Betriebs­ar­beit in Zei­ten der „Coro­na-Pan­de­mie“

Ein Gespräch mit Betriebs­rä­tin­nen und Betriebs­rä­ten (III. und letz­ter Teil)*

 

Seit Mona­ten sind die COVID-19-Pan­de­mie und die damit ver­bun­de­nen Ein­schrän­kun­gen die vor­herr­schen­den The­men. Für uns Grund genug mit Kol­le­gIn­nen aus Che­mie-, Metall- und Spe­di­ti­ons­un­ter­neh­men über die aktu­el­le betrieb­li­che Situa­ti­on zu sprechen.

Wie wer­den die BR- und die Ver­trau­ens­leu­te-Sit­zun­gen durch­ge­führt? Gibt es regel­mä­ßi­ge Austauschmöglichkeiten?
Tom: Alles nur sehr ein­ge­schränkt. Ver­trau­ens­leu­te gibt es bei uns nicht. Die Betriebs­rä­te, die vor Coro­na aktiv und ansprech­bar waren, sind es meis­tens auch jetzt. Die ande­ren kannst du mei­ner Mei­nung nach vergessen.

Infostand beim Fest der Solidarität in der Neckarstadt, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Info­stand beim Fest der Soli­da­ri­tät in der Neckar­stadt, 07. Juli 2019 (Foto: Avanti²)

Cla­ra: Im Moment wer­den kei­ne Sit­zun­gen durchgeführt.

Kevin: Um gro­ße Sit­zun­gen zu ver­mei­den, haben wir sozu­sa­gen auf einen Not­be­trieb umge­stellt. Das heißt, die gesam­te BR-Arbeit macht der­zeit der Betriebs­aus­schuss (BA). Gera­de die weni­ger akti­ven BR-Kol­le­gIn­nen sind damit zufrie­den. Sie kön­nen Ver­ant­wor­tung abge­ben, müs­sen nicht so aktiv sein und kön­nen sich „zurück­leh­nen“. Ande­re füh­len sich durch die Ein­bin­dungs­ver­su­che der Chefs jetzt als wich­tig. Sie genie­ßen die­se schein­ba­re Aner­ken­nung. Der BA trifft sich mehr­mals die Woche. Und für den Not­fall gibt es eine „Whats­App-Grup­pe“.

Hei­ko: Wir füh­ren im BR Video­kon­fe­ren­zen durch. Aber die wesent­li­che Arbeit macht der BA. Ein Teil der Betriebs­rä­te ist abge­taucht. Die Ver­trau­ens­leu­te sind bei uns schwach und jetzt kaum noch zu irgend­et­was zu bewegen.

Gibt es Unter­stüt­zung sei­tens der Gewerkschaft?
Cla­ra: Ja. Gera­de wenn es um recht­li­che Unklar­hei­ten geht, wer­den wir bera­ten. Aber dies bewegt sich natür­lich im Rah­men der gewerk­schaft­li­chen Gesamt­stra­te­gie. Und die ist nicht klas­sen­kämp­fe­risch, son­dern koope­ra­tiv und partnerschaftlich.

Kevin: Für uns kann ich dies nicht unein­ge­schränkt beja­hen. Aber das hängt wahr­schein­lich sehr vom Bezirk und den zustän­di­gen Haupt­amt­li­chen ab. Wir haben zum Gewerk­schafts­ap­pa­rat sowie­so eine kri­ti­sche Hal­tung, und dar­um ist unse­re Zusam­men­ar­beit – vor­sich­tig gesagt – nicht kon­flikt­frei. Ich habe den Ein­druck, dass „die“ Gewerk­schaft zur­zeit über­for­dert ist und nicht weiß, wie sie in die­ser Situa­ti­on agie­ren soll. Mal sehen, ob sich das noch ändert.

Hei­ko: Schon. Aber wir ver­las­sen uns sowie­so nicht nur auf die zustän­di­ge Sekre­tä­rin, son­dern klä­ren vie­les auch mit unse­rem Anwalt.

Wie wird der Kon­takt zu den Beschäf­tig­ten gehal­ten? Gibt es regel­mä­ßi­ge Ansprech­zei­ten (Tele­fon, Video­chat usw.)?
Cla­ra: Bei uns hal­ten nur weni­ge Betriebs­rä­te den direk­ten Kon­takt zu den Beschäf­tig­ten auf­recht. Die ande­ren siehst du nicht mehr in den Abtei­lun­gen. Aber das sind vor allem die­je­ni­gen, die vor­her schon sel­ten in den Abtei­lun­gen waren. Jetzt haben sie dafür einen „guten“ Grund. Die Kri­se zeigt eben auch bei uns, wo es Schwä­chen oder Fehl­be­set­zun­gen gibt. Regel­mä­ßi­ge Ansprech­zei­ten wer­den von der BR-Mehr­heit nicht organisiert.

Protest bei Alstom Mannheim, 13. Mai 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Pro­test bei Als­tom Mann­heim, 13. Mai 2014 (Foto: helmut-roos@web.de)

Kevin: Wir hal­ten den Kon­takt zu unse­ren Kol­le­gIn­nen wie vor Coro­na. Wir gehen unter Ein­hal­tung der Infek­ti­ons­schutz­re­geln in die Abtei­lun­gen. Und das BR-Büro ist immer für alle offen.

Tom: Bei uns war die­ser Kon­takt schon immer schwie­rig und unter­ent­wi­ckelt. Das ist durch Coro­na noch schlech­ter gewor­den. Aber die Betriebs­rä­te, die vor der Kri­se aktiv waren, sind es jetzt immer noch. Die Fau­len haben einen wei­te­ren Grund gefun­den, nichts zu tun.

Wie wer­den Abtei­lungs- und Betriebs­ver­samm­lun­gen durchgeführt?
Kevin: Unse­re geplan­te Betriebs­ver­samm­lung wur­de erst­mal abge­sagt. Eine alter­na­ti­ve Pla­nung gibt es noch nicht. Da der Betriebs­rat prak­tisch nur noch ein „Rumpf-BR“ ist, gibt es auch nicht unse­re regel­mä­ßi­gen Veröffentlichungen.

Cla­ra: Bei uns wur­den alle Ver­samm­lun­gen abge­sagt. Der­zeit gibt es auch kei­ne Pla­nung, z. B. eine Tele­fon- oder Video­kon­fe­renz durchzuführen.

Hei­ko: Die Betriebs­ver­samm­lung wur­de abge­sagt. Es gibt zwar die Idee, eine Ver­samm­lung als Video­kon­fe­renz durch­zu­füh­ren, aber dies ist noch nicht wirk­lich konkret.

Tom: Bei uns wur­den die sowie­so schon sel­te­nen Ver­samm­lun­gen vor­erst ausgesetzt.

Wel­che Aus­wir­kun­gen erwar­tet ihr für die kom­men­den Monate?
Tom: Ich befürch­te, dass Stel­len ent­fal­len. Wenn die Auf­trag­ge­ber ihre Pro­duk­ti­on zurück­fah­ren, hat das unmit­tel­bar Aus­wir­kun­gen auf exter­ne Fir­men wie uns. Ich rech­ne dann eher mit Ent­las­sun­gen als mit Kurz­ar­beit. Bezüg­lich der Betriebs­rats­ar­beit erwar­te ich über­haupt kei­ne Änderungen.

Orga­ni­sie­ren ermög­licht Gegenwehr

Kevin: Wir fürch­ten, dass für eini­ge Abtei­lun­gen Kurz­ar­beit bean­tragt wird. Das kann schon pro­ble­ma­tisch wer­den. Aber noch mehr fürch­te ich, dass die Chef­eta­ge die Kri­se nutzt, um wei­ter zu „opti­mie­ren“. Die Angst der KollegInnen_vor Arbeits­platz­ver­lust schafft dafür gute Vor­aus­set­zun­gen. Und auch der Rück­zug eines Teils des Betriebs­ra­tes kommt dem Unter­neh­men ent­ge­gen. Ich hof­fe, es gelingt, die bei uns ver­brei­te­te „Coro­na-Lethar­gie“ zu über­win­den. Die kann ja auch ganz schnell zu Resi­gna­ti­on füh­ren. Ein­fach wird dies für uns nicht.

Hei­ko: Bei uns sehe ich kei­ne Kurz­ar­beit. Aber die kon­zern­wei­te „Opti­mie­rung“ wird natür­lich fort­ge­setzt. Die Fol­gen für uns wer­den noch mehr Arbeits­druck sein. Alles steht und fällt damit, ob wir den Betriebs­rat und den Ver­trau­ens­leu­te­kör­per ver­jün­gen und akti­vie­ren kön­nen. Im Moment haben wir dazu zwar ganz gute Chan­cen, aber ein­fach geht anders.

Cla­ra: Ich rech­ne auch bei uns mit Kurz­ar­beit. Das hängt aber davon ab, wie lan­ge der „Lock­down“ greift und wann der glo­ba­le Han­del wie­der funk­tio­niert. Ob es den akti­ven Betriebs­rä­ten und Ver­trau­ens­leu­ten gelingt, aus der Kri­se gestärkt her­aus­zu­kom­men, kann ich noch nicht sagen. Aber ein Teil der Beleg­schaft hat – zumin­dest im Moment – ver­stan­den, wel­che Betriebs­rä­tIn­nen aktiv sind und etwas bewe­gen möch­ten und wel­che nicht. Ob das von Dau­er sein wird, kann ich nicht sagen. Aber der­zeit sieht es ganz gut aus und ich bin zuversichtlich.

* [Das Gespräch fand Mit­te April statt. Die Namen wur­den zum Schutz der Teil­neh­men­den geän­dert. Die Fra­gen stell­te U. D.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli/August 2020
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