Abtreibung legalisieren – jetzt!
W. F.
Das breite, von mehr als 100 Organisationen unterstützte Bündnis „Abtreibung legalisieren – jetzt“ hatte zu zwei Demonstrationen am 7. Dezember 2024 aufgerufen: in Berlin als Regierungssitz und in Karlsruhe als Sitz des Bundesverfassungsgerichtes (BVG). Das BVG hatte 1993 die vom Bundestag mit knapper Mehrheit beschlossene Fristenregelung einkassiert.
Nachdem die Ampel-Regierung die versprochene Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs verschleppt hatte und erst 2023 eine „Expertenkommission“ einsetzte, kam im Mai 2024 Bewegung in die festgefahrene Lage.
Der aktuelle Hintergrund
Die Kommission schlug eine befristete Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vor. Die Zwangsberatung, bei der ungewollt schwangere Frauen ihre Notlage begründen müssen, sollte entfallen. Sie sollte durch eine freiwillige Beratung ersetzt werden, ebenso sollte die Frist von drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch entfallen.
Die Rahmenbedingungen, z. B. die dann mögliche Kostenübernahme der Abtreibung im Sozialgesetzbuch (SGB), sollten im „Schwangerschaftskonfliktgesetz“ geregelt werden, statt wie bisher im Strafgesetzbuch. Der § 218 sollte entsprechend verändert werden.
Eine Petition des „Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung“ wurde von 100.000 Personen unterzeichnet, die anknüpfend an den Kommissionsvorschlägen die ersatzlose Streichung des § 218 forderten.
Das am 5. Dezember 2024 in den Bundestag von 327 Abgeordneten der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen, Linken und SSW eingebrachte und vom BSW unterstützte Gesetz war im Vergleich zum Kommissionsvorschlag verschlechtert worden: So sollte es z. B. bei der für die Frauen demütigenden Zwangsberatung bleiben.
Ziel dieses Manövers war es, Abgeordnete der CDU/CSU und der FDP zur Zustimmung zu bewegen, um die notwendige Mehrheit zu erreichen. Doch weit gefehlt: Die Redner:innen von Union und FDP lehnten den Entwurf vehement ab. Am 18. Dezember blockierten dann CDU/CSU und FDP seine Weiterbehandlung im Rechtsausschuss.
Druck auf ungewollt Schwangere
Die Lage ungewollt schwangerer Frauen hat sich weiter massiv verschlechtert. Das belegen folgende Fakten:
• Die Zahl der gemeldeten Arztpraxen und Kliniken, die Abbrüche vornehmen (Liste der Bundesärztekammer) ist stark zu rückgegangen. In unserer Region sieht es düster aus: Karlsruhe 2, Mannheim 1, Heidelberg 0.
• Rechte Lebensschützer bedrohten Frauen beim Besuch von Beratungsstellen, Arztpraxen und Kliniken.
• Der § 218 ist auch eine zutiefst soziale Frage: Denn reiche Frau en konnten es sich schon immer leisten, im Ausland abzutreiben.
Während sich an der Demonstration in Berlin ca. 4.000 Menschen beteiligten, waren es bei dem zeitgleichen Protestmarsch in Karlsruhe rund 3.000 Teilnehmer:innen. Letztere kamen – trotz Regenwetters – aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und NRW. Von den Gewerkschaften war leider nur ver.di mit Wortbeiträgen präsent.
In vielen kämpferischen Reden wurde klar gesagt, dass das Ziel die ersatzlose Streichung des § 218 bleiben muss und der im Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf die Lage der ungewollt schwangeren Frauen nur teilweise verbessern würde.
Christina Zacharias vom Klinikum Karlsruhe betonte die Solidarität der in den Kliniken Beschäftigten mit den Forderungen.
Die Demonstration zog zum Bundesverfassungsgericht, wo unter anderem die bekannte Frauenärztin Dr. Kristina Hänel sprach. Danach zog die Demo zurück zum Auftaktplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Der außerparlamentarische Kampf für die ersatzlose Streichung des § 218 und das Recht der Frau auf Selbstbestimmung muss weiter verstärkt werden. Die Aussichten dafür sind nicht so schlecht: Nach einer repräsentativen Befragung des Bundesfamilienministeriums sind 75 % für eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und unterstützen auch die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung wie in Frankreich.