„Heißer Herbst“ 1969 in Italien
M. G.
Bereits im Herbst 1968 kam es in italienischen Großbetrieben zu wilden Streiks. Sie richteten sich vor allem gegen die zunehmende Arbeitshetze. Dieser „Leistungsstreik“ fand zunächst unter Kontrolle der KP-nahen Gewerkschaft FIOM-CGIL statt. Sein Ziel war es, Produktionsabläufe zu verlangsamen.
Statt die anfangs aktive Beteiligung der KollegInnen weiter zu fördern und die ArbeiterInnenkontrolle auszubauen, setzte der Gewerkschaftsapparat auf Stellvertreterpolitik. Er verhinderte dadurch, dass die selbst gesteckten Ziele erreicht werden konnten.
Im Frühjahr 1969 legten die Turiner FIAT-ArbeiterInnen erneut die Arbeit nieder. Anlass ihres Protests war die blutige Unterdrückung sozialer Unruhen im süditalienischen Battipaglia. Dies löste eine breite Solidaritätsbewegung in ganzen Land aus, den sogenannten roten oder schleichenden Mai.
Die Arbeiterbasis nahm nun das Heft des Handelns direkt in die Hand. Schon 1968 hatten sich in vielen Betrieben Einheitliche Basiskomitees (CUB) herausgebildet, die sich 1969 in ein nahezu landesweit verbreitetes Netz von Fabrikdelegierten umwandelten.
Die Delegierten wurden in Vollversammlungen gewählt und waren jederzeit wieder abwählbar. Aus ihnen setzen sich damals auch die Streikleitungen zusammen. Vor den Großbetrieben fanden jede Woche öffentliche Vollversammlungen statt, damit auch andere Menschen daran teilnehmen konnten.
Ihren Gipfel erreichte die Bewegung im Herbst 1969. Auslöser dieses „Heißen Herbsts“ war ein spontaner Streik für die Umsetzung der vereinbarten innerbetrieblichen Aufstiegsregelungen. Er begann im Turiner FIAT-Werk am 2. September und dauerte mehrere Monate, bis im Dezember die Kapitalseite deutliche Zugeständnisse machte.
Es war für die zugespitze Lage kennzeichnend, dass der Gewerkschaftsapparat sich dieser Basisbewegung mit direkter Demokratie nicht offen entgegenstellte, sondern sie ab 1970 in das neue System der Fabrikräte zu integrieren versuchte. Die Welle massiver Klassenkämpfe, an der sich Millionen Menschen beteiligt hatten, ebbte Anfang der 1970er Jahre ab.