Coro­na-Pro­tes­te“

Rech­te Nutznießer?

R. G.

Wem nüt­zen die ‚Coro­na-Pro­tes­te?“ Die­ser Fra­ge sind wir Ende Janu­ar in unse­rem Info­abend nach­ge­gan­gen. Nicht zuletzt, weil in der „Coro­na-Pro­test­be­we­gung“ Reichs­bür­ger­tum, Faschis­mus, reli­giö­ser Fun­da­men­ta­lis­mus und ande­re men­schen­ver­ach­ten­de Strö­mun­gen in vor­ders­ter Rei­he agieren.

Der Refe­rent bot einen gelun­ge­nen Ein­blick in die „Querdenker“-Bewegung seit ihren Anfän­gen im Jahr 2020. Die ursprüng­li­che „Querdenker“-Bewegung und die dar­aus ent­stan­de­ne Par­tei „Wider­stand 2020“ sei­en als orga­ni­sa­to­ri­scher Rah­men geschei­tert und wich­ti­ge Wort­füh­rer ins Aus­land geflo­hen. Heu­te sei die Bewe­gung loka­ler und dadurch akti­ons­fä­hig geblieben.

„Corona-Proteste“ in Mannheim, 27. Dezember 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Coro­na-Pro­tes­te“ in Mann­heim, 27. Dezem­ber 2021. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Im Kern ras­sis­tisch und antisemitisch
Im Kern sei­en die „Querdenker“-Bewegung und wich­ti­ge Akti­ve ras­sis­tisch, anti­se­mi­tisch und reak­tio­när bis offen faschis­tisch. Im Vor­der­grund stün­de der Pro­test gegen die Coro­na- Maß­nah­men. Gleich­zei­tig bie­te die Bewe­gung Raum für viel­fäl­ti­ge Posi­tio­nen und ermög­li­che es damit, sich in ihr wie­der­zu­fin­den. Ob Impf­geg­ner­schaft, für Natur- und Tier­schutz, „Frei­heit“ und „Demo­kra­tie“ oder gegen das „gro­ße Geld“. Fast alles sei mög­lich. Dabei wer­de immer wie­der geschickt auf ras­sis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Vor­ur­tei­le ange­spielt und die­se vertieft.

Eine beson­de­re Bedeu­tung hät­ten von Anfang an rech­te Medi­en­ak­ti­ve gespielt. Sie hät­ten mit unzäh­li­gen Bei­trä­gen über die Aktio­nen infor­miert und dadurch das Gefühl der eige­nen Grö­ße und Bedeu­tung ver­stärkt. Auch wenn die Bewe­gung letzt­end­lich abeb­ben wer­de, sei es der poli­ti­schen Rech­ten gelun­gen, sich zu stär­ken und das „Sag­ba­re“ deut­lich nach rechts zu verschieben.

Ange­sichts die­ser Situa­ti­on müs­se die poli­ti­sche Lin­ke ihre Alter­na­ti­ven zur herr­schen­den Poli­tik dis­ku­tie­ren und die­se ver­öf­fent­li­chen. Dabei müs­se sie auch ihre Hal­tung zu Auf­klä­rung und Wis­sen­schaft sowie zu Anthro­po­so­phie und Eso­te­rik klä­ren. Eine wich­ti­ge Auf­ga­be sei aktu­ell der Schutz der von der „Querdenker“-Bewegung bedroh­ten Menschen.

Rech­te Gefahren …
Die anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on setz­te sich mit den Ursa­chen und der Bedeu­tung der „Anti-Corona“-Bewegung aus­ein­an­der. Ein­heit­lich wur­de die­se als gefähr­lich ein­stuft. Sie radi­ka­li­sie­re sich. Sie stel­le einen mög­li­chen Keim einer faschis­ti­schen Mas­sen­be­we- gung dar. Sie ver­ein­nah­me „lin­ke“ Inhal­te der frü­he­ren Frau­en- und Frie­dens­be­we­gung und ver­bin­de die­se mit der Impf­geg­ner­schaft. Sie sei zwar vor­wie­gend „bür­ger­lich“ geprägt, wir­ke aber ideo­lo­gisch in die Betrie­be und Gewerk­schaf­ten hinein.

Die Ein­schät­zung der an den„Corona-Proteste“Beteiligten war unter­schied­lich. Zwar sei die orga­ni­sier­te Rech­te heu­te stär­ker ver­tre­ten als vor zwei Jah­ren, den­noch müs­se die Bewe­gung dif­fe­ren­ziert betrach­tet wer­den. Nicht alle Demons­trie­ren­den sei­en auch dem faschis­ti­schen Lager zuzurechnen.

Ein Bei­trag ana­ly­sier­te, dass die eigent­li­che Trieb­fe­der der Bewe­gung nicht „Coro­na“ sei. Viel­mehr sei die Bewe­gung Aus­druck der aktu­el­len Kri­sen des glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus und der dadurch ent­ste­hen­den „Bruch­li­ni­en“.

… und lin­ke Chan­cen
Die Dis­kus­si­on über die „Coro­na-Pro­tes­te“ ist letzt­end­lich auch eine über die kapi­ta­lis­ti­schen Kri­sen, die dar­aus resul­tie­ren­den Bedro­hun­gen sowie das Gefühl des ohn­mäch­ti­gen Aus­ge­lie­fert­seins. Sie ist aber auch eine Aus­ein­an­der­set­zung über die aktu­el­le Schwä­che der poli­ti­schen und gewerk­schaft­li­chen Lin­ken. Deren Ant­wor­ten auf die kapi­ta­lis­ti­schen Kri­sen und ihre prak­ti­schen Akti­vi­tä­ten sind zur­zeit offen­sicht­lich wenig glaub­wür­dig und anzie­hend. Nicht zuletzt auf­grund der orga­ni­sa­to­ri­schen und ideo­lo­gi­schen Inte­gra­ti­on der arbei­ten­den Klas­se und der Gewerk­schaf­ten in das kapi­ta­lis­ti­sche System.

Den­noch gibt es Chan­cen und für die­se auch gute Bei­spie­le: Die erfolg­rei­che Kam­pa­gne zur Ent­eig­nung von Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten in Ber­lin, die welt­wei­te Kli­ma­ge­rech­tig­keits­be­we­gung, die gewerk­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen bei Ama­zon, die zahl­lo­sen täg­li­chen Abwehr­kämp­fe in Indus­trie­be­trie­ben, Kran­ken­häu­sern, Wohn­vier­teln, Schu­len, Unis …

Es ist eine der drän­gends­ten Auf­ga­ben der poli­ti­schen und gewerk­schaft­li­chen Lin­ken, sich außer­par­la­men­ta­risch inhalt­lich und prak­tisch zu ver­net­zen. Nur wenn die unter­schied­li­chen sozia­len, öko­lo­gi­schen und poli­ti­schen Kämp­fe in einer gemein­sa­men soli­da­ri­schen Front zusam­men­ge­führt wer­den, las­sen sich der neo­li­be­ra­le Kapi­ta­lis­mus und sei­ne brau­nen Ban­den zurückzudrängen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2022
Tagged , , , . Bookmark the permalink.