Betriebs­ver­samm­lung als Mit­tel des Widerstands?

Das Bei­spiel Als­tom Power Mann­heim (Teil II)

 

F. B.

Vor 20 Jah­ren, Ende April 2005, orga­ni­sier­te der Betriebs­rat (BR) von Als­tom Power Mann­heim die fünf­tä­gi­ge Fort­set­zung einer zuvor unter­bro­che­nen Betriebs­ver­samm­lung. Sie rich­te­te sich gegen die exis­tenz­be­dro­hen­den Abbau­plä­ne der Konzernleitung.

Alstom-Demo in Mannheim, 25. April 2005. (Foto: Helmut Roos.)

Als­tom-Demo in Mann­heim, 25. April 2005. (Foto: Hel­mut Roos.)

Mit einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung ver­such­te das Manage­ment, die vom BR geplan­te wei­te­re Fort­set­zung der Betriebs­ver­samm­lung gericht­lich zu untersagen. 

Da der Betriebs­rat vor­sorg­lich eine „Schutz­schrift“ beim Arbeits­ge­richt ein­ge­reicht hat­te, muss­te das Gericht die Par­tei­en anhö­ren. In einem Ver­gleich einig­ten sich bei­de Sei­ten dar­auf, dass die für den 30. Mai ange­kün­dig­te Betriebs­ver­samm­lung als „wei­te­re“ Ver­samm­lung gemäß Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz zu wer­ten sei.

Im Anschluss an die­se Betriebs­ver­samm­lung fand eine erneu­te Demo zum Mann­hei­mer Markt­platz statt. Unter den rund 2.000 Teil­neh­men­den waren vie­le Beschäf­tig­te aus ande­ren Als­tom-Wer­ken und aus Betrie­ben der Rhein-Neckar-Region.

Aktiv trotz Ein­schüch­te­rungs­ver­su­chen
Am 23. Juni nutz­ten zum wie­der­hol­ten Male hun­der­te Kolleg:-.innen ihr Infor­ma­ti­ons­recht. Anlass war der Ver­such des Vor­stands, ein­sei­tig Anwei­sun­gen zum Ver­hal­ten und zur Ord­nung im Betrieb fest­zu­le­gen. Zwar war das Manage­ment nicht bereit, der auf dem Hof ver­sam­mel­ten Beleg­schaft Rede und Ant­wort zu ste­hen. Aber bereits am nächs­ten Tag waren die neu­en Ver­hal­tens­re­geln vom Tisch.

Auch am 29. Juni ver­such­te die Geschäfts­lei­tung, Beschäf­tig­te mas­siv zu ver­ängs­ti­gen und ihnen ihr Grund­recht auf Demons­tra­ti­on mit der Andro­hung arbeits­recht­li­cher Kon­se­quen­zen zu verwehren. 

Grund dafür war der Auf­ruf des Betriebs­rats zu einem wei­te­ren Pro­test­marsch in die Mann­hei­mer Innen­stadt. 600 Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen nah­men dar­an teil. Ziel die­ser Demo war das ört­li­che Arbeits­ge­richt, wo am sel­ben Tag der Güte­ter­min zu dem Beschluss­ver­fah­ren gegen den Betriebs­rat stattfand. 

Die Rechts­ver­tre­ter von Als­tom Power mach­ten dort deut­lich, dass sie eine grund­sätz­li­che Ent­schei­dung zur Recht­mä­ßig­keit der mehr­tä­gi­gen Betriebs­ver­samm­lung und zum Agie­ren des BR her­bei­füh­ren wollten. 

Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren gegen BR
Nach­dem die Geschäfts­lei­tung bereits vor­her wochen­lang ver­sucht hat­te, ein­zel­ne Betriebs­rats­mit­glie­der mund­tot zu machen, streb­te sie nun also ein Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren gegen den BR als Gre­mi­um an. Sie behaup­te­te, dass der Betriebs­rat einen „wil­den Streik“ orga­ni­siert hätte.

Hier geht es nicht um for­ma­le Fest­stel­lungs­kla­gen“, kom­men­tier­te dar­auf­hin der BR in einem Info, „hier geht es offen­bar dar­um, den Wider­stand gegen die Unter­drü­ckung der Arbeit­neh- mer­rech­te zu bre­chen. Man glaubt, wenn die­ser Betriebs­rat besei­tigt wer­den kann, könn­ten alle Maß­nah­men zur Unter­drü­ckung der Arbeit­neh­mer­rech­te in die­sem Betrieb ein­fa­cher durch­ge­setzt werden.“ 

Eine wei­te­re Zuspit­zung des Kon­flikts fand im Vor­feld des vom BR orga­ni­sier­ten Soli-Fests am 22. Juli statt. Mit der Begrün­dung, in der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on gebe es nichts zu fei­ern, ver­such­te der Vor­stand, die Ver­an­stal­tung zu verhindern. 

Trotz erneu­ter Dro­hun­gen und Ein­schüch­te­rungs­maß­nah­men lie­ßen sich rund 700 Beschäf­tig­te nicht davon abhal­ten, gemein­sam mit Dele­ga­tio­nen aus ande­ren Betrie­ben und Berei­chen den Zusam­men­halt der Beleg­schaft von Als­tom Power zu bekräftigen.

Erfol­ge des Widerstands
Im Werk und in der Öffent­lich­keit geriet die Kon­zern­lei­tung immer wei­ter in die Defen­si­ve. Zudem schei­ter­te sie auch mit ihren juris­ti­schen Atta­cken gegen den BR, „der in der Beleg­schaft abso­lu­tes Ver­trau­en und in der Öffent­lich­keit ein rie­sen­gro­ßes Anse­hen“ genoss (Express, 09/2005).

Durch die ins­ge­samt sie­ben­tä­gi­ge Betriebs­ver­samm­lung erhielt der lang­an­hal­ten­de Wider­stand gegen die Werks­schlie­ßung in Mann­heim ent­schei­den­de Impulse.
Zwar konn­te das Ende der Gene­ra­tor­fer­ti­gung 2007 nicht ver­hin­dert wer­den, aber dafür wur­de der Aus­schluss betriebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen und die Siche­rung des Stand­or­tes zunächst bis 2010 erkämpft. 

* [Teil I des Arti­kels ist in Avan­ti², Nr. 128 von April 2025, ver­öf­fent­licht und mit die­sem Link im Netz abruf­bar.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Mai 2025
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