Deut­sche Post AG:

Rekord­pro­fi­te statt Reallohnerhöhung?

H. N.

Die Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft (ver.di) for­dert für die rund 160.000 Tarif­be­schäf­tig­ten bei der Deut­schen Post AG eine Tarif­stei­ge­rung um 15 Prozent.

Poststreik-Demo in Mannheim, 27. Januar 2023. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Post­streik-Demo in Mann­heim, 27. Janu­ar 2023. (Foto: helmut-roos@web.de.)

Die Lauf­zeit des Tarif­ver­trags soll zwölf Mona­te betra­gen. Zudem sol­len die Aus­bil­dungs­ver­gü­tun­gen sowie die Ent­gel­te der dual Stu­die­ren­den in jedem Aus­bil­dungs­jahr monat­lich um 200 Euro erhöht werden.

Die Spit­ze der Deut­schen Post AG lehnt die bei Lich­te betrach­tet eher beschei­de­nen Gewerk­schafts­for­de­run­gen als unbe­zahl­bar ab.

Das ist eine fre­che Pro­vo­ka­ti­on. Durch die Arbeit der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen der Deut­schen Post AG konn­te der Kon­zern 2022 einen sagen­haf­ten Gewinn von 8,4 Mil­li­ar­den Euro erzie­len. Das ist das bis­her bes­te Ergeb­nis für die Deut­sche Post AG. Auch der Unter­neh­mens­be­reich Post & Paket Deutsch­land steht finan­zi­ell blen­dend da.

In der letz­ten Tarif­run­de hat es gera­de mal mick­ri­ge 2 % Lohn­er­hö­hung gege­ben. 88 Pro­zent der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sind in den Ent­gelt­grup­pen 1 - 3 ein­grup­piert, das bedeu­tet im Schnitt etwa 1.700 € net­to im Monat. Weih­nachts­geld gibt es erst ab dem 2. Jahr in Fest­ein­stel­lung. Es ist kei­ne Fra­ge, dass der bis­he­ri­ge Real­lohn­ver­lust der Beschäf­tig­ten durch die Rekord­in­fla­ti­on des letz­ten Jah­res noch mas­siv gestei­gert wor­den ist.

Erfol­ge erstreiken
Die Gewerk­schaft reagiert auf die Blo­cka­de des Manage­ments mit einer Wel­le von Warnstreiks.

Den Anga­ben von ver.di zufol­ge haben sich vom 26. bis zum 28. Janu­ar 2023 bun­des­weit rund 42.000 Beschäf­tig­te in aus­ge­wähl­ten Paket- und Brief­zen­tren sowie in der Paket-, Brief- und Ver­bund­zu­stel­lung an ganz­tä­gi­gen Arbeits­nie­der­le­gun­gen betei­ligt. Bereits in der Woche davor hät­ten bun­des­weit ins­ge­samt rund 30.000 Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen an ganz­tä­gi­gen Warn­streiks teilgenommen.

Auch in Mann­heim orga­ni­sier­te ver.di jeweils eine Arbeits­nie­der­le­gung am 26. Janu­ar im Brief­zen­trum und am 27. Janu­ar 2023 bei der Zustellung.

Der zustän­di­ge Gewerk­schafts­se­kre­tär Imre Uysal sag­te danach: „Wir wer­ten den gest­ri­gen und heu­ti­gen Streik­tag als vol­len Erfolg. Bei­de Tage zusam­men­ge­nom­men sind rund 600 Beschäf­tig­te unse­rem Streik­auf­ruf gefolgt“. Durch die kurz­fris­tig orga­ni­sier­te Streik­de­mo von 350 Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen habe ver.di zudem die Mann­hei­mer Bevöl­ke­rung auf die For­de­rung nach 15 % mehr Lohn auf­merk­sam machen können.

Die Gewerk­schaft for­dert nun ein „ver­hand­lungs­fä­hi­ges Ange­bot“ beim nächs­ten Ver­hand­lungs­ter­min am 8. und 9. Febru­ar 2023. Es ist zu erwar­ten, dass es dann zu wei­te­ren Aktio­nen kom­men wird.

Zwei­fels­oh­ne ver­die­nen die Warn­streiks unein­ge­schränk­te gewerk­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Soli­da­ri­tät. Aber sie soll­ten auch Anlass sein, eini­ge kri­ti­sche Fra­gen zu stel­len und mög­lichst breit zu diskutieren.

Zusam­men­hän­ge erkennen
Der Tarif­kon­flikt bei der Post ist in einen grö­ße­ren Zusam­men­hang zu stel­len. Er hat ins­be­son­de­re Aus­wir­kun­gen auf die Tarif­run­de im Öffent­li­chen Dienst. Die Über­win­dung des tarif- poli­ti­schen Klein-Kleins nicht nur, aber ins­be­son­de­re bei ver.di ist eine zen­tra­le Her­aus­for­de­rung für eine erfolg­rei­che Strategie.

Sich die­ser Fra­ge zu stel­len, heißt auch, das noto­ri­sche Ver­mei­den von „Erzwin­gungs­streiks“ durch die DGB-Gewerk­schaf­ten zu pro­ble­ma­ti­sie­ren. Letz­te­res ist zum einen ein Resul­tat des noch durch den ers­ten Prä­si­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts und frü­he­ren Nazi-Juris­ten Nip­per­dey in Deutsch­land sehr stark ein­ge­schränk­ten Streik­rechts. Zum ande­ren ist es eine Fol­ge der poli­ti­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Schwä­chung der DGB-Gewerk­schaf­ten auf­grund ihrer Anpas­sung an den Kapitalismus.

Es gilt zudem, die Dis­kus­si­on über For­de­rungs­in­hal­te zu bele­ben. Pro­zent­for­de­run­gen füh­ren im Unter­schied zu Fest­geld­for­de­run­gen zu einem immer wei­te­ren Aus­ein­an­der­drif­ten der Ent­gelt­grup­pen und damit zu einer Schwä­chung der Solidarität.

Ange­sichts der anhal­ten­den Preis­trei­be­rei kann ein Blick über den deut­schen Tel­ler­rand nicht scha­den. Pilo­ten zum Bei­spiel machen das. Sie flie­gen ja bekannt­lich auch in ganz weit ent­fern­te Län­der − wie Bel­gi­en oder Luxem­burg. Wahr­schein­lich sind sie des­halb im letz­ten Jahr auf die klu­ge Idee gekom­men, den dort gel­ten­den auto­ma­ti­schen Infla­ti­ons­aus­gleich auch von der Luft­han­sa zu for­dern. War­um soll­ten ande­re Gewerk­schaf­ten sol­che Anre­gun­gen wei­ter ignorieren?

Aktu­ell ist jedoch die Unter­stüt­zung für die Warn­streiks bei der Deut­schen Post AG ange­sagt. Soli­da­ri­tät ist not­wen­dig und machbar!

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Febru­ar 2023
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