Raue Zei­ten erfor­dern akti­ve Betriebsräte

Zur Betriebs­rats­wahl 2022 (Teil II)*

U. D.

Hal­ten wir fest: Die Zei­ten inner­halb und außer­halb der Betrie­be sind rau­er gewor­den. Rund 13 Mil­lio­nen sind pre­kär beschäf­tigt. 10 Mil­lio­nen arbei­ten unter­halb der Schwel­le von 12 Euro die Stunde.

In den Betrie­ben wird die Arbeit wei­ter ver­dich­tet und der Erfolgs­druck ste­tig erhöht. Per­ma­nen­te Umstruk­tu­rie­run­gen sowie dro­hen­der oder erleb­ter Per­so­nal­ab­bau erzeu­gen in den Beleg­schaf­ten exis­ten­zi­el­le Ängste.

DGB-Kundgebung am 1. Mai 2021 in Mannheim. (Foto: helmut-roos@web.de.)

DGB-Kund­ge­bung am 1. Mai 2021 in Mann­heim. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Ange­sichts die­ser Ent­wick­lung stellt sich für Akti­ve in den Gewerk­schaf­ten die grund­sätz­li­che Fra­ge, wie man han­deln möch­te. Will man mit „Co-Manage­ment“ das Fir­men­in­ter­es­se nach noch mehr Pro­fit unter­stüt­zen? Will man trotz aller betrieb­li­chen Angrif­fe an der Idee einer Sozi­al- und Betriebs­part­ner­schaft fest­hal­ten? Oder ori­en­tiert man sich aus­schließ­lich an den Inter­es­sen der Beleg­schaft? Tritt man dem betrieb­li­chen Klas­sen­kampf von oben kon­se­quent ent­ge­gen und steht für eine akti­ve, vom Unter­neh­men unab­hän­gi­ge Gewerk­schafts- und Betriebsratsarbeit?

Orga­ni­siert arbeiten
Betriebs(rats)arbeit beginnt nicht erst vor der Wahl. Wer eine akti­ve Arbeit im Betrieb machen will, muss gera­de in der Zeit zwi­schen den Wah­len aktiv und sicht­bar sein. Nur so und im engen Aus­tausch mit Ver­trau­ens­leu­ten und ande­ren Akti­ven kann man sich die not­wen­di­ge Aner­ken­nung erwerben.

Dabei soll­te die prak­ti­sche Arbeit regel­mä­ßig über­prüft und dis­ku­tiert wer­den. Wenn eine Akti­ven-Grup­pe im Betrieb exis­tiert, kann man dort die Dis­kus­si­on füh­ren. Ist man noch allein, soll­te man als ers­tes ver­su­chen, im Betrieb Gleich­ge­sinn­te zu fin­den und einen sta­bi­len Kreis von Akti­ven aufzubauen.

Beson­ders hilf­reich ist eine ört­li­che oder regio­na­le über­be­trieb­li­che Ver­net­zung. So lässt sich von den Erfah­run­gen ande­rer pro­fi­tie­ren und Betriebs­blind­heit verhindern.

Offen sein
Gewerk­schaft­li­che und poli­ti­sche Arbeit im Betrieb soll­te nicht auf den Betriebs­rat redu­ziert wer­den. Auch wenn des­sen Bedeu­tung in den letz­ten Jahr­zehn­ten erheb­lich zuge­nom­men hat, ist die­ser doch nur eine Mög­lich­keit, im Betrieb poli­tisch und gewerk­schaft­lich aktiv zu sein.

Poli­ti­sche Arbeit im Betrieb kann ganz unter­schied­lich aus­se­hen. Es kann dar­um gehen, die Gewerk­schaft, den Ver­trau­ens­leu­te­kör­per oder einen akti­ven Betriebs­rat auf­zu­bau­en. Aber es kann auch bedeu­ten, eine unab­hän­gi­ge Beleg­schafts­grup­pe zu bilden.

Klug han­deln
Je akti­ver und wider­stän­di­ger man ist, je grö­ßer Erfolg und Zuspruch sind, umso mehr wird man als „betrieb­li­che Stö­rung“ wahr­ge­nom­men. In der Fol­ge kann es pas­sie­ren, dass das Unter­neh­men ver­sucht, zu inte­grie­ren, Wah­len zu beein­flus­sen, zu mob­ben oder gar zu kün­di­gen. Dabei ist alles möglich.

Schar­fer Gegen­wind kann auch vom zustän­di­gen Gewerk­schafts­ap­pa­rat kom­men. Will die­ser am „sozi­al­part­ner­schaft­li­chen Mit­ein­an­der“ mit dem Unter­neh­men fest­hal­ten, kann jeg- liche Infra­ge­stel­lung die­ser Poli­tik zu feind­li­chen Reak­tio­nen bis hin zur Ver­wei­ge­rung jeg­li­cher Unter­stüt­zung führen.

Umso wich­ti­ger ist es, die eige­nen Kräf­te nicht in iso­lier­tem und blin­dem Aktio­nis­mus zu ver­aus­ga­ben, son­dern sich gedul­dig zu „ver­an­kern“, mit ande­ren Beschäf­tig­ten gemein­sam zu han­deln und Ver­ein­ze­lung zu vermeiden.

Die Beleg­schaft einbeziehen
Die Mehr­heit der Beschäf­tig­ten ist trotz stei­gen­den Arbeits­drucks „froh“, dass der „Laden gut läuft“. Schließ­lich wis­sen sie, dass mit Arbeits­platz­ver­lust sozia­ler Abstieg und Hartz IV drohen.
Daher sind vie­le emp­fäng­lich für Dro­hun­gen des Unter­neh­mens. Zum Bei­spiel wenn behaup­tet wird, der Betriebs­rat gefähr­de mit sei­ner kon­flikt­ori­en­tier­ten Poli­tik das Unter­neh­men und die Arbeitsplätze.

Dies macht eine inhalt­li­che sowie prak­ti­sche Gegen­stra­te­gie not­wen­dig. Einer­seits soll­ten immer wie­der die gegen­sätz­li­chen Inter­es­sen von Beschäf­tig­ten und Unter­neh­men deut­lich gemacht wer­den. Ande­rer­seits muss dies mit einer beharr­li­chen und kon­ti­nu­ier­li­chen Pra­xis ver­bun­den wer­den, die ver­sucht, die Beleg­schaft für ihre Inter­es­sen zu akti­vie­ren und zu orga­ni­sie­ren. Nur so lässt sich auf Dau­er das vor­han­de­ne Bewusst­sein erfolg­reich verändern.


*[Am 13.November 2021 orga­ni­sier­te die ISO Rhein-Neckar ein Semi­nar zur Vor­be­rei­tung der Betriebs­rats­wah­len 2022. In der vor­lie­gen­den Aus­ga­be von Avan­ti² ver­öf­fent­li­chen wir den zwei­ten Teil des Refe­rats „Har­te Zei­ten for­dern har­te Betriebs­rä­te“. Der ers­te erschien in der Avan­ti² vom Janu­ar 2022.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2022
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