Manuel Kellner
Seit dem 31. Oktober 2016 laufen in Deutschland ein ganzes Jahr lang Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum. Der Reformator Martin Luther soll am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen haben.
Die Bundesregierung steuert zum guten Gelingen unmittelbar 41 Millionen Euro bei. Hinzu kommen viele Millionen vom Land Sachsen-Anhalt und vom Bund für die Denkmalpflege. Wie passt das zur vorgeblichen Trennung von Kirche und Staat? Wir werden sehen, wieviel Steuergelder 2018 zum 200. Geburtstag von Karl Marx fließen werden.
Gegner der aufständischen Bauern …
Martin Luther eignet sich nicht zur gefeierten Lichtgestalt. Im Jahr 1525 hatte er nicht nur die aufständischen Bauern verurteilt. Er hatte vielmehr die Obrigkeit dazu aufgefordert, sie zu „zerschmeißen, zu würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss.“
Die bäuerliche Bevölkerung war von der Verschlechterung ihrer Lage bedrängt. Die Reformation mit ihrer Parole der „Freiheit“ (von Rom), ihrer Kritik an einer selbstsüchtigen Priesterschaft und am betrügerischen Ablasshandel („wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“) machte diesen ausgebeuteten und unterdrückten Menschen Hoffnung. Martin Luther wurde ihnen gegenüber zum Verräter.
und Thomas Müntzers
Statt Luther sollte Thomas Müntzer geehrt werden, der den aufständischen Bauern treu geblieben war bis in den Tod. Thomas Müntzers Predigten nahmen Motive des christlichen Glaubens auf. Er nannte die feudalen Grundherren und die mit ihnen verbündeten Pfaffen gottlos. Die Bauern fragten denn auch: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“
Religiosität im Sinne Müntzers war nicht die Vertröstung auf ein besseres Leben im Jenseits, sondern die Verwirklichung des Gebots der Nächstenliebe durch solidarisches Handeln im Diesseits.
Luther als Hetzer
Berüchtigt ist die Hetze Luthers gegen „Türken“, „Hexen“ und Juden. Sein 1543 erschienenes Buch „Von den Juden und ihren Lügen“ ist kürzlich vom Alibri-Verlag in modernem Deutsch neu herausgebracht worden. Da kann man nachlesen, wie Luther empfohlen hat, die Juden zu enteignen, zu misshandeln und leztlich umzubringen.
Furchtbar, was der evangelische Landesbischof und „Deutsche Christ“ Martin Sasse Ende 1938 zum Judenpogrom, der „Reichskristallnacht“, von sich gegeben hatte:
„Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. Vom deutschen Volk wird … die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der gottgesegnete Kampf des Führers zur völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt. In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden … der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden.“
Gegen frühe Aufklärer der Reformationszeit nannte Luther die Vernunft „des Teufels Hure“ und berief sich gegen den Astronomen Kopernikus auf Bibelstellen um zu „beweisen“, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Die protestantischen Kirchen sind aufgefordert, sich endlich von diesen erzreaktionären Seiten Martin Luthers klar zu distanzieren.
Wichtige Anknüpfungspunkte
Gleichwohl enthält Luthers Theologie wichtige Anknüpfungspunkte für spätere religionskritische Aufklärung. „Wenn Gott allein für sich im Himmel säße wie ein Klotz, so wäre er nicht Gott“, lehrte er. Nur ein Gott, der den Menschen nützt, ist für ihn wirklich Gott. Jesus Christus als der menschgewordene Gott, der sich für die Menschen aufopfert, ist daher aus seiner Sicht der eigentliche Gott der Christen. Die Menschen sind nach Luther der Gnade Gottes ausgeliefert, finden aber im Gottessohn Trost.
In einer seiner Tischreden sagte Luther: „Einen Gott haben und ihn ehren gehören zusammen wie Mann und Weib im Ehestand, keines kann ohn‘ das andere sein.“ Der Philosoph Ludwig Feuerbach hat die Frage gestellt, wer hier von wem abhängig ist, die Anbetenden von Gott oder Gott von den Anbetenden?
Martin Luther wollte die Inhalte der Bibel wie der protestantischen Kulthandlungen dem normalen Volk zugänglich machen. Daher rühren seine Verdienste um die Entwicklung der deutschen Sprache.