Soll der Betrieb in Weinheim jetzt zerschlagen werden?
S. T.
Die Firma nora systems ist mit mehr als 800 Beschäftigten nach Freudenberg das zweitgrößte Unternehmen in Weinheim. Seit Wochen ist bekannt, dass der US-amerikanische Eigentümerkonzern Interface aus Atlanta den Schuhbereich abstoßen will. Interface hatte 2018 die nora systems GmbH gekauft. Der damals gestartete Integrationsprozess hat mittlerweile zu großflächigen Veränderungen mit massiven Auswirkungen auf die Gesamtstruktur des Betriebes geführt.
Die weiteren Auswirkungen auf die Belegschaft und die Infrastruktur des Freudenberg-Industrieparks sind noch nicht abzuschätzen. Das Management versucht durch das Vorenthalten von Informationen zum Beispiel über potentielle Käufer, sowohl Belegschaft als Betriebsrat hinzuhalten. Offensichtlich soll der Verkauf möglichst ungestört über die Bühne gebracht werden und erst dann informiert werden, wenn alles entschieden ist.
Verstoß gegen Belegschaftsinteressen
Mit diesem Verstoß gegen die Interessen der Belegschaft und gegen das Betriebsverfassungsgesetz will sich der Betriebsrat aber nicht abfinden. Bei den Aussagen der Unternehmensleitung ist davon auszugehen, dass zukünftig mit massiven Veränderungen und Personalabbaumaßnahmen zu rechnen ist.
Um die Auswirkungen des Verkaufs abschätzen zu können und um seinen gesetzlichen Auftrag zur Vertretung der Beschäftigteninteressen wahrnehmen zu können, braucht der Betriebsrat die Informationen, die ihm bisher verweigert werden. Für Betriebsrat und Belegschaft ist es wichtig zu wissen: Wer sind die möglichen Käufer? Welche Geschäftsstrategie verfolgen sie? Wird der Schuhbereich in Weinheim mit den Beschäftigten erhalten bleiben? Oder soll er verlagert werden? Und wenn ja, dann wohin? Wird von den potentiellen Käufern eine Übernahmegarantie für die Beschäftigten gefordert? Was passiert mit den Kolleginnen und Kollegen, die aus persönlichen Gründen nicht in ein neues Unternehmen wechseln wollen? Erhalten diese einen ihren Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatz bei nora?
Gegenwehr vorbereiten
Die Geschäftsführung will, dass alle Beschäftigten „Vertrauen“ haben und den zukünftigen Entwicklungen optimistisch entgegengehen. Wenn sie das ernst meinte, hätte sie schon längst die vorgenannten Fragen beantwortet und würde die Sicherheit der Arbeitsplätze garantieren. Da dies bisher nicht geschehen ist, wird der geplante Verkauf des Schuhbereichs von den Kolleginnen und Kollegen sehr kritisch gesehen und abgelehnt.
Für den Betriebsrat und die zuständige Gewerkschaft IG BCE heißt das: Jetzt muss die Solidarität und das „Wir-Gefühl“ in der Belegschaft gestärkt werden. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um in den anstehenden Auseinandersetzungen den Forderungen des Betriebsrats und der Belegschaft Gehör verschaffen zu können.
Torblockaden sichern Arbeitsplätze
Zur Erinnerung: Im Jahr 2006 sollte die ehemalige Bausysteme KG (der Vorläufer der nora systems GmbH) vom Freudenbergkonzern erstmalig verkauft werden. Wegen der drohenden Vernichtung vieler Arbeitsplätze und der Informationsverweigerung durch die Konzernleitung hatte die Belegschaft damals mit Demonstrationen und Torblockaden erfolgreich den Verkauf an einen Konkurrenten verhindert. Erst nachdem die Konzernleitung beim nächsten angestrebten Verkauf die Forderungen der Belegschaft und des Betriebsrats nach umfassenden Informationen und der langfristigen Absicherung der Arbeitsplätze erfüllt hatte, hatten Belegschaft und Betriebsrat den Verkauf akzeptiert.