Wei­te­rer Aus­bau der Fes­tung Europa

Was tun gegen die zuneh­men­de Aus­höh­lung des Rechts auf Asyl?

 

Der EU-Rat hat sich am 8. Juni 2023 auf einen Vor­schlag zur wei­te­ren Aus­he­be­lung des Asyl­rechts geei­nigt. Er soll dem Euro­päi­schen Par­la­ment zur Befas­sung und Abstim­mung vor­ge­legt wer­den Über die Plä­ne der EU und Pro­tes­te dage­gen sprach Avan­ti² mit der See­brü­cke Mannheim.*

Kundgebung Seebrücke in Mannheim, 23. Mai 2020. (Foto: Avanti².)

Kund­ge­bung See­brü­cke in Mann­heim, 23. Mai 2020. (Foto: Avanti².)

Was sind die zen­tra­len Ände­run­gen, die in dem Vor­schlag ange­dacht sind?
Die neue „Reform zum Gesamt­eu­ro­päi­schen Asylsystem“*(GEAS) bedeu­tet im Kern, dass die Auf­nah­me­ver­fah­ren in Lagern an den EU-Außen­gren­zen statt­fin­den sol­len. Wir müs­sen damit rech­nen, dass Schutz­su­chen­de unter Haft­be­din­gun­gen mas­sen­haft abge­fer­tigt werden.

Dabei wird die inhalt­li­che Prü­fung der Flucht­grün­de in den Hin­ter­grund rücken. In ers­ter Linie beschränkt sich das Ver­fah­ren auf die Fra­ge, ob ein Asyl­an­trag als unzu­läs­sig abge­wie­sen wer­den kann oder nicht. Das ist immer dann der Fall, wenn die schutz­su­chen­de Per­son über einen angeb­lich „siche­ren Dritt­staat“ in die EU geflo­hen ist. So kann eine geflüch­te­te Per­son aus Syri­en in die Tür­kei zurück­ge­scho­ben wer­den, wenn sie sich dort wäh­rend ihrer Flucht kurz auf­ge­hal­ten hat. Par­al­lel dazu sol­len die Kri­te­ri­en, wann ein Staat als sicher gilt, wei­ter her­un­ter­ge­schraubt werden.

Was bedeu­tet das ganz kon­kret für Men­schen auf der Flucht?
Men­schen wer­den gezwun­gen, immer gefähr­li­che­re Rou­ten zu neh­men, um die neu­en ver­meint­lich „siche­ren Dritt­staa­ten“ zu umge­hen. Das kann und wird sie zum Bei­spiel über den Atlan­tik füh­ren. Trotz der muti­gen Arbeit von zivi­len Orga­ni­sa­tio­nen zur See­not­ret­tung sind im Mit­tel­meer seit 2014 bis heu­te min­des­tens 26.832 Geflüch­te­te ertrun­ken. Die Dun­kel­zif­fer ist extrem hoch. Doch die Rou­te über den Atlan­tik ist noch gefährlicher.

Für Men­schen, deren Asyl­an­trag bewil­ligt wird, wur­de eine gerech­te und soli­da­ri­sche Ver­tei­lung auf alle EU-Län­der ver­spro­chen, aber nach den neu­en Rege­lun­gen kön­nen sich Staa­ten „frei­kau­fen“, anstatt Men­schen aufzunehmen.

Wes­halb wol­len die EU-Staa­ten mit den wei­te­ren Restrik­tio­nen das eigens ein­ge­führ­te Asyl­recht wei­ter abschaffen?
Die Ver­ant­wort­li­chen schaf­fen es nicht, ein soli­da­ri­sches Auf­nah­me­sys­tem auf­zu­bau­en, und beu­gen sich dem Druck der Rechtspopulist:innen und Faschist:innen. Es braucht jetzt eine soli­da­ri­sche Gegen­be­we­gung, die deut­lich macht, dass wir die Unter­gra­bung des Rechts auf Asyl nicht mittragen!

Da bewegt sich ja bereits etwas. Wer sind die Akteu­re der aktu­el­len Pro­tes­te, und was braucht es Eurer Ansicht nach, um unse­re unge­bro­che­ne Soli­da­ri­tät mit flüch­ten­den und geflüch­te­ten Men­schen zu zeigen?
Ein Bestand­teil des Wider­stands sind ver­schie­de­ne Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und Men­schen, die sich der Ver­ant­wor­tung des glo­ba­len Nor­dens für die Flucht­ur­sa­chen bewusst sind. Sie set­zen sich dafür ein, dass Men­schen­rech­te für ALLE gelten.

Des Wei­te­ren leis­ten zum Bei­spiel See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und ande­re Grup­pen Enga­gier­ter Unter­stüt­zung für Men­schen, die aus See­not geret­tet wer­den, und für ankom­men­de Men­schen, die an den EU-Außen- wie Innen­gren­zen Schutz suchen.

Ein­zel­ne Grup­pen machen ille­ga­le „Push-Backs“ trans­pa­rent, also gewalt­sa­mes Zurück­drän­gen an den EU-Gren­zen. Sie ver­su­chen, die Ver­ant­wort­li­chen zur Rechen­schaft zu zie­hen. Durch unab­hän­gi­ge Unter­su­chun­gen und Öffent­lich­keits­ar­beit tre­ten sie für die Wah­rung der Men­schen­rech­te ins­be­son­de­re an den EU-Außen­gren­zen ein.

So gibt es inner­halb der EU vie­le Akteur:innen und Bünd­nis­se, die sich für eine siche­re Auf­nah­me und Teil­ha­be der Men­schen in ihren Städ­ten ein­setz­ten. Wir sehen, es gibt sie, die soli­da­ri­sche Zivil­be­völ­ke­rung. Es ist jetzt not­wen­dig, dass wir uns noch bes­ser ver­net­zen, orga­ni­sie­ren und gemein­sam Druck auf­bau­en. Zudem müs­sen wir auch unse­re gewähl­ten Ver­tre­tun­gen in die Ver­ant­wor­tung zie­hen. Schreibt Euren EU-Abgeordneten!

Das Unter­gra­ben des Rechts auf Asyl, das Bre­chen der Wahl- und Koali­ti­ons­ver­spre­chen, aber beson­ders die rie­si­ge Dis­kre­panz zwi­schen Men­schen­recht, bis­he­ri­gem Recht und neu­er „Asyl­re­form“ dür­fen nicht hin­ge­nom­men wer­den. Des­we­gen müs­sen alle Hebel in Bewe­gung gesetzt wer­den, um die „Reform“ noch aufzuhalten.

Und falls die „Reform“ vom EU-Par­la­ment gebil­ligt wer­den soll­te, muss geklagt wer­den, denn sie ver­stößt gegen die von der EU rati­fi­zier­te Gen­fer Flüchtlingskonvention.

Wir brau­chen eine Poli­tik, die sich nicht den Rech­ten beugt. Son­dern eine Poli­tik, die die Men­schen und nicht das Kapi­tal in den Mit­tel­punkt stellt!

* [Die Fra­gen für Avan­ti² stell­te N. B. am 22. Juni 2023.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juli / August 2023
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