ISO-Infoabend am 7. Oktober 2022
R. G.
Unter diesem Titel hatte die ISO-Rhein-Neckar am 7. Oktober 2022 kurzfristig einen Infoabend organisiert. Anlass war die demokratische Revolte im Iran, die sich offen gegen die Mullah-Diktatur richtet. Auslöser dieser Erhebung war der Tod der kurdischen Iranerin Mahsa Amini am 16. September 2022. Sie war entgegen der Behauptungen des Mullah-Regimes Opfer der Gewalt der iranischen „Sittenpolizei“ geworden.
In seinem Vortrag stellte unser Referent, der selbst vor mehr als zehn Jahren aus dem Iran fliehen musste, die aktuelle Revolte in den Zusammenhang mit der iranischen Geschichte der letzten hundert Jahre.
Die Revolte als Teil der Geschichte
Die Revolte habe genau betrachtet im Jahre 2017 begonnen. Ihre Ursache sei nicht allein die Ermordung der jungen Iranerin. Vielmehr sei sie Ausdruck einer umfassenden wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Krise, die zu einem dramatischen Vertrauensverlust des Regimes geführt habe.
Im Iran habe es schon sehr lange Klassenkämpfe gegeben. Bereits Anfang des 20. Jahrhundert wurde im Rahmen der Entwicklung des Kapitalismus mit der Konstitutionellen Revolution der erste Versuch unternommen, eine demokratische Republik zu gründen. Dieser Versuch sei gescheitert. Stattdessen hätten sich reaktionäre Kräfte durchsetzen können. In der Folge sei die Schah-Diktatur entstanden, die erst mit der Revolution von 1979 gestürzt werden konnte.
Fehlendes Bewusstsein
Aber auch die Revolution von 1979 habe in einer Niederlage der proletarischen Bewegungen und der linken Kräfte geendet. Die arbeitende Klasse habe diese Revolution zwar begonnen, sei am Ende aber nicht in der Lage gewesen, die Macht zu übernehmen.
Vielmehr sei es den Mullahs gelungen, das politische Vakuum zu füllen und eine islamische Diktatur zu errichten. Dabei hätten die Mullahs den vom Irak begonnenen Krieg (1980 – 1988) innenpolitisch nutzen können, um die Opposition zu unterdrücken und ihre Herrschaft zu festigen.
Der wesentliche Grund für alle diese Niederlagen sei das unzureichende politische Bewusstsein der arbeitenden Klasse in Iran. Dies sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass reaktionäre Kräfte immer wieder die politische Macht erringen konnten.
40 Jahre Mullah-Diktatur
Das Mullah-Regime habe seine Macht mit Gewalt und Repression verteidigt. Darüber hinaus habe es ein neoliberales Wirtschaftsprogramm mit Privatisierungen und Angriffen auf soziale Errungenschaften durchgesetzt. Diese Politik habe immer wieder große Protestwellen ausgelöst. Auch die jetzige Revolte müsse in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Im Unterschied zu früheren Revolten, sei die jetzige dynamischer und radikaler. In einigen Gebieten seien räteähnliche Strukturen aufgebaut worden und man setze sich aktiv gegen die Repressionsorgane zur Wehr. Inzwischen habe die Revolte sogar Städte erfasst, die bislang islamische Hochburgen gewesen seien.
Der weitere Verlauf lasse sich nicht vorhersagen, aber es gäbe nur zwei Möglichkeiten: Sieg oder Niederlage. Wobei eine Niederlage zu einer massiven Repressionswelle mit Verhaftungen, Folterungen und Ermordungen führen würde.
Breite Diskussion
Auf das Referat folgten zahlreiche Fragen und Diskussionsbeiträge. Dabei wurden sehr unterschiedliche Themen angesprochen: Die Lage der Frauen und deren besondere und mehrfache Unterdrückung als Frau und als Arbeiterin, die Bedeutung der politischen Linken im Iran und deren politischer Einfluss und nicht zuletzt, inwiefern der westliche Imperialismus versuchen könnte, politischen Einfluss auf die Entwicklung im Iran zu nehmen.
Aufgrund der Fülle der Beiträge und der begrenzten Zeit konnten nicht alle Themen intensiv diskutiert werden. Auch nicht die spezielle, aber wichtige Frage, ob die islamische Mullah-Diktatur als faschistisch charakterisiert werden kann.
Solidarität organisieren
Die Teilnehmenden zeigten sich beeindruckt von der Revolte im Iran und dem Mut der Menschen, insbesondere dem der Frauen. Dies ist sicherlich eine gute Motivation, um überall, wo man lebt, lernt und arbeitet, politische Solidarität und materielle Unterstützung zu organisieren.