Schlich­tungs­er­geb­nis Tarif­run­de Öffent­li­cher Dienst

Mit­glie­der rebel­lie­ren gegen Annahme

 

Hel­mut Born

Der ver.di-Bundesvorstand ruft zur Annah­me der Schlich­tungs­emp­feh­lung im Öffent­li­chen Dienst auf. Die Gewerk­schafts­spit­ze spricht von einem „schwie­ri­gen Kom­pro­miss“. Doch das trifft nicht den Kern.

Warnstreik von ver.di in Mannheim, 12. März 2025. (Foto: Helmut Roos.)

Warn­streik von ver.di in Mann­heim, 12. März 2025. (Foto: Hel­mut Roos.)

Der Abschluss ist ein wei­te­rer Schritt des Zurück­wei­chens der Gewerk­schafts­füh­run­gen vor der neo­li­be­ra­len Poli­tik der noch immer bestehen­den „Schul­den­brem­se“.

Dies ist umso fata­ler, als es ange­sichts der Bil­dung einer Regie­rung geschieht, die Angrif­fe auf brei­ter Front gegen sozia­le Grund- und Men­schen­rech­te vorbereitet.
Die Tarif­ab­schlüs­se in der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie, bei Volks­wa­gen und bei der Post waren ein deut­li­cher Beleg dafür, dass die Gewerk­schafts­ap­pa­ra­te bereit sind, weit­ge­hen­de Zuge­ständ­nis­se zur „Siche­rung des Wirt­schafts­stand­orts Deutsch­land“ und der Pro­fit­in­ter­es­sen der Kon­zer- ne zu machen.

Was wur­de beschlossen?
Die wich­tigs­ten Punk­te der Schlich­tungs­emp­feh­lung sind:
• Ab April 2025 soll es eine Erhö­hung der Tabel­len­ent­gel­te um 3 %, min­des­tens aber 110 Euro, geben. 
• Ab Mai 2026 soll eine Erhö­hung der Ta bel­len­ent­gel­te um 2,8 % folgen.
• Die Lauf­zeit des Tarif­ver­trags soll 27 Mo nate betragen.
• Es soll eine Bes­ser­stel­lung höhe­rer Ent gelt­grup­pen durch Anhe­bung der Jah­res son­der­zah­lung auf bis zu 100 % geben.
• Die Lauf­zeit der im Ver­gleich zum Wes-
ten schlech­te­ren Arbeits­zeit­re­ge­lun­gen Ost soll bis Ende 2027 ver­län­gert werden.
• Die Arbeits­zeit kann indi­vi­du­ell auf 42 Stun­den erhöht werden.

Was bedeu­tet das konkret?
• Es wird erneut ein Real­lohn­ver­lust trotz Erhö­hung fest­ge­schrie­ben, denn die Ver luste der letz­ten Jah­re wer­den nicht aus geglichen.
• Die Son­der­zah­lung nutzt vor allem den obe­ren Lohn­grup­pen, also gera­de jenen, die es weni­ger brauchen.
• Die Lauf­zeit von 27 Mona­ten ist noch ein mal län­ger als in den letz­ten Jah­ren üb lich – mit allen nega­ti­ven poli­ti­schen und gewerk­schaft­li­chen Folgen.
• Auch ver.di schließt sich damit der „Burg- frie­dens­po­li­tik“ der Indus­trie­ge­werk­schaf- ten und des DGB an.

Zur Erin­ne­rung: Die ursprüng­li­che For­de­rung lau­te­te 8 % Erhö­hung, min­des­tens 330 € bei 12 Mona­ten Laufzeit.

Anpas­sung statt Protest?
Das Schlich­tungs­er­geb­nis fällt in eine Pha­se, in der sich sozia­ler Pro­test neu auf­stel­len müss­te. Die sozia­len Bewe­gun­gen wer­den sich jedoch auch wei­ter­hin nicht auf die Gewerk­schafts­spit­zen ver­las­sen kön­nen. Die­se sind auf einem ver­stärk­ten Kurs der Anpas­sung, so lan­ge die SPD an der Regie­rung betei­ligt ist. Auch in einer Bun­des­re­gie­rung Merz-Kling­beil wird das nicht anders sein.

Anstatt den zahl­rei­chen Pro­tes­ten der Jugend, der Frau­en und vie­ler gewerk­schaft- lich akti­ven Kolleg:innen eine gemein­sa­me Platt­form zu bie­ten, haben sich die Gewerk­schafts­füh­run­gen ent­schie­den, gemein­sam mit Kapi­tal und Regie­rung die Kos­ten der Kri­sen der arbei­ten­den Klas­se aufzubürden.

Die­se Hal­tung ent­täuscht vie­le Kolleg:-innen und stärkt die fort­ge­setz­te Rechts­ent­wick­lung, anstatt ihr eine Alter­na­ti­ve entgegenzusetzen.

Zudem erfüllt das Schlich­tungs­ver­fah­ren genau den Zweck, den es schon seit jeher hat: näm­lich die Streik­be­reit­schaft zu bre­chen und die gewerk­schaft­li­che Basis ruhig zu stellen.

Nein zur Schlichtungsempfehlung!
Jetzt muss für ein brei­tes Nein bei der Mit­glie­der­be­fra­gung gewor­ben wer­den, so wie es die Mit­glie­der von ver.di in Dort­mund und in vie­len ande­ren Städ­ten beschlos­sen haben.

Das fort­ge­setz­te Ein­kni­cken vor den neo­li­be­ra­len Vor­ga­ben muss been­det und dem Klas­sen­kampf von oben eine kämp­fe­ri­sche Alter­na­ti­ve ent­ge­gen­ge­setzt werden.
Wir for­dern, die Schlich­tungs­ver­ein­ba­run­gen zu kün­di­gen und nach geschei­ter­ten Ver­hand­lun­gen in die Urab­stim­mung zu gehen.

Die Kon­se­quenz muss sein: Es braucht eine brei­te Debat­te über die Struk­tu­ren gewerk­schaft­li­cher Orga­ni­sie­rung, über die Rol­le der Schlich­tung – und vor allem über die Fra­ge, wie wir die Streik­fä­hig­keit von unten neu auf­bau­en können.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Mai 2025
Tagged , , , , , . Bookmark the permalink.