Herauskaufen lassen, Kündigung oder gesundheitlicher Ruin?
Diese „Alternativen“ werden immer häufiger aktiven Gewerkschafts- und Betriebsratsmitgliedern von mobbenden Geschäftsleitungen als „Konfliktlösung“ angedroht. Schon im letzten Herbst hatte Avanti² mit Clara, der Betriebsratsvorsitzenden aus einem Betrieb in Südwest-Deutschland, über ihre Mobbing-Erfahrungen gesprochen (siehe Avanti² Nr. 76 von Dezember 2020). Nun, fast ein Jahr später, haben wir bei ihr nachgefragt, ob sich zwischenzeitlich ihre Situation verbessert hat.*
Wie ist es Dir seit unserem letzten Gespräch ergangen?
Clara: Es hat sich seitdem nichts verbessert. Nach wie vor will „unsere“ Geschäftsführung in Gutsherrenmanier ihre betriebspolitischen Vorstellungen durchsetzen, in vielen Fällen ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus dem Betriebsverfassungsgesetz und damit auch ohne die Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Da der Betriebsrat sich das nicht gefallen lässt und seine Rechte einfordert, geht auch das Mobbing gegen die aktiven Mitglieder unseres Betriebsrats weiter. Das was da passiert, ist ein systematisches Fertigmachen durch Psychoterror.
Kannst Du dafür Beispiele nennen?
Clara: Ein Beispiel dafür ist die Teilnahme mehrerer BR-Mitglieder an einer Fachtagung der IG Metall zum Thema Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Pandemie, die nach § 37 Absatz 6 Betriebsverfassungsgesetz beschlossen und auch vom Unternehmen schon akzeptiert war. Plötzlich, einen Tag vor der Konferenz, hieß es von Seiten der Geschäftsführung, die Teilnahme an der Veranstaltung würde nicht gebilligt und die Kosten der Dienstreise würden nicht übernommen. Begründung: Die Corona-Pandemie ließe das nicht zu, wir würden durch die Teilnahme die Gesundheit aller Betriebsangehörigen gefährden. Natürlich wusste die Firmenleitung, dass die Arbeitsschutzkonferenz die Corona-Pandemie sowie den betrieblichen Umgang damit zum zentralen Thema hatte: Zudem war bekannt, dass diese Tagung selbstverständlich unter Einhaltung der Corona-Schutzvorschriften durchgeführt werden sollte. Das alles zählte aber nicht. Hier ging es um reine Schikane gegenüber den BR-Mitgliedern, die trotzdem an der Konferenz teilgenommen haben. Aufgrund der Blockade des Managements mussten die vom Betrieb einbehaltenen Entgelte vor dem Arbeitsgericht eingeklagt werden − übrigens mit Erfolg.
Auch den Zugriff auf unser persönliches Arbeitszeitkonto, den man uns in diesem Zusammenhang gesperrt hatte, mussten wir per Gerichtsbeschluss durchsetzen.
Die dem Betriebsrat aufgezwungene Notwendigkeit, seine Rechte über das Arbeitsgericht einzuklagen, war und ist immer wieder Aufhänger für die Geschäftsführung, den Betriebsrat für die dadurch entstehenden „Kosten“ verantwortlich zu machen. Überhaupt sei der Betriebsrat zu teuer und bringe dem Unternehmen keinerlei Nutzen. Um diese Ausgaben wieder auszugleichen, droht das Management zum Beispiel an, die Firmenparkplätze kostenpflichtig zu machen, Gehälter später zu überweisen oder Reparaturen – zum Beispiel von Klimaanlagen − nicht mehr auszuführen. Damit sollen die Beschäftigten gegen den Betriebsrat aufgebracht werden. Schon seit langem will die Geschäftsführung sofortige Neuwahlen des Betriebsrats, weil sie mit dem gegenwärtigen Gremium und insbesondere mit der Vorsitzenden nicht mehr zusammenarbeiten will. Ich werde als „feige“ diffamiert, weil ich nichts allein entscheiden würde und nie allein zu Gesprächen kommen würde. Dies alles sind Versuche, um den Betriebsrat vorzuführen und lächerlich zu machen. Zu diesem Zweck wird dann zum Beispiel auch interner Mailverkehr zwischen Betriebsrat und Firmenleitung an verschiedene Vorgesetzte im Betrieb weitergeleitet, obwohl es sich dabei um ausgesprochene Interna und zum Teil um persönliche, dem Datenschutz unterliegende Informationen handelt.
Zur Ausschaltung des ihr nicht genehmen Betriebsrats fährt die Geschäftsführung zweigleisig. Zum einen versucht sie, die Belegschaft gegen den Betriebsrat und insbesondere die Vorsitzende und den stellvertretenden Vorsitzenden aufzuhetzen, zum anderen werden Abfindungssummen und Scheinangebote ins Gespräch gebracht, die uns Betriebsräte zu einer Eigenkündigung bewegen sollen. Zum Beispiel so: „Wenn sie ganz schnell zusagen, kann ich Ihnen zu einer neuen beruflichen Perspektive im Ausland verhelfen. Es ist doch bekannt, dass sie schon lange damit liebäugeln“.
Wie habt ihr auf diese Angriffe reagiert?
Clara: Zunächst haben wir deutlich gemacht, dass wir weder käuflich noch manipulierbar sind. Darüber hinaus haben wir die Geschäftsführung auf ihr eigenes Verhalten hingewiesen. Das zwingt uns ja dazu, das Arbeitsgericht in Anspruch zu nehmen und unnötige Kosten zu verursachen. Wenn die Firma ernsthaft an dieser Stelle Kosten sparen wollte, dann muss das Management nur das Betriebsverfassungsgesetz, die geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen einhalten und von der Bekämpfung des Betriebsrats ablassen.
Aktuell führen wir eine Auseinandersetzung um die Übernahme von befristet Beschäftigten, welcher sich die Firma widersetzt. Eine gültige Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2017 verpflichtet aber das Unternehmen, bestimmte Beschäftigte nach einer festgelegten Zeitspanne und bei bestehendem Personalbedarf in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Dies verweigert die Geschäftsführung. Daraufhin haben wir die vorher genehmigte Mehrarbeit in diesem Bereich gestoppt und ausgesetzt. Nun versucht die Geschäftsleitung, die Belegschaft gegen den Betriebsrat in Stellung zu bringen, indem sie per Aushang die Beschäftigten auffordert, gegen den Betriebsrat zu intervenieren.
Die Belegschaft ist aber gerade für uns, den Betriebsrat, der entscheidende Hebel, um Gegendruck auf die Geschäftsführung zu erzeugen, um sie zur Einhaltung der Gesetze und der geltenden Vereinbarungen zu zwingen. Durch regelmäßige Informationsversammlungen in den einzelnen Abteilungen klären wir die Beschäftigten über die Situation im Betrieb auf. Auch über die Einbeziehung bei der Umsetzung der Gefährdungsanalyse, bei der es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes geht, nehmen wir die Beschäftigten mit und sensibilisieren sie für ihr Umfeld.
So haben wir es vor kurzem gemeinsam geschafft, dass ein externer „Berater“ aus dem Betrieb entfernt werden musste. Die Geschäftsführung hatte ihn den Kolleginnen und Kollegen vor die Nase gesetzt. Die Folge war, dass er in diesem Bereich nur Chaos verursacht hatte und darüber hinaus Beschäftigte schikaniert hat.
Auch wir fahren mehrgleisig. Zum einen indem wir uns gemeinsam mit der Belegschaft gegen die Übergriffe des Managements wehren, zum anderen aber auch durch das Einschalten unseres Rechtsanwaltes. Schließlich versuchen wir auch, die IG Metall als zuständige Gewerkschaft einzubeziehen. Wir erwarten, dass sie uns in dieser Auseinandersetzung und vor allem gegen das systematische BR-Mobbing durch die Geschäftsleitung unterstützt. Leider ist dies bisher nur in unzureichendem Ausmaß geschehen.
* [Die Fragen stellte H. S., den Namen der BR-Kollegin haben wir aus Sicherheitsgründen geändert.]