Arbeit für alle –

Acht­stun­den­tag verteidigen!

 

O. T.

Unter dem Schlag­wort „Fle­xi­bi­li­sie­rung“ will die Koali­ti­on aus CDU/CSU/SPD eine der größ­ten Errun­gen­schaf­ten der inter­na­tio­na­len Arbei­ter­be­we­gung besei­ti­gen: den Achtstundentag.

Die Ein­füh­rung einer maxi­ma­len Wochen­ar­beits­zeit anstatt einer täg­li­chen Regel­ar­beits­zeit von acht Stun­den bedeu­tet, deut­lich über acht Stun­den hin­aus­ge­hen­de Arbeits­zei­ten zu normalisieren.

Beschäf­tig­ten wird die ange­kün­dig­te wei­te­re „Fle­xi­bi­li­sie­rung“ scha­den. Das Risi­ko für Arbeits­un­fäl­le und arbeits­be­ding­te Krank­hei­ten wird sich erhöhen.

Aufkleber 30-Stunden-Woche.

Auf­kle­ber 30-Stunden-Woche.

Erkämpft – nicht geschenkt
Der Acht­stun­den­tag ist nicht vom Him­mel gefal­len, er wur­de hart erkämpft. Durch Streiks und Auf­stän­de konn­te ihn die inter­na­tio­na­le Arbei­ter­be­we­gung durch­set­zen. Erst­mals 1856 durch Bau­ar­bei­ter in Mel­bourne und dann zum Bei­spiel 1904/05 durch den fünf­mo­na­ti­gen Streik der Tex­til­ar­bei­te­rin­nen im säch­si­schen Crim­mit­schau. In Deutsch­land wur­de der Acht­stun­den­tag infol­ge der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 Gesetz.

Statt einer Ver­län­ge­rung des Arbeits­ta­ges und noch mehr Fle­xi­bi­li­sie­rung brau­chen wir eine schnel­le Ver­kür­zung der Arbeits­zei­ten. Das bele­gen auch die Fakten.
Im Jahr 2024 leis­te­ten die Beschäf­tig­ten in Deutsch­land rund 552 Mil­lio­nen bezahl­te und etwa 638 Mil­lio­nen unbe­zahl­te Über­stun­den. Mehr als zwei Drit­tel der Über­stun­den leis­te­ten Män­ner mit 69,2 Pro­zent, die Frau­en waren mit 30,8 Pro­zent beteiligt.

Das Arbeits­vo­lu­men ist in Deutsch­land in den letz­ten 20 Jah­ren – mit Aus­nah­me der Coro­na­pha­se – auf­grund der Zunah­me an Erwerbs­tä­ti­gen ste­tig gestie­gen. Von 2005 bis 2023 nahm das Arbeits­vo­lu­men von 58,6 Mil­li­ar­den Stun­den bis auf 61,7 Mil­li­ar­den zu.

Ver­kür­zen statt Verlängern
Auch der Umfang der Teil­zeit­ar­beit ist von 6,5 Mil­li­ar­den Stun­den im Jahr 2000 auf fast 12 Mil­li­ar­den im Jahr 2024 gestie­gen. Über sie­ben Mil­lio­nen Mini­job­ber gab es Anfang 2024 in Deutschland.

Die Jah­res­ar­beits­zeit je Erwerbs­tä­ti­gen lag bei rund 1.335 Stun­den. Bei teil­zeit­be­schäf­tig­ten Erwerbs­tä­ti­gen betrug die durch­schnitt­li­che Arbeits­zeit rund 714 Stun­den im Jahr. Bei­de Wer­te lagen somit leicht unter den Vorjahren.

Eine Ver­kür­zung der Arbeits­zeit bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich könn­te das ver­füg­ba­re Erwerbs­ar­beits­po­ten­ti­al und das ent­spre­chen­de Arbeits­vo­lu­men mit sehr posi­ti­ven Resul­ta­ten umver­tei­len. Vie­le der der­zeit 1,65 Mil­lio­nen regis­trier­ten Erwerbs­lo­sen könn­ten eine Arbeit bekom­men. Teil­zeit­be­schäf­tig­te könn­ten ihre Arbeits­zeit nach ihren Bedürf­nis­sen erhöhen.

Arbeits­zeit­ver­kür­zung heißt: Weni­ger Zeit zur Aus­beu­tung der Arbeits­kraft, mehr Zeit für das Leben und die Gesund­heit, mehr Zeit für Part­ner­schaf­ten, Kin­der und alte Men­schen, mehr Zeit für (Aus-)Bildung und Kul­tur sowie für gewerk­schaft­li­ches und poli­ti­sches Engagement.

30-Stun­den­wo­che jetzt!
Durch eine jähr­li­che Redu­zie­rung der Arbeits­zeit von Voll­be­schäf­tig­ten um fünf Pro­zent in den nächs­ten fünf Jah­ren kann für die 23,5 Mil­lio­nen Voll­zeit­be­schäf­tig­ten die 30-Stun­den­wo­che erreicht wer­den. Sie wür­de nach und nach 4,7 Mil­lio­nen zusätz­li­che Arbeits­plät­ze oder ein zusätz­li­ches Arbeits­vo­lu­men von 6,6 Mil­li­ar­den Stun­den ermöglichen.

Außer­dem muss es zu einem Aus­bau der Beschäf­ti­gung im öffent­li­chen Sek­tor kom­men. Allein die voll­stän­di­ge Besei­ti­gung der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit wür­de etwa 80 Mil­li­ar­den Euro an öffent­li­chen Mit­teln jähr­lich ein­spa­ren. Eine soli­da­ri­sche Steu­er­po­li­tik kann mit zur Gegen­fi­nan­zie­rung genutzt werden.
Lei­der spiel­te und spielt die kol­lek­ti­ve Arbeits­zeit­ver­kür­zung bei vol­lem Lohn- und Per­so­nal­aus­gleich bei den Tarif­ver­hand­lun­gen der Gewerk­schaf­ten in den letz­ten Jah­ren kaum oder gar kei­ne Rol­le. Das muss sich ändern.

Eine Arbeits­zeit­ver­kür­zung wird aller­dings nicht allein durch betrieb­li­che Kämp­fe und Streiks zu errei­chen sein. Nur eine brei­te poli­ti­sche, die arbei­ten­de Klas­se mobi­li­sie­ren­de Kam­pa­gne wird zu einer all­ge­mei­nen Arbeits­zeit­ver­kür­zung führen.

Wich­ti­ge Bündnispartner:innen für die Gewerk­schaf­ten in Fra­gen der Arbeits­zeit sind des­halb ins­be­son­de­re die Frau­en­be­we­gung mit ihrer For­de­rung nach einer neu­en Ver­tei­lung der Geschlech­ter­rol­len, die Umwelt- und Kli­ma­be­we­gung sowie die Anti­kriegs­be­we­gung mit ihrer For­de­rung nach Kon­ver­si­on schäd­li­cher Produktionen.

Gera­de jetzt gilt der Satz: „Es gibt nichts Gutes, es sei denn wir tun es!“

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli/August 2025
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