Raue Zei­ten erfor­dern akti­ve Betriebsräte

Zur Betriebs­rats­wahl 2022 (Teil III)*

U. D.

Lei­der gibt es immer noch Betriebs­rä­te, die nur vor der Betriebs­rats­wahl aus ihrer Pas­si­vi­tät erwa­chen. Wer eine akti­ve und akti­vie­ren­de Gewerk­schafts- und Betriebs­rats­ar­beit machen will, darf ein sol­ches Ver­hal­ten nicht akzep­tie­ren. Wer Enga­ge­ment for­dert, muss im Rah­men sei­ner Kräf­te auch selbst aktiv werden.

Nur wer kon­ti­nu­ier­lich sicht­bar und ansprech­bar ist, kann auf Dau­er über­zeu­gen und Unter­stüt­zung in der Beleg­schaft fin­den. Das Ein­tre­ten für eine kla­re Posi­ti­on der Gegen­macht wird nur glaub­wür­dig, wenn Betriebs­rä­te sich für ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ein­set­zen und kei­ne Kon­flik­te scheu­en. Ele­men­tar ist dabei, immer die Beleg­schaft ein­zu­be­zie­hen, zu infor­mie­ren und zu organisieren.

Kundgebung bei Bombardier Mannheim, 16. Juli 2020. (helmut-roos@web.de.)

Kund­ge­bung bei Bom­bar­dier Mann­heim, 16. Juli 2020. (helmut-roos@web.de.)

Stra­te­gisch vorgehen
Die meis­ten Men­schen schmie­den Plä­ne, ver­fol­gen Zie­le und berei­ten ihre Akti­vi­tä­ten vor. Auch Unter­neh­men tun das, um schnel­ler oder mehr zu pro­du­zie­ren und ihre Pro­fi­te zu steigern.

Umso erstaun­li­cher ist es, dass vie­le Betriebs­rä­te ihre Arbeit nicht pla­nen. Sie defi­nie­ren kei­ne Zie­le, küm­mern sich „nur“ um die unmit­tel­bar anfal­len­den Pro­ble­me oder um das, was „ihr“ Unter­neh­men ihnen vor­legt. Mit einer stra­te­gi­schen Betriebs­ar­beit hat dies nichts zu tun.

Aber ange­sichts der rea­len Unter­neh­mer­macht hat die Fest­le­gung von Zie­len und eine gute Arbeits­pla­nung für Betriebs­rats­ar­beit eine zen­tra­le Bedeu­tung. Nur so kann man „Kurs hal­ten“ und dem betrieb­li­chen Hams­ter­rad entkommen.

Gut pla­nen
Auch vor der Betriebs­rats­wahl ist eine gute Pla­nung wich­tig, um die eige­ne Wahl­vor­be­rei­tung nicht dem Zufall zu über­las­sen. Trotz aller Unter­schie­de gibt es dabei Punk­te, die in allen Betrie­ben beach­tet wer­den sollten.

1. Die Wah­len kön­nen genutzt wer­den, um eine Akti­ven­grup­pe auf­zu­bau­en bzw. die­se zu vergrößern.

2. „Geeig­ne­te“ Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen wer­den früh­zei­tig auf eine Kan­di­da­tur angesprochen.

3. In regel­mä­ßi­gen Tref­fen der Akti­ven­grup­pe wer­den die Wahl- Akti­vi­tä­ten gemein­sam geplant und die Umset­zung überprüft.

4. Der Akti­ons­plan ent­hält die bis zum Wahl­ter­min anste­hen­den Akti­vi­tä­ten. Dabei wird das Was, Wie, Wann und Wer so kon­kret als mög­lich beschrieben.

5. Öffent­lich­keits­ar­beit und Wahl­wer­bung soll­ten Teil der Pla nung sein. Zum Bei­spiel Abtei­lungs­be­su­che und Ein­zel­ge sprä­che, Betriebs- und Abtei­lungs­ver­samm­lun­gen, Dis­kus- sio­nen mit der Beleg­schaft, mit Ver­trau­ens­leu­ten und Be triebs­rä­ten, Erstel­lung von Flug­blät­tern, T-Shirts und Buttons.

6. Es wird ein „Wahl­pro­gramm“ erstellt, das in kur­zen Sät­zen die eige­nen Posi­tio­nen und Zie­le beschreibt.

7. Die betrieb­li­che Situa­ti­on und die eige­ne Kraft müs­sen ehr­lich beur­teilt wer­den, um die vor­han­de­nen Mög­lich­kei­ten rea­lis tisch ein­zu­schät­zen und sich nicht „auf­zu­rei­ben“.

8. Gera­de in klei­ne­ren und mitt­le­ren Betrie­ben bie­tet eine Per sön­lich­keits­wahl den Beschäf­tig­ten die größ­ten Ein­fluss­mög­lich­kei­ten. Wenn man sich trotz­dem für eine Lis­ten­wahl ent­schei­det, muss dies gut begrün­det und ver­mit­tel­bar sein. Unab­hän­gig davon, ob es zur Per­sön­lich­keits- oder Lis­ten­wahl kommt, wirbt man für sich, die eige­nen Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten bzw. die eige­ne Liste.

Lang­fris­tig denken
Ein Betriebs­rat kann nicht allei­ne die Welt ändern oder die gewerk­schaft­li­che und poli­ti­sche Orga­ni­sie­rung der arbei­ten­den Klas­se erset­zen. Aber es ist ein Unter­schied, ob Betriebs­rä­te sozi­al­part­ner­schaft­li­ches „Co-Manage­ment“ wol­len oder aus­schließ­lich im Sin­ne der Beleg­schafts­in­ter­es­sen aktiv sind.

Ein bewuss­ter und akti­ver Betriebs­rat kann einen wich­ti­gen Bei­trag leis­ten, um die betrieb­li­chen Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern, das inner­be­trieb­li­che Kräf­te­ver­hält­nis zu Guns­ten der Beschäf­tig­ten zu ändern und Klas­sen­be­wusst­sein in der Beleg­schaft zu entwickeln.

Alles das sind Grün­de genug, um Betriebs­rats­tä­tig­keit als einen wich­ti­gen Teil gesell­schafts­po­li­ti­schen Enga­ge­ments im Betrieb zu ver­ste­hen und die Betriebs­rats­wah­len gut und ernst­haft vorzubereiten.


* [Am 13.11.2021 führ­te die ISO Rhein-Neckar ein Semi­nar zur Vor­be­rei­tung der Betriebs­rats­wah­len 2022 durch. Wir berich­te­ten in Avan­ti² von Dezem­ber 2021. In die­ser Avan­ti² ver­öf­fent­li­chen wir den drit­ten und letz­ten Teil des Refe­rats „Har­te Zei­ten for­dern har­te Betriebs­rä­te“. Der ers­te Teil erschien in Avan­ti² von Janu­ar 2022, der zwei­te Teil  in Avan­ti² von Febru­ar 2022.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2022
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