Zum Wie­der­auf­le­ben von Faschis­mus und Rassismus

 

N. B.

Kundgebung gegen Faschismus in Ludwigshafen, 3. Februar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Kund­ge­bung gegen Faschis­mus in Lud­wigs­ha­fen, 3. Febru­ar 2024. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Wel­che sozia­len und öko­no­mi­schen Ent­wick­lun­gen lie­gen dem Erstar­ken des Faschis­mus his­to­risch und aktu­ell zugrun­de? Wie hän­gen die Ursa­chen zusam­men? Und wo befin­den wir uns in die­sem Gefü­ge bedroh­li­cher Ent­wick­lun­gen heute?

Mit die­sen Fra­gen beschäf­tig­ten wir uns bei unse­rem Lese- und Dis­kus­si­ons­nach­mit­tag am 23. März 2024. Als Lek­tü­re dien­te uns Ernest Man­dels „Der sozio­öko­no­mi­sche Hin­ter­grund für das Wie­der­auf­le­ben von Faschis­mus und Ras­sis­mus“ (Theo­rie­bei­la­ge zu Avan­ti² von März 2024). Die­ser knapp 30 Jah­re alte Text ist aktu­el­ler denn je.

Unse­re krank­heits- und urlaubs­be­dingt klei­ne Run­de ermög­lich­te uns eine noch inten­si­ve­re Dis­kus­si­on als sonst. Wir erar­bei­te­ten uns Man­dels Text gemein­sam, kon­kre­ti­sier­ten ihn anhand von Bei­spie­len und ver­such­ten uns an sei­ner Über­prü­fung ange­sichts der aktu­el­len poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Entwicklungen.

Der Faschis­mus und die Wirtschaft
Am Anfang des faschis­ti­schen Auf­schwungs steht eine tie­fe Wirt­schafts­kri­se, die Men­schen dazu bringt, mehr als sonst nach „aben­teu­er­li­chen“ Aus­we­gen zu suchen, schreibt Man­del. In den spä­ten 1920er und frü­hen 1930er Jah­ren pro­fi­tier­ten davon letzt­lich rech­te und faschis­ti­sche Kräf­te stär­ker als lin­ke. Errun­gen­schaf­ten der dama­li­gen Arbei­ter­be­we­gung ins­be­son­de­re im Zusam­men­hang mit der Novem­ber-Revo­lu­ti­on mach­ten die Faschis­ten 1933 in kür­zes­ter Zeit zunichte.

Wenn sich schon damals die Faschis­ten durch­set­zen konn­ten, wie ste­hen dann heu­te die Chan­cen eman­zi­pa­to­ri­scher Kräf­te? Zumal ange­sichts einer schwa­chen und gespal­te­nen lin­ken Bewe­gung, die in gro­ßen Tei­len den Bezug zur arbei­ten­den Klas­se ver­lo­ren oder gar ver­leug­net hat? Auf die­se Fra­gen soll­ten wir spä­ter noch zurückkommen.

Doch wie kommt es über­haupt, dass rech­te bis faschis­ti­sche Ten­den­zen sich ange­sichts einer mas­si­ven Wirt­schafts­kri­se durch­set­zen kön­nen? Hier stellt Man­del als ganz wesent­lich die Un- ter­stüt­zung durch ent­schei­den­de Sek­to­ren des Groß­ka­pi­tals heraus.

Indem Sozi­al­leis­tun­gen gekürzt und Arbeits­kämp­fe ein­ge­schränkt oder ver­bo­ten wer­den, stellt die herr­schen­de Klas­se die­je­ni­gen still, die ihr tat­säch­lich gefähr­lich wer­den kön­nen. Bis das Groß­ka­pi­tal jedoch defi­ni­tiv in eine faschis­ti­sche Dik­ta­tur inves­tiert, durch­läuft sein Zusam­men­wir­ken mit der faschis­ti­schen Par­tei meh­re­re Stufen.

Die Macht­über­tra­gung 1933 an Hit­ler und sei­ne NSDAP war für die herr­schen­de Klas­se mit der Erwar­tung einer Besei­ti­gung aller Hemm­nis­se für eine maxi­ma­le Pro­fit­stei­ge­rung ver­bun­den. Im deut­schen Faschis­mus zeig­te sich das Errei­chen die­ser Ziel­set­zung laut Man­del in vol­lem Aus­maß 1938: „Im Jahr 1938 lagen die Gewin­ne bei glei­cher Gesamt­lohn­sum­me wie im Jahr 1928 um das Drei­fa­che (Stei­ge­rung um 300 %!) über den Gewin­nen des Vorjahres.“

Heu­te erhält die AfD bereits groß­zü­gi­ge Spen­den eini­ger Kapi­ta­lis­ten. Aller­dings ist eine offe­ne Unter­stüt­zung der AfD durch groß­ka­pi­ta­lis­ti­sche Krei­se bis­her eher eine Ausnahme.

Dage­gen­hal­ten mit Kämpfen
Die Stim­mung bei unse­rem Lese­kreis war ent­spre­chend der bedroh­li­chen Lage sehr ernst, kei­nes­falls aber hoff­nungs­los. Mut machen einer­seits die Mil­lio­nen Men­schen, die seit Mona­ten gegen den Faschis­mus auf die Stra­ße gehen. Hoff­nung geben aber auch Ansät­ze, betrieb­li­che und gewerk­schaft­li­che Kämp­fe in ganz kon­kre­ten Situa­tio­nen dem Kapi­tal und einer zuneh­mend reak­tio­nä­ren Poli­tik entgegenzustellen.

Nicht zu ver­ges­sen sind dabei die ideo­lo­gi­schen Kämp­fe, die tag­täg­lich geführt wer­den kön­nen und müssen.

Zum einen gegen mythi­sche und irra­tio­na­le Erzäh­lun­gen mit ihren Ver­schwö­rungs­ge­schich­ten. Gegen das ras­sis­tisch moti­vier­te Erfin­den von Sün­den­bö­cken. Gegen das völ­ki­sche Lügen­kon­strukt eines „ein­heit­li­chen Volks­kör­pers“ und gegen den Hass auf „das Fremde“.

Zum ande­ren ideo­lo­gi­sche Kämp­fe für eine kon­kre­te Uto­pie der direk­ten Demo­kra­tie, der Ver­ge­sell­schaf­tung aller wesent­li­chen Berei­che, der recht­li­chen und sozia­len Gleich­stel­lung von Min­der­hei­ten und mar­gi­na­li­sier­ten Gruppen.

Eini­ge von uns setz­ten sich nicht zum ers­ten Mal mit Man­dels Text zum Wie­der­auf­le­ben des Faschis­mus aus­ein­an­der. Durch die soli­da­ri­sche Dis­kus­si­on in der Grup­pe emp­fan­den aber alle den Lese- und Dis­kus­si­ons­nach­mit­tag als eine poli­ti­sche und per­sön­li­che Berei­che­rung, so das Fazit der Teilnehmenden.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2024
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