IG Metall for­dert „mehr Demo­kra­tie in der Arbeitswelt“

 

E. B,

Die größ­te deut­sche Ein­zel­ge­werk­schaft, die IG Metall (IGM), hat vor den Bun­des­tags­wah­len ihre For­de­run­gen an die Par­tei­en zum The­ma „Mit­be­stim­mung“ veröffentlicht.

Aktive „Mitbestimmung“ bei Alstom in Mannheim, 2. November 2010. (Foto: Helmut Roos.)

Akti­ve „Mit­be­stim­mung“ bei Als­tom in Mann­heim, 2. Novem­ber 2010. (Foto: Hel­mut Roos.)

Bezeich­nend für den seit dem letz­ten Gewerk­schafts­tag wei­ter ver­stärk­ten Kurs Rich­tung „Sozi­al­part­ner­schaft“ ist die Fest­stel­lung: „Mit­be­stimm­te Unter­neh­men ver­fol­gen häu­fi­ger ein inno­va­ti­ons­ori­en­tier­tes Geschäfts­mo­dell, kom­men erfolg­rei­cher durch Wirt­schafts­kri­sen, sie inves­tie­ren mehr und arbei­ten nachhaltiger.“

Das ist nicht völ­lig falsch, aber es klingt eher wie das Hof­fen auf „Ver­nunft“ bei den „Sozi­al­part­nern“ und den ihnen ver­pflich­te­ten Par­tei­en der „demo­kra­ti­schen Mitte“.
Die Bilanz aller Bun­des­re­gie­run­gen der letz­ten Jahr­zehn­te ein­schließ­lich der­je­ni­gen unter SPD-Füh­rung ist jedoch ein­deu­tig: Gewerk­schaft­li­che Belan­ge haben – wenn über­haupt – eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le gespielt. Die letz­te Reform des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG) liegt über 50 Jah­re zurück.

In gewis­sem Sinn stimmt die Fest­stel­lung der IGM, dass die „Tätig­kei­ten und Bedar­fe“ von Betriebs­rä­ten (BR) sich auf­grund vor allem der Digi­ta­li­sie­rung „stark ver­än­dert“ haben.

Es gibt daher kei­nen Wider­spruch zu der – aller­dings unzu­rei­chen­den – For­de­rung, dass die „gel­ten­den betrieb­li­chen Mit­be­stim­mungs­rech­te wei­ter­ent­wi­ckelt“ wer­den müs­sen und „Unter- neh­mens­mit­be­stim­mung gestärkt wer­den“ muss. Zumal das Erle­ben oder Nicht­er­le­ben der Beschäf­tig­ten von „Demo­kra­tie am Arbeits­platz“ in der Tat „maß­geb­lich auch ihre Hal­tung zur Demo­kra­tie in der Gesell­schaft“ beeinflusst.

In die eige­ne Kraft vertrauen
War­um aller­dings eine „wei­ter­ent­wi­ckel­te Mit­be­stim­mung“ aus­ge­rech­net „das Ver­trau­en in staat­li­che Insti­tu­tio­nen“ stär­ken soll, erschließt sich in Zei­ten eines immer raue­ren Klas­sen­kampfs von oben nicht.

Zwei­fels­oh­ne kön­nen nur Gewerk­schafts­geg­ner die For­de­rung der IGM ableh­nen, ins­be­son­de­re „mehr Mit­be­stim­mungs­rech­te bei Beschäf­ti­gungs- und Stand­ort­si­che­rung und Qua­li­fi­zie­rung“ zu ver­wirk­li­chen. Sicher­lich benö­tigt die IGM auch ein gesetz­lich garan­tier­tes „digi­ta­les Zugangs­recht zum Betrieb“, um mobil arbei­ten­de Beschäf­tig­te „außer­halb der Werks­to­re“ errei­chen zu können.

Ohne Fra­ge ist dem Ver­lan­gen der IGM nach Erzwing­bar­keit von Ver­hand­lun­gen über einen Inter­es­sen­aus­gleich bei Betriebs­än­de­run­gen (in der Regel ver­bun­den mit Per­so­nal­ab­bau, Ver­la­ge­run­gen von Pro­duk­tio­nen etc.) zuzu­stim­men. Denn nach dem Schei­tern von Ver­hand­lun­gen zum Inter­es­sens­aus­gleich in einer mög­li­chen Eini­gungs­stel­le hat der Betriebs­rat kei­ne gesetz­li­che Hand­ha­be nach dem Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz gegen die Betriebs­än­de­rung vorzugehen.

Wo ist die akti­ve Gegenmacht?
Recht bizarr wirkt jedoch der IGM-For­de­rungs­ka­ta­log bei Fra­gen wie der Erzwing­bar­keit der „Ein­bin­dung exter­ner Sach­ver­stän­di­ger durch die Betriebs­rä­te“ oder einer „verpflichtende[n] Per­so­nal­pla­nung“ durch den „Arbeit­ge­ber“. Da gibt das BetrVG schon jetzt Betriebs­rä­ten in bei­den Fäl­len Instru­men­te an die Hand, die die Ver­tei­di­gung der Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten ermöglichen.

Rich­tig ist es hin­ge­gen, das Unter­lau­fen der „gesetz­li­chen Schwel­len­wer­te für die pari­tä­ti­sche Unter­neh­mens­mit­be­stim­mung“ durch die früh­zei­ti­ge Umwand­lung von Fir­men in eine Euro­päi­sche Akti­en­ge­sell­schaft (SE) ver­hin­dern zu wollen.

Kei­nen Wider­spruch kann es auch geben bei der For­de­rung nach „effek­ti­ver“ Bestra­fung von Unter­neh­men, „die Mit­be­stim­mungs­ge­set­ze rechts­wid­rig igno­rie­ren, […] vor allem mit umsatz­ori­en­tier­ten Geldbußen“.

Zu unter­stüt­zen ist fer­ner der „Aus­bau des beson­de­ren Kün­di­gungs­schut­zes“ für die Initiator:innen von Betriebs­rats­wah­len. Die Behin­de­rung von Betriebs­rats­wah­len und von Betriebs­rats­tä­tig­keit müs­sen in der Tat – end­lich – von Staats wegen ver­folgt und somit zu einem Offi­zi­al­de­likt aus­ge­stal­tet werden.

Völ­lig unak­zep­ta­bel hin­ge­gen ist jedoch das Igno­rie­ren der aus dem Faschis­mus stam­men­den Ver­dachts­kün­di­gun­gen, durch die zahl­lo­se BR unter Vor­wän­den aus den Betrie­ben geschmis­sen wur­den und wer­den. Bereits der IGM-Gewerk­schafts­tag 2015 hat­te beschlos­sen: „Ins­be­son­de­re ist das Mit­tel der ‚Ver­dachts­kün­di­gun­gen‘ von Betriebs­rä­tin­nen und Betriebs­rä­ten durch den Gesetz­ge­ber zu unter­bin­den und auch im Arbeits­recht dem Grund­satz der Unschulds­ver­mu­tung Vor­rang zu geben.“

Noch grö­ße­re Leer­stel­len sind das Feh­len der For­de­run­gen nach zwin­gen­der Tarif­bin­dung für alle Bran­chen, nach Ver­bot von (Massen-)Entlassungen, nach „Über­füh­rung von Schlüs­sel­in­dus­trien und ande­ren markt- und wirt­schafts­be­herr­schen­den Unter­neh­mun­gen in Gemein­ei­gen­tum“ (Sat­zung der IG Metall) und nicht zuletzt nach unein­ge­schränk­tem Streikrecht!

Ohne die Orga­ni­sa­ti­on star­ken außer­par­la­men­ta­ri­schen Drucks blei­ben die For­de­run­gen des IGM-Vor­stan­des tote Buch­sta­ben. Und ohne kämp­fe­ri­sche Gegen­macht kön­nen der mas­si­ve Rechts­ruck und der „Gene­ral­an­griff auf Gewerk­schaf­ten und Mit­be­stim­mung“ (Klaus Dör­re) nicht auf­ge­hal­ten werden.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2025
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