ISO-Infoabend zur Bilanz des GDL-Streiks
R. G.
Am 26. März 2024 konnte die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) nach einer harten mehrmonatigen Tarifauseinandersetzung und mehreren Streiks einen Tarifabschluss erzielen.
Das war für uns Grund genug, sich am 24. Mai 2024 im Rahmen eines ISO-Infoabends mit diesem Tarifabschluss auseinanderzusetzen.
Unser Gast und Referent war erneut Danny Grosshans, der 2. stellvertretende Bezirksvorsitzende der GDL Süd-West. Wie von ihm gewohnt berichtete er detailreich und ohne Schönrednerei über den Tarifabschluss sowie über Entwicklungen bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) und beim Schienenverkehr.
„Masterplan Schienenverkehr“
Die DB AG ist Weltmeister des Zerfalls. Bei den wesentlichen Punkten des „Masterplans Schienenverkehr“ (Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Flexibilität, Nachhaltigkeit, Innovation und Zukunftsfähigkeit) ist kein Fortschritt erkennbar.
Solange die Eisenbahn von der Politik stiefmütterlich behandelt wird und Milliarden Euro in Fehlinvestitionen wie zum Beispiel Stuttgart 21 versenkt werden, wird sich daran nichts ändern. Zudem der DB-Vorstand seinen Kurs weltweiter Investitionen nicht konsequent beendet und sich stattdessen auf seine Kernaufgabe, den Bahnverkehr in Deutschland, konzentriert.
GDL-Tarifgeschichte
Die GDL hat in den letzten 20 Jahren das Thema Arbeitszeitverkürzung immer wieder aufgegriffen. Der Grund dafür ist, dass die Eisennbahner:innen durch die spezifische Schichtarbeit extrem belastet waren und immer noch sind. Gearbeitet wurde in einer 6-Tage-Woche, und „auswärtige“ Übernachtungen waren üblich. Diese galten als Freizeit und wurden nicht vergütet. 2017 konnte die GDL bereits die 38-Stundenwoche, bessere Schichtpläne und Zuschläge für Auswärtsübernachtungen durchsetzen.
Der jetzige Tarifabschluss ist ein Kompromiss. Die GDL hat mehr gefordert als sie erreicht hat. Statt 555 Euro für 12 Monate hat sie 420 Euro in zwei Stufen mit einer Laufzeit von 26 Monaten plus einer Inflationsausgleichsprämie abgeschlossen. Aber sie konnte gegen den Widerstand des DB-Vorstands die schrittweise Einführung der 35-Stundenwoche und einen Schritt in Richtung wirklicher Fünftagewoche durchsetzen.
Notwendig waren dafür rund 300 Streikstunden bei der DB AG. Diese Streiks, die trotz Streikgeld der GDL mit erheblichen Einkommenseinbußen für die Streikenden verbunden waren, hätten von der DB vermieden werden können. Aber die DB AG hatte weitere Arbeitszeitverkürzungen grundsätzlich abgelehnt. Dabei waren Arbeitszeitverkürzungen seitens der GDL mit zahlreichen anderen privaten Bahnunternehmen bereits vereinbart worden.
Bei der Bewertung des Abschlusses muss auch berücksichtigt werden, was von den Forderungen der DB AG abgewehrt werden konnte. Die DB AG wollte „Arbeitszyklen“. Das heißt 10 Tage arbeiten und 4 Tage frei. Die DB AG wollte multifunktionale Lokführer:innen und so die Wagenmeister ersetzen. Die DB wollte die Dispositionszeiten ausweiten. Die DB wollte schichtplanbedingte Unterzeiten mit Überstunden verrechnen.
Natürlich gibt es für die GDL noch offene Punkte. So ist es nicht gelungen, für DB-Netz Tarifverträge durchzusetzen. Dies ist ein Thema für die kommenden Jahre. Allerdings müssen sich dafür in diesem Bereich mehr Kolleg:innen organisieren und aktiv engagieren.
Spannende Diskussion
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden neben dem Tarifabschluss Themen wie das Tarifeinheitsgesetz, die Verkehrswende, die Bahnpolitik und nicht zuletzt die große Bedeutung aktiver, kämp- ferischer Gewerkschaften wie der GDL angesprochen.
Auf die Frage, ob es in den eigenen Reihen auch Kritik am Abschluss gegeben habe, erklärte Danny Grosshans, dass der Verzicht auf freie Tage kritisch gesehen werde. Und natürlich seien die Beschäftigten der Infrastruktur unzufrieden, weil es für sie keinen Tarifvertrag gab. Doch dies werde sich nur ändern lassen, wenn aus diesem Bereich noch mehr Engagement kommen würde. Eine Friedenspflicht für diesen Bereich gibt es nicht. Insofern ist vieles möglich.
Schließlich wurde auch das Thema Verkehrswende und Schienenverkehr diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass eine Politik notwendig ist, die sich klar für die Bahn ausspricht, Regionalstrecken ausbaut und in die Infrastruktur investiert. Ein Diskussionsbeitrag machte deutlich, dass es bei der Bahn einen solchen Kurswechsel nur geben wird, wenn es einer breiten demokratischen Bewegung gelingt, auf Parteien, politisch Verantwortliche und die Bahnunternehmen massiven politischen Druck auszuüben.