Wei­te­re Kund­ge­bung gegen Preistreiberei

Infla­ti­on ist Ver­stoß gegen die Menschenwürde“

 

E. B.

Am Diens­tag den, 13. Juni 2023, fand auf dem Mann­hei­mer Para­de­platz die sechs­te Kund­ge­bung des Akti­ons­bünd­nis­ses „Soli­da­ri­tät statt Preis­trei­be­rei!“ in die­sem Jahr statt.

Kundgebung gegen Preistreiberei in Mannheim, 13. Juni 2023. (Foto: Avanti²-)

Kund­ge­bung gegen Preis­trei­be­rei in Mann­heim, 13. Juni 2023. (Foto: Avanti²-)

Meh­re­re kur­ze Rede­bei­trä­ge beleuch­te­ten die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen beim Infla­ti­ons­ge­sche­hen und die schwer­wie­gen­den Fol­gen für die wei­ter zuneh­men­de sozia­le Spal­tung der Klassengesellschaft.

Ein zen­tra­ler Punkt wur­de bei der Akti­on gegen Preis­trei­be­rei beson­ders her­aus­ge­stellt. Die Teue­rung ist noch lan­ge nicht been­det. Nach Ein­schät­zung des Deut­schen Insti­tuts für Wirt­schafts­for­schung (DIW) soll sich die Bevöl­ke­rung für „die nächs­ten fünf bis zehn Jah­re“ wei­ter auf hohe Infla­ti­ons­ra­ten einstellen.

Aus­höh­lung des Grundgesetzes
Ein zwei­tes wich­ti­ges The­ma der Kund­ge­bung war die beschleu­nig­te wei­te­re Aus­höh­lung des Grund­ge­set­zes (GG). Die Bun­des­re­pu­blik ist laut GG ein „sozia­ler und demo­kra­ti­scher Rechts­staat“ mit garan­tier­ten Grund­rech­ten und der Ver­pflich­tung zur Ach­tung der Menschenrechte.

In der Rea­li­tät sieht es jedoch mit der Ach­tung unse­rer Grund- und Men­schen­rech­te laut Grund­rech­te-Report 2023 gar nicht gut aus.

Das zeigt sich auch am Bei­spiel der Teue­rung. Von ihr sind haupt­säch­lich ein­kom­mens­ar­me und „armuts­ge­fähr­de­te“ Per­so-nen­grup­pen betrof­fen, weil ihnen im Unter­schied zu Wohl­ha­ben­den finan­zi­el­le Rück­la­gen fehlen.

Für Men­schen mit sehr nied­ri­gen Ein­kom­men ist die Infla­ti­on ver­hee­rend. Ange­sichts der anhal­ten­den Preis­stei­ge­run­gen reicht das Geld aus der Grund­si­che­rung nicht aus, um das Exis­tenz­mi­ni­mum zu sichern.

Das sei ein Ver­stoß gegen die Men­schen­wür­de, die im Grund­ge­setz gleich an ers­ter Stel­le garan­tiert wird, befin­det die Juris­tin Sahra Lin­coln von der Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te. „Wenn immer mehr Men­schen ver­ar­men, wäh­rend eini­ge weni­ge immer rei­cher wer­den, steht das in Kon­flikt mit dem Sozi­al­staats­ge­bot und dem Schutz der Wür­de der Betrof­fe­nen“, ist im Vor­wort des Grund­rech­te-Reports 2023 zu lesen.

Wei­te­rer Real­lohn­ab­bau?
Eine drit­te bedeu­ten­de Fra­ge wur­de bei der Akti­on am Para­de­platz ange­spro­chen: die wei­te­re Absen­kung der Real­löh­ne. Zwar konn­ten die Tarif­ab­schlüs­se der letz­ten Mona­te die Ver­lus­te abschwä­chen, aber im ers­ten Quar­tal 2023 sind sie im Ver­gleich zum Vor­jah­res­zeit­raum erneut gesun­ken – um 2,3 %. Zumin­dest teilt die­se Zahl das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt mit, das aller­dings zuvor die Berech­nungs­rund­la­gen geän­dert hatte.

Bis Ende 2024 wer­den die Prei­se vor­aus­sicht­lich annä­hernd 20 Pro­zent höher sein als noch 2020. Die Löh­ne stei­gen aber nur um 14 Pro­zent. Die Real­löh­ne schrump­fen also um sechs Prozent.

Ent­schei­dend wird sein, wie die Gewerk­schaf­ten mit die­ser Lage umge­hen. Die letz­ten Tarif­aus­ein­an­der­set­zun­gen haben nach Ansicht der Akti­ven des Akti­ons­bünd­nis­ses ganz klar gezeigt: Die Zei­ten „sozi­al­part­ner­schaft­lich“ geführ­ter Tarif­ver­hand­lun­gen soll­ten vor­bei sein.

Offen­si­ve Tarifbewegungen
Nur offen­si­ve Tarif­be­we­gun­gen mit Urab­stim­mung und gut orga­ni­sier­ten Streiks brin­gen einen Infla­ti­ons­aus­gleich. Dabei gilt, dass Fest­geld­for­de­run­gen unab­ding­bar sind, um die weit aus­ein­an­der­klaf­fen­de Sche­re zwi­schen nied­ri­gen und hohen Ent­gelt­grup­pen wie­der schlie­ßen zu können.

Ins­be­son­de­re müs­sen sich die Gewerk­schaf­ten schnell von ihrem Tarif-Klein-Klein ver­ab­schie­den und mög­lichst gemein­sam strei­ken. Der par­al­le­le „Ver­kehrs-Streik“ von EVG und ver.di im Früh­jahr hat eine Ahnung davon gege­ben, wel­ches Kräf­te­po­ten­zi­al dann ent­fal­tet wer­den kann.

Ein wich­ti­ges Anlie­gen des Akti­ons­bünd­nis­ses soll nicht unter­schla­gen wer­den. Es ist höchs­te Zeit, sich auch hier­zu­lan­de für einen auto­ma­ti­schen Infla­ti­ons­aus­gleich ähn­lich wie in Bel­gi­en oder Luxem­burg stark zu machen.

Aller­dings wer­den die Ver­tre­ter des Kapi­tals – und in ihrem Wind­schat­ten die erstar­ken­den faschis­ti­schen Kräf­te – nicht taten­los Redu­zie­run­gen ihrer Pro­fi­te hin­neh­men. Das ist kei­nes­wegs nur eine wirt­schaft­li­che, son­dern eine emi­nent poli­ti­sche Fra­ge. Dar­auf müs­sen sich Gewerk­schaf­ten, Lin­ke und sozia­le Bewe­gun­gen einstellen.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli / August 2023
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