Gale­ria Karstadt-Kaufhof

Alter­na­tiv­lo­se Arbeitsplatzvernichtung?

O. T.

Fast jede drit­te Filia­le von Gale­ria Kar­stadt Kauf­hof (GKK) soll platt­ge­macht wer­den (62 von ins­ge­samt 172). Rund 5.300 von ins­ge­samt 28.000 Beschäf­tig­ten sol­len dadurch ihre Arbeit ver­lie­ren. Dazu kommt noch der Abbau von 1.000 Stel­len durch die Schlie­ßun­gen von 20 der 30 Kar­stadt-Sport-Filia­len und von 100 der ins­ge­samt 130 Rei­se­bü­ros des Konzerns.

Filia­le in Mann­heim vor Schließung
Auch die Filia­le in der Kunst­stra­ße (N 7) in Mann­heim mit 75 meist lang­jäh­rig Beschäf­tig­ten ist betrof­fen. Die Filia­le am Para­de­platz soll dage­gen erhal­ten bleiben.

DGB-Demo am 1. Mai 2019 in Mannheim (Foto: helmut-roos@web.de)

DGB-Demo am 1. Mai 2019 in Mann­heim (Foto: helmut-roos@web.de)

Begrün­det wer­den die Schlie­ßun­gen mit der Coro­na-Pan­de­mie, die im Früh­jahr zur befris­te­ten Schlie­ßung aller Filia­len geführt hat­te. Dadurch sei der Kon­zern mas­siv in die Kri­se gera­ten. Die Wei­ter­füh­rung der von Schlie­ßung betrof­fe­nen Filia­len wür­de der Kon­zern­lei­tung zufol­ge angeb­lich die Exis­tenz des Unter­neh­mens gefährden.

Zwei­fels­oh­ne wirk­te sich die Schlie­ßung der Kauf­häu­ser in der Pan­de­mie nega­tiv auf das Geschäft aus. Aber GKK-Eigen­tü­mer und Immo­bi­li­en-Spe­ku­lant René Ben­ko woll­te schon im vori­gen Jahr Schlie­ßun­gen durch­set­zen. Das hat­te ver.di zwar noch um den Preis eines „Sanie­rungs­ta­rif­ver­trags“ ver­hin­dern kön­nen, der aber erheb­li­che Ein­kom­mens­ver­lus­te für die Kol­le­gIn­nen bedeutete.

Staat­li­cher „Schutz­schirm“ ohne Kündigungsschutz?
Anfang April 2020 ist GKK unter den staat­li­chen „Schutz­schirm“ geschlüpft, was einem Vor­insol­venz­ver­fah­ren mit staat­li­cher Betei­li­gung gleich­kommt. Der Staat über­nimmt prak­tisch alle Per­so­nal­kos­ten und bestellt dann Ver­fah­rens­sach­wal­ter. Die­se haben die Auf­ga­be, mit allen Betei­lig­ten (Vor­stand, Betriebs­rat, Gewerk­schaft, Gläu­bi­ger, Anteils­ei­ge­ner) einen Plan zur wirt­schaft­li­chen „Gesun­dung“ des Unter­neh­mens zu erar­bei­ten. Die­ser Plan soll dann dem Ver­wal­tungs­ge­richt vor­ge­legt wer­den. Stimmt das Ver­wal­tungs­ge­richt dem Plan zu, muss er umge­setzt wer­den, stimmt es nicht zu, kommt es zu einem „ordent­li­chen“ Insolvenzverfahren.

Im Ergeb­nis wird klar: Die­ser staat­li­che „Schutz­schirm“ bie­tet kei­nen wirk­li­chen Schutz vor Kün­di­gun­gen. Die ein­ge­setz­ten Steu­er­gel­der wer­den aus­schließ­lich zur Ver­bes­se­rung der „Wett­be­werbs­fä­hig­keit“ des Kon­zerns ein­ge­setzt, um wie­der in die Gewinn­zo­ne zu kommen.

Das nützt vor allem dem Eigen­tü­mer Ben­ko, der mit den staat­li­cher­seits geneh­mig­ten und durch den „Schutz­schirm“ mit­fi­nan­zier­ten Schlie­ßun­gen in sei­ner beab­sich­ti­gen „Neu­struk­tu­rie­rung“ des Unter­neh­mens einen erheb­li­chen Schritt weiterkommt.

Zudem wer­den vie­le Filia­len in Immo­bi­li­en, die sich in sei­nem Besitz befin­den, wei­ter­hin hohe Mie­ten zu ent­rich­ten haben, denn zu Miet­min­de­run­gen ist er nicht bereit. Dort, wo Filia­len fremd ein­ge­mie­tet sind, will GKK aller­dings hohe Miet­nach­läs­se durch­set­zen. Dies betrifft ins­ge­samt 12 Filia­len, ansons­ten droht GGK auch hier mit der Schließung.

Trans­fer­ge­sell­schaft kei­ne Lösung
Ver.di konn­te nach eige­nen Anga­ben die von der Kon­zern­lei­tung und von den Ver­fah­rens­sach­wal­tern gewoll­ten Ver­schlech­te­run­gen des „Sanie­rungs­ta­rif­ver­trags“ weit­ge­hend abweh­ren. So sei unter ande­rem der ursprüng­lich geplan­te wei­te­re Abbau von 10 Pro­zent der Stel­len in den ver­blei­ben­den Filia­len jetzt vom Tisch. Für die­se gel­te jetzt eine Beschäftigungssicherung.

Die Per­spek­ti­ve für die von den Schlie­ßun­gen betrof­fe­nen Kol­le­gIn­nen ist, dass sie zunächst für min­des­tens sechs Mona­te in eine Trans­fer­ge­sell­schaft „zur Beschäf­ti­gung und Qua­li­fi­zie­rung“ wech­seln kön­nen. Ob danach eine neue Arbeits­stel­le gefun­den wer­den kann, ist jedoch völ­lig offen. Klar ist nur, dass der alte Arbeits­platz weg ist.

Die Betriebs­rats­vor­sit­zen­de des Kauf­hofs in der Kunst­stra­ße, Sabi­ne Jako­by, hat ange­kün­digt, dass sich der Betriebs­rat noch nicht ganz „geschla­gen geben“ wolle.

Ben­ko enteignen
Um die betrof­fe­nen Kauf­hof-Kol­le­gIn­nen wirk­sam unter­stüt­zen zu kön­nen, ist eine brei­te öffent­li­che und gewerk­schafts­über­grei­fen­de Soli­da­ri­tät not­wen­dig. Ver.di muss des­halb gemein­sam die Rück­nah­me der Fili­al­schlie­ßun­gen in Mann­heim, Land­au, Worms und anders­wo ein­for­dern und unter Beru­fung auf Arti­kel 14 des Grund­ge­set­zes ein Ver­bot von Ent­las­sun­gen ein­for­dern. Statt des übli­chen Lamentos aus der Sphä­re der Berufs­po­li­tik benö­ti­gen die GKK-Beschäf­tig­ten und wir alle eine Kam­pa­gne zur Ent­eig­nung von Spe­ku­lan­ten wie Ben­ko. So könn­ten Arbeits­plät­ze gesi­chert und ein sozia­ler und öko­lo­gi­scher Umbau der zuneh­mend ver­öde­ten Innen­städ­te in die Wege gelei­tet werden.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli/August 2020
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