöhung von 420 Euro, die 5-Tage-Woche, die bis 2028 stufenweise Einführung der 35-Stunden-Woche und eine Laufzeit von 24 Monaten.
Wenn man von den ursprünglichen GDL-Forderungen ausgeht, zeigt dies, so Kollege Grosshans, dass die GDL entgegen der Behauptung von Bahn-Vorstand und Politik kompromissbereit ist. Aber gerade bei den Unternehmen in öffentlicher Hand, der DB und der City-Bahn Chemnitz, werde dieser Kompromiss blockiert.
Im Gegenteil, das von der DB öffentlichkeitswirksam vorgelegte „Angebot“ war eine Provokation. Unter anderem beinhaltete dieses „Angebot“ die 37-Stunden-Woche, aber nur wenn Personal zur Verfügung steht, und 13 % Prozent mehr Geld, aber nur wenn 38 Stunden gearbeitet werden. Dies war im Vergleich zu den Tarifabschlüssen bei den Privaten deutlich schlechter und damit für die GDL nicht annehmbar. Darum blieb der GDL keine andere Wahl als den 6-tägigen Streik auszurufen.
Angriffe auf GDL und Streikrecht
Der GDL-Streik wird dezentral organisiert. Dabei ist aufgrund der Betriebsstruktur die Streik-Situation für die Kolleginnen und Kollegen sehr unterschiedlich. Manchmal streiken 5 Kolleginnen und Kollegen, manchmal 40. Aber es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die an ihrem Einzelarbeitsplatz alleine streiken. Diese werden von ihren Vorgesetzten teilweise massiv unter Druck gesetzt oder gar bedroht. Aber bislang stehe die Streikfront.
Auch die öffentlichen und zum Teil persönlichen Anfeindungen und Drohungen gegenüber der GDL, ihrer Führung und der Mitgliedschaft, hätten den gewerkschaftlichen Zusammenhalt nicht untergraben können, sondern weiter gestärkt.
Intensive Diskussion …
In der anschließenden Diskussion zeigten sich die Teilnehmenden beeindruckt von der Kampfbereitschaft, Klarheit und Entschiedenheit der GDL und ihrer Mitglieder und bezeichneten diese als beispielhaft für alle Gewerkschaften.
Offen und solidarisch wurden viele Aspekte dieses Tarifkonflikts angesprochen. Zum Beispiel die öffentliche Kampagne, dass die GDL mit ihrem Streik der Wirtschaft schade und die Verkehrswende ausbremse. Dass inzwischen unter anderem von Jens Spahn (CDU) eine weitere Einschränkung des Streikrechts diskutiert werde. Oder dass die Blockade des DB-Vorstands als Versuch gesehen wird, die GDL an die Wand zu drücken und dau- erhaft zu schwächen.
Mehrere Beiträge gingen auch auf die gesundheitlichen Belastungen durch die Schichtarbeit im Bahnbetrieb ein. Nicht zuletzt wurde die von GDL-Mitgliedern gegründete Leiharbeits-Genossenschaft Fair-Train e. G. kritisch hinterfragt und eine Zusammenarbeit mit der Klimabewegung als notwendig angesehen.
… und Solidarität
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass dieser Tarifkampf für die gesamte arbeitende Klasse und die Gewerkschaftsbewegung von Bedeutung ist. Deshalb sei es notwendig, die GDL solidarisch zu unterstützen. Zum Beispiel durch Teilnahme an Streikversammlungen und Kundgebungen der GDL sowie Aufklärung und Diskussion über den Streik und seine Ziele im eigenen Arbeits- und Lebensumfeld. Insbesondere muss in den DGB-Gewerkschaften Solidarität mit dem Streik und eine kämpferische Politik gefordert werden.
Das TEG aus dem Jahr 2015 regelt, dass in einem Unternehmen ausschließlich der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft im Unternehmen gültig ist. Es ist kein Muss-Gesetz, sondern kann vom Unternehmen oder der „Mehrheits“-Gewerkschaft genutzt werden. Dieses Gesetz wurde unter der SPD-Arbeitsministerin Nahles verabschiedet und skandalöser Weise von den DGB-Gewerkschaften mit Ausnahme von ver.di, NGG und GEW begrüßt. Es hat nur einen Zweck: Es soll kleine und kämpferische Gewerkschaften wie die GDL, Cockpit oder den Marburger Bund handlungsunfähig machen und die Vorherrschaft der großen DGB-Gewerkschaf-ten sichern.