Rechte Nutznießer?
R. G.
„Wem nützen die ‚Corona-Proteste?“ Dieser Frage sind wir Ende Januar in unserem Infoabend nachgegangen. Nicht zuletzt, weil in der „Corona-Protestbewegung“ Reichsbürgertum, Faschismus, religiöser Fundamentalismus und andere menschenverachtende Strömungen in vorderster Reihe agieren.
Der Referent bot einen gelungenen Einblick in die „Querdenker“-Bewegung seit ihren Anfängen im Jahr 2020. Die ursprüngliche „Querdenker“-Bewegung und die daraus entstandene Partei „Widerstand 2020“ seien als organisatorischer Rahmen gescheitert und wichtige Wortführer ins Ausland geflohen. Heute sei die Bewegung lokaler und dadurch aktionsfähig geblieben.
Im Kern rassistisch und antisemitisch
Im Kern seien die „Querdenker“-Bewegung und wichtige Aktive rassistisch, antisemitisch und reaktionär bis offen faschistisch. Im Vordergrund stünde der Protest gegen die Corona- Maßnahmen. Gleichzeitig biete die Bewegung Raum für vielfältige Positionen und ermögliche es damit, sich in ihr wiederzufinden. Ob Impfgegnerschaft, für Natur- und Tierschutz, „Freiheit“ und „Demokratie“ oder gegen das „große Geld“. Fast alles sei möglich. Dabei werde immer wieder geschickt auf rassistische und antisemitische Vorurteile angespielt und diese vertieft.
Eine besondere Bedeutung hätten von Anfang an rechte Medienaktive gespielt. Sie hätten mit unzähligen Beiträgen über die Aktionen informiert und dadurch das Gefühl der eigenen Größe und Bedeutung verstärkt. Auch wenn die Bewegung letztendlich abebben werde, sei es der politischen Rechten gelungen, sich zu stärken und das „Sagbare“ deutlich nach rechts zu verschieben.
Angesichts dieser Situation müsse die politische Linke ihre Alternativen zur herrschenden Politik diskutieren und diese veröffentlichen. Dabei müsse sie auch ihre Haltung zu Aufklärung und Wissenschaft sowie zu Anthroposophie und Esoterik klären. Eine wichtige Aufgabe sei aktuell der Schutz der von der „Querdenker“-Bewegung bedrohten Menschen.
Rechte Gefahren …
Die anschließende Diskussion setzte sich mit den Ursachen und der Bedeutung der „Anti-Corona“-Bewegung auseinander. Einheitlich wurde diese als gefährlich einstuft. Sie radikalisiere sich. Sie stelle einen möglichen Keim einer faschistischen Massenbewe- gung dar. Sie vereinnahme „linke“ Inhalte der früheren Frauen- und Friedensbewegung und verbinde diese mit der Impfgegnerschaft. Sie sei zwar vorwiegend „bürgerlich“ geprägt, wirke aber ideologisch in die Betriebe und Gewerkschaften hinein.
Die Einschätzung der an den„Corona-Proteste“Beteiligten war unterschiedlich. Zwar sei die organisierte Rechte heute stärker vertreten als vor zwei Jahren, dennoch müsse die Bewegung differenziert betrachtet werden. Nicht alle Demonstrierenden seien auch dem faschistischen Lager zuzurechnen.
Ein Beitrag analysierte, dass die eigentliche Triebfeder der Bewegung nicht „Corona“ sei. Vielmehr sei die Bewegung Ausdruck der aktuellen Krisen des globalen Kapitalismus und der dadurch entstehenden „Bruchlinien“.
… und linke Chancen
Die Diskussion über die „Corona-Proteste“ ist letztendlich auch eine über die kapitalistischen Krisen, die daraus resultierenden Bedrohungen sowie das Gefühl des ohnmächtigen Ausgeliefertseins. Sie ist aber auch eine Auseinandersetzung über die aktuelle Schwäche der politischen und gewerkschaftlichen Linken. Deren Antworten auf die kapitalistischen Krisen und ihre praktischen Aktivitäten sind zurzeit offensichtlich wenig glaubwürdig und anziehend. Nicht zuletzt aufgrund der organisatorischen und ideologischen Integration der arbeitenden Klasse und der Gewerkschaften in das kapitalistische System.
Dennoch gibt es Chancen und für diese auch gute Beispiele: Die erfolgreiche Kampagne zur Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften in Berlin, die weltweite Klimagerechtigkeitsbewegung, die gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen bei Amazon, die zahllosen täglichen Abwehrkämpfe in Industriebetrieben, Krankenhäusern, Wohnvierteln, Schulen, Unis …
Es ist eine der drängendsten Aufgaben der politischen und gewerkschaftlichen Linken, sich außerparlamentarisch inhaltlich und praktisch zu vernetzen. Nur wenn die unterschiedlichen sozialen, ökologischen und politischen Kämpfe in einer gemeinsamen solidarischen Front zusammengeführt werden, lassen sich der neoliberale Kapitalismus und seine braunen Banden zurückzudrängen.