Betriebs­rats-Mob­bing

Her­aus­kau­fen las­sen, Kün­di­gung oder gesund­heit­li­cher Ruin?

 

Die­se „Alter­na­ti­ven“ wer­den immer häu­fi­ger akti­ven Gewerk­schafts- und Betriebs­rats­mit­glie­dern von mob­ben­den Geschäfts­lei­tun­gen als „Kon­flikt­lö­sung“ ange­droht. Schon im letz­ten Herbst hat­te Avan­ti² mit Cla­ra, der Betriebs­rats­vor­sit­zen­den aus einem Betrieb in Süd­west-Deutsch­land, über ihre Mob­bing-Erfah­run­gen gespro­chen (sie­he Avan­ti² Nr. 76 von Dezem­ber 2020). Nun, fast ein Jahr spä­ter, haben wir bei ihr nach­ge­fragt, ob sich zwi­schen­zeit­lich ihre Situa­ti­on ver­bes­sert hat.*

Protest gegen BR-Mobbing vor dem Arbeitsgericht Darmstadt, 8. August 2019. (Foto: Privat.)

Pro­test gegen BR-Mob­bing vor dem Arbeits­ge­richt Darm­stadt, 8. August 2019. (Foto: Privat.)

Wie ist es Dir seit unse­rem letz­ten Gespräch ergangen?
Cla­ra: Es hat sich seit­dem nichts ver­bes­sert. Nach wie vor will „unse­re“ Geschäfts­füh­rung in Guts­her­ren­ma­nier ihre betriebs­po­li­ti­schen Vor­stel­lun­gen durch­set­zen, in vie­len Fäl­len ohne die Mit­be­stim­mungs­rech­te des Betriebs­rats aus dem Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz und damit auch ohne die Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten zu berück­sich­ti­gen. Da der Betriebs­rat sich das nicht gefal­len lässt und sei­ne Rech­te ein­for­dert, geht auch das Mob­bing gegen die akti­ven Mit­glie­der unse­res Betriebs­rats wei­ter. Das was da pas­siert, ist ein sys­te­ma­ti­sches Fer­tig­ma­chen durch Psychoterror.

Kannst Du dafür Bei­spie­le nennen?
Cla­ra: Ein Bei­spiel dafür ist die Teil­nah­me meh­re­rer BR-Mit­glie­der an einer Fach­ta­gung der IG Metall zum The­ma Betrieb­li­cher Arbeits- und Gesund­heits­schutz in der Pan­de­mie, die nach § 37 Absatz 6 Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz beschlos­sen und auch vom Unter­neh­men schon akzep­tiert war. Plötz­lich, einen Tag vor der Kon­fe­renz, hieß es von Sei­ten der Geschäfts­füh­rung, die Teil­nah­me an der Ver­an­stal­tung wür­de nicht gebil­ligt und die Kos­ten der Dienst­rei­se wür­den nicht über­nom­men. Begrün­dung: Die Coro­na-Pan­de­mie lie­ße das nicht zu, wir wür­den durch die Teil­nah­me die Gesund­heit aller Betriebs­an­ge­hö­ri­gen gefähr­den. Natür­lich wuss­te die Fir­men­lei­tung, dass die Arbeits­schutz­kon­fe­renz die Coro­na-Pan­de­mie sowie den betrieb­li­chen Umgang damit zum zen­tra­len The­ma hat­te: Zudem war bekannt, dass die­se Tagung selbst­ver­ständ­lich unter Ein­hal­tung der Coro­na-Schutz­vor­schrif­ten durch­ge­führt wer­den soll­te. Das alles zähl­te aber nicht. Hier ging es um rei­ne Schi­ka­ne gegen­über den BR-Mit­glie­dern, die trotz­dem an der Kon­fe­renz teil­ge­nom­men haben. Auf­grund der Blo­cka­de des Manage­ments muss­ten die vom Betrieb ein­be­hal­te­nen Ent­gel­te vor dem Arbeits­ge­richt ein­ge­klagt wer­den − übri­gens mit Erfolg.

Auch den Zugriff auf unser per­sön­li­ches Arbeits­zeit­kon­to, den man uns in die­sem Zusam­men­hang gesperrt hat­te, muss­ten wir per Gerichts­be­schluss durchsetzen.

Einladungs-Flyer zur 8. Konferenz gegen BR-Mobbing

Ein­la­dungs-Fly­er zur 8. Kon­fe­renz gegen BR-Mobbing

Die dem Betriebs­rat auf­ge­zwun­ge­ne Not­wen­dig­keit, sei­ne Rech­te über das Arbeits­ge­richt ein­zu­kla­gen, war und ist immer wie­der Auf­hän­ger für die Geschäfts­füh­rung, den Betriebs­rat für die dadurch ent­ste­hen­den „Kos­ten“ ver­ant­wort­lich zu machen. Über­haupt sei der Betriebs­rat zu teu­er und brin­ge dem Unter­neh­men kei­ner­lei Nut­zen. Um die­se Aus­ga­ben wie­der aus­zu­glei­chen, droht das Manage­ment zum Bei­spiel an, die Fir­men­park­plät­ze kos­ten­pflich­tig zu machen, Gehäl­ter spä­ter zu über­wei­sen oder Repa­ra­tu­ren – zum Bei­spiel von Kli­ma­an­la­gen − nicht mehr aus­zu­füh­ren. Damit sol­len die Beschäf­tig­ten gegen den Betriebs­rat auf­ge­bracht wer­den. Schon seit lan­gem will die Geschäfts­füh­rung sofor­ti­ge Neu­wah­len des Betriebs­rats, weil sie mit dem gegen­wär­ti­gen Gre­mi­um und ins­be­son­de­re mit der Vor­sit­zen­den nicht mehr zusam­men­ar­bei­ten will. Ich wer­de als „fei­ge“ dif­fa­miert, weil ich nichts allein ent­schei­den wür­de und nie allein zu Gesprä­chen kom­men wür­de. Dies alles sind Ver­su­che, um den Betriebs­rat vor­zu­füh­ren und lächer­lich zu machen. Zu die­sem Zweck wird dann zum Bei­spiel auch inter­ner Mail­ver­kehr zwi­schen Betriebs­rat und Fir­men­lei­tung an ver­schie­de­ne Vor­ge­setz­te im Betrieb wei­ter­ge­lei­tet, obwohl es sich dabei um aus­ge­spro­che­ne Inter­na und zum Teil um per­sön­li­che, dem Daten­schutz unter­lie­gen­de Infor­ma­tio­nen handelt.

Zur Aus­schal­tung des ihr nicht geneh­men Betriebs­rats fährt die Geschäfts­füh­rung zwei­glei­sig. Zum einen ver­sucht sie, die Beleg­schaft gegen den Betriebs­rat und ins­be­son­de­re die Vor­sit­zen­de und den stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den auf­zu­het­zen, zum ande­ren wer­den Abfin­dungs­sum­men und Schein­an­ge­bo­te ins Gespräch gebracht, die uns Betriebs­rä­te zu einer Eigen­kün­di­gung bewe­gen sol­len. Zum Bei­spiel so: „Wenn sie ganz schnell zusa­gen, kann ich Ihnen zu einer neu­en beruf­li­chen Per­spek­ti­ve im Aus­land ver­hel­fen. Es ist doch bekannt, dass sie schon lan­ge damit liebäugeln“.

Wie habt ihr auf die­se Angrif­fe reagiert?
Cla­ra: Zunächst haben wir deut­lich gemacht, dass wir weder käuf­lich noch mani­pu­lier­bar sind. Dar­über hin­aus haben wir die Geschäfts­füh­rung auf ihr eige­nes Ver­hal­ten hin­ge­wie­sen. Das zwingt uns ja dazu, das Arbeits­ge­richt in Anspruch zu neh­men und unnö­ti­ge Kos­ten zu ver­ur­sa­chen. Wenn die Fir­ma ernst­haft an die­ser Stel­le Kos­ten spa­ren woll­te, dann muss das Manage­ment nur das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz, die gel­ten­den Tarif­ver­trä­ge und Betriebs­ver­ein­ba­run­gen ein­hal­ten und von der Bekämp­fung des Betriebs­rats ablassen.

Dokumentation der 7. Konferenz gegen BR-Mobbing

Doku­men­ta­ti­on der 7. Kon­fe­renz gegen BR-Mobbing

Aktu­ell füh­ren wir eine Aus­ein­an­der­set­zung um die Über­nah­me von befris­tet Beschäf­tig­ten, wel­cher sich die Fir­ma wider­setzt. Eine gül­ti­ge Betriebs­ver­ein­ba­rung aus dem Jahr 2017 ver­pflich­tet aber das Unter­neh­men, bestimm­te Beschäf­tig­te nach einer fest­ge­leg­ten Zeit­span­ne und bei bestehen­dem Per­so­nal­be­darf in ein unbe­fris­te­tes Arbeits­ver­hält­nis zu über­neh­men. Dies ver­wei­gert die Geschäfts­füh­rung. Dar­auf­hin haben wir die vor­her geneh­mig­te Mehr­ar­beit in die­sem Bereich gestoppt und aus­ge­setzt. Nun ver­sucht die Geschäfts­lei­tung, die Beleg­schaft gegen den Betriebs­rat in Stel­lung zu brin­gen, indem sie per Aus­hang die Beschäf­tig­ten auf­for­dert, gegen den Betriebs­rat zu intervenieren.

Die Beleg­schaft ist aber gera­de für uns, den Betriebs­rat, der ent­schei­den­de Hebel, um Gegen­druck auf die Geschäfts­füh­rung zu erzeu­gen, um sie zur Ein­hal­tung der Geset­ze und der gel­ten­den Ver­ein­ba­run­gen zu zwin­gen. Durch regel­mä­ßi­ge Infor­ma­ti­ons­ver­samm­lun­gen in den ein­zel­nen Abtei­lun­gen klä­ren wir die Beschäf­tig­ten über die Situa­ti­on im Betrieb auf. Auch über die Ein­be­zie­hung bei der Umset­zung der Gefähr­dungs­ana­ly­se, bei der es um die Ver­bes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen und des Gesund­heits­schut­zes geht, neh­men wir die Beschäf­tig­ten mit und sen­si­bi­li­sie­ren sie für ihr Umfeld. 
So haben wir es vor kur­zem gemein­sam geschafft, dass ein exter­ner „Bera­ter“ aus dem Betrieb ent­fernt wer­den muss­te. Die Geschäfts­füh­rung hat­te ihn den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen vor die Nase gesetzt. Die Fol­ge war, dass er in die­sem Bereich nur Cha­os ver­ur­sacht hat­te und dar­über hin­aus Beschäf­tig­te schi­ka­niert hat.

Auch wir fah­ren mehr­glei­sig. Zum einen indem wir uns gemein­sam mit der Beleg­schaft gegen die Über­grif­fe des Manage­ments weh­ren, zum ande­ren aber auch durch das Ein­schal­ten unse­res Rechts­an­wal­tes. Schließ­lich ver­su­chen wir auch, die IG Metall als zustän­di­ge Gewerk­schaft ein­zu­be­zie­hen. Wir erwar­ten, dass sie uns in die­ser Aus­ein­an­der­set­zung und vor allem gegen das sys­te­ma­ti­sche BR-Mob­bing durch die Geschäfts­lei­tung unter­stützt. Lei­der ist dies bis­her nur in unzu­rei­chen­dem Aus­maß geschehen.


* [Die Fra­gen stell­te H. S., den Namen der BR-Kol­le­gin haben wir aus Sicher­heits­grün­den geändert.]


Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Sep­tem­ber 2021
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