„50 Jahre Putsch in Chile -
Durchbruch des Neoliberalismus“
R. G.
Am 11. September 1973 putschte das Militär in Chile gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende und errichtete eine Militärdiktatur.
Das vorzügliche Einleitungsreferat unseres Referenten stellte den weltpolitischen Hintergrund dieses einschneidenden Geschehens dar. Es verdeutlichte, welche bis heute nachwirkende Bedeutung dieser Putsch für den weltweiten Siegeszug des Neoliberalismus hatte.
Die Regierung Allende
1970 ist der Sozialist Allende zum Präsidenten gewählt worden. Er hat wichtige Industrien und Banken verstaatlicht, eine Bodenreform umgesetzt und zahlreiche sozialpolitische Maßnahmen wie kostenlose Bildung und kostenlose Gesundheits- versorgung durchgeführt.
Allende ist davon überzeugt gewesen, dass das Parlament, die besitzenden Klassen und das Militär gegenüber dieser Politik neutral und loyal bleiben würden. Diesen Irrtum haben er und Zehntausende linker und gewerkschaftlicher Aktiver mit dem Leben bezahlt.
Der Putsch
Nach ihrem Putsch haben die Militärs jeglichen Widerstand unterdrückt. Zehntausende sind verhaftet, interniert, grausam gefoltert und ermordet worden. Tausende haben die Mordbanden der Diktatur „verschwinden lassen“.
Wichtigster ausländischer Drahtzieher war der US-Geheimdienst CIA. Die USA haben nach 1945 auf die Vergrößerung der sowjetischen Einflusszone, die chinesische Revolution 1949 und die Kolonialrevolutionen mit einer aggressiven Außenpolitik reagiert. Ziel ist es gewesen, weltweit und mit allen Mitteln eine weitere Ausbreitung des „Kommunismus“ zu verhindern. Ohne Rücksicht auf Völkerrecht, Demokratie und Menschenrechte haben die USA auf allen Kontinenten Staatstreiche organisiert und unterstützt. Der chilenische Putsch ist ein zentrales Glied in der blutverschmierten Kette dieser imperialistischen Schandtaten gewesen.
Aber auch die BRD und ihr Auslandsgeheimdienst BND sind mitverantwortlich für die damaligen Gräuel gewesen. So ist die deutsche Siedlung Colonia Dignidad und deren mörderische Unterstützung der Diktatur gedeckt worden. Gesuchte Nazi-Verbrecher, darunter vom BND bezahlte Leute, haben die Putschisten bei der Unterdrückung der Opposition mit Folter und Mord „unterstützt“.
Neoliberale „Schocktherapie“
Unmittelbar nach dem Putsch haben die „Chicago Boys“ aus USA der Militärregierung ein neoliberales Programm vorgelegt. Es hat unter anderem Reprivatisierungen sowie die Kürzung und Streichung sozialer Leistungen beinhaltet.
Aufgrund des Verbots von Gewerkschaften und oppositioneller Organisationen sowie der Unterdrückung jeglichen Widerstands ist Chile ein „ideales“ gesellschaftliches Großlabor gewesen. In ihm konnten „ungestört“ neoliberale Ideologien umgesetzt werden. Dass sie sich damit zu Handlangern einer menschenverachtenden Diktatur machten, hat die „Chicago Boys“ keineswegs gestört.
1975 ist die neoliberale Politik nochmals verschärft worden. Nach einem Besuch in Chile hat der neoliberale Vordenker Milton Friedman, General Pinochet eine Schocktherapie für Chile empfohlen. Ihr Inhalt: massive Kürzung des Staatshaushalts, Öffnung Chiles für ausländische „Investoren“, weiterer Abbau von Sozialleistungen. In der Folge hat sich die soziale Lage der arbeitenden Klassen massiv verschlechtert. Die Profite hingegen sind enorm gesteigert worden.
Das ist der gewalttätige Start des neoliberalen Durchbruchs gewesen. Weltweit hat seitdem das Kapital seine Raubzüge verschärft. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre ist zuerst in England unter Thatcher, in den USA unter Reagan und bald danach in anderen Staaten neoliberale Politik umgesetzt worden − nicht zuletzt auch in der BRD.
Bis heute ist der Neoliberalismus die global vorherrschende Ideologie. Er verstärkt soziales Elend und die ungehemmte Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur. Zugleich begünstigt er den Aufstieg autoritärer und faschistischer Bewegungen. In seinem Kern ist er profitorientiert, antidemokratisch und asozial. Darin gleicht er der faschistischen Ideologie.
Breite Diskussion
Die Diskussion behandelte viele historische und tagesaktuelle Themen. So wurden die Folgen neoliberaler Politik wie die globalen Krisen, die Konzentration von Reichtum, der Aufschwung der Rechten und der Ukraine-Krieg diskutiert.
Nicht zuletzt ging es um die Möglichkeiten des Widerstands. Angesichts der aktuellen Stärke autoritärer, rechter Strömungen sowie der Schwäche der Linken und der Gewerkschaften dürften keine kurzfristigen Erfolge erwartet werden. Es gehe zum einen um das Erfahrbarmachen gemeinsamer Stärke im Rahmen konkreter betrieblicher, gewerkschaftlicher, sozialer, feministischer und ökologischer Kämpfe. Zum anderen um die Erneuerung einer gesellschaftlichen Utopie, die demokratisch, egalitär, solidarisch und ökologisch ist.