Mit Berufsverboten „mehr Demokratie wagen“?
M. G.
Der „Radikalenerlass“ der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung unter Willy Brandt („Mehr Demokratie wagen!“) trat am 28. Januar 1972 in Kraft.
Angeblich war dieser Erlass gegen „Radikale von links wie rechts“ gerichtet. Er traf aber fast auschließlich sich als links verstehende Aktivistinnen und Aktivisten unterschiedlichster Couleur.
Vor allem Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst waren von diesem bald als Berufsverbote bezeichneten Vorgehen direkt betroffen.
Grundlage für die Einstufung als „Verfassungsfeind“ war die Bespitzelung durch den „Verfassungsschutz“ im Bund und in den Ländern. Es gelang den Regierenden damit, ein Klima der Angst zu verbreiten und demokratisches oder gar gesellschaftskritisches Engagement massiv einzudämmen.
1985 erfolgte endlich die endgültige Abschaffung der sogenannten Regelanfrage beim „Verfassungsschutz“, in Bayern sogar erst fünf Jahre später.
Bundesweit sind insgesamt 3,5 Millionen Menschen auf ihre „Verfassungstreue“ überprüft worden. Es ist von 11.000 offiziellen Berufsverbotsverfahren und von 2.200 Disziplinarverfahren auszugehen. 1.250 überwiegend als „linksextrem“ eingestufte Personen wurde der Zugang zum Staatsdienst verwehrt, 265 vom Berufsverbot Betroffene wurden daraus sogar entlassen.
Eines der ersten Opfer des „Radikalenerlasses“ war übrigens unser Genosse Ernest Mandel − Widerstandskämpfer, KZ-Häftling und führendes Mitglied der IV. Internationale. Ihm wurde Ende Februar 1972 nicht nur die Einreise in die BRD, sondern auch die Aufnahme seiner Tätigkeit als Professor an der Freien Universität (West-)Berlin verweigert.
Es ist völlig unakzeptabel, dass die Rehabilitierung und die Entschädigung der durch die Berufsverbote geschädigten Menschen auch 50 Jahre später immer noch ausstehen. Ergänzt wird dieser Skandal dadurch, dass es immer noch Versuche gibt, linke Aktivisten wie den Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy einzuschüchtern und zu kriminalisieren (weitere Infos hier).