Kli­ma­kol­laps“ unvermeidlich?

 

N. B.

Ist der „Kli­ma­kol­laps“ noch abzu­wen­den? Wel­che poli­ti­schen, sozia­len, gesell­schaft­li­chen Ant­wor­ten kön­nen und wol­len wir dar­auf geben? Über die­se und wei­te­re Fra­gen dis­ku­tier­ten wir rege bei unse­rem letz­ten Info­abend drei Tage vor Weihnachten.

FFF-Demo in Mannheim, 19. Juli 2019. (Foto: Avanti².)

FFF-Demo in Mann­heim, 19. Juli 2019. (Foto: Avanti².)

Als Dis­kus­si­ons­grund­la­ge dien­te uns ein Arti­kel, der in der Kli­ma­be­we­gung gro­ßen Anklang gefun­den hat. Eine enga­gier­te Akti­vis­tin stell­te uns Jem Ben­del­ls Text „Tie­fen­an­pas­sung“ von 2018 anschau­lich und über­sicht­lich zusam­men- gefasst vor. In Reak­ti­on auf die­sen Arti­kel hat sich unter ande­rem die Bewe­gung „Extinc­tion Rebel­li­on“ gegründet.

Kli­ma­ka­ta­stro­phe und sozia­ler Zusammenbruch
Das Schmel­zen der Ark­tis, der wei­ter­hin stei­gen­de CO2-Aus­stoß, das zuneh­men­de Frei­wer­den von Methan und ande­re phy­si­ka­li­sche Pro­zes­se wer­den laut Ben­dell unse­re Lebens­grund- lagen so ver­än­dern, dass ein gesell­schaft­li­cher Zusam­men­bruch bevor­steht. Er ent­wirft ein Sze­na­rio der Armut, der abso­lu­ten Knapp­heit von Nah­rungs­mit­teln, Trink­was­ser und Strom mit Aus­wir­kun­gen auf Gesund­heit und Gesund­heits­ver­sor­gung, auf Unter­ernäh­rung und Kriege.

Die­se bedroh­li­che Ent­wick­lung führt laut Ben­dell zu der Fra­ge: „Soll ich blei­ben oder soll ich gehen“? In vie­len Tei­len der Welt wird sie durch gro­ße Bevöl­ke­rungs­tei­le ein­deu­tig beant­wor­tet. Die Men­schen flie­hen in benach­bar­te Regio­nen und in ande­re Tei­le der Welt und wer­den dabei von den Herr­schen­den im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes mör­de­risch bekämpft.

Der Rea­li­tät ins Auge schauen
Unse­re Refe­ren­tin beton­te immer wie­der, dass ein zen­tra­les Pro­blem die Ver­drän­gung bezie­hungs­wei­se das Ver­schwei­gen der kata­stro­pha­len Lage durch Wis­sen­schaft und öffent­li­che Dis­kus­si­on sei. Ben­del­ls Text hat ihr zufol­ge ins­be­son­de­re für jun­ge Men­schen eine gro­ße Bedeu­tung erlangt. Der Grund dafür sei, dass er lebens­be­droh­li­che Zukunfts­sze­na­ri­en ehr­lich benen­ne und eine offe­ne Trau­er um all das zulas­se, was bereits ver­lo­ren sei. Fal­sche Hoff­nun­gen könn­ten daher durch radi­ka­le Hoff­nun­gen ersetzt werden.

Radi­ka­le Hoffnungen
Wie jedoch kön­nen die­se aus­se­hen? Ben­dell beschränkt sich in sei­ner Tie­fen­an­pas­sungs­agen­da auf indi­vi­dua­li­sier­te Reak­tio­nen auf die Kli­ma­ka­ta­stro­phe. Die­se schlie­ßen auch spi­ri­tu­ell-eso­te­ri­sche Ansät­ze ein, wel­che für die poli­ti­sche Rech­te anschluss­fä­hig sein kön­nen. In sei­nem dra­ma­ti­schen Bild der nahen Zukunft benennt er sowohl phy­si­ka­li­sche als auch gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen. Wie bei­de mit­ein­an­der zusam­men­hän­gen, lässt er außen vor. Als Sozialist:innen betrach­ten wir genau das jedoch als die zen­tra­le Frage.

Die Kli­ma­ka­ta­stro­phe selbst ist ein Aus­druck des Klas­sen­kamp­fes von oben. Auf bru­tals­te Wei­se zer­stört die Klas­se der Super­rei­chen unse­re Lebens­grund­la­gen. Zudem bekämpft sie skru­pel- los die­je­ni­gen, denen sie bereits die Mög­lich­kei­ten nicht nur eines erfüll­ten, siche­ren Lebens, son­dern auch des blo­ßen Über­le­bens genom­men haben. Die Kli­ma­ka­ta­stro­phe ist nicht ein- fach „men­schen­ge­macht“. Sie ist „pro­fit­ge­macht“ durch die stets wach­sen­de Aus­beu­tung und Unter­wer­fung von Mensch und Natur unter die Pro­fit­in­ter­es­sen der Kapitalistenklasse.

Soli­da­risch in der Klimakatastrophe
Aus die­sem Ver­ständ­nis zie­hen wir Schluss­fol­ge­run­gen, die wir tat­säch­lich als „radi­ka­le Hoff­nung“ und Agen­da bezeich­nen kön­nen. Wie sich die kli­ma­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen wei­ter­ent­wi­ckeln, hängt davon ab, inwie­weit wir es schaf­fen, gesell­schaft­li­che Kräf­te­ver­hält­nis­se zu ver­än­dern. Vie­le kli­ma­ti­sche Pro­zes­se sind momen­tan nicht mehr auf­zu­hal­ten. Das Aus­maß und die Dra­ma­tik sind jedoch nicht abschlie­ßend ent­schie­den. Genau­so wenig ist die Fra­ge end­gül­tig beant­wor­tet, ob sich die klei­ne Grup­pe der Super­rei­chen trotz Kli­ma­ka­ta­stro­phe behaup­ten wird. Es kann den arbei­ten­den und unter­drück­ten Klas­sen immer noch gelin­gen, eine direk­te Demo­kra­tie auf Basis einer soli­da­ri­schen Gesell­schaft und Wirt­schaft durch­zu­set­zen. Dann geht es nicht mehr um Pro­fi­te, son­dern um mensch­li­che Bedürf­nis­se und Schutz der natür­li­chen Lebensgrundlagen.

Der ver­schärf­te Klas­sen­kampf von oben und der sich aus­brei­ten­de krie­ge­ri­sche Mas­sen­mord sind für den destruk­ti­ven glo­ba­len Kapi­ta­lis­mus typi­sche Reak­tio­nen auf die aktu­el­len Kri­sen. Eine soli­da­ri­sche Gesell­schaft kann hin­ge­gen kon­struk­ti­ve Stra­te­gien zum Umgang mit „Natur­ka­ta­stro­phen“ und zur Ver­tei­lung knap­per Güter ent­wi­ckeln und umset­zen. Sie wer­den auf dem Ver­ständ­nis und der Ver­tei­di­gung der unteil­ba­ren Men­schen­rech­te beruhen.

Unse­re Dis­kus­si­on wer­den wir wei­ter­füh­ren, nicht zuletzt auf der bun­des­wei­ten Öko­so­zia­lis­ti­schen Kon­fe­renz der ISO vom 30.05. bis 02.06.2024 und im Vor­feld des 2025 anste­hen­den 18. Welt­kon­gres­ses der IV. Internationale.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Janu­ar 2024
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