Die ver­ra­te­ne Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918“

Packen­der Info­abend der ISO-Rhein-Neckar

 

U. D.

Ende Novem­ber fand unser letz­ter ISO-Info­abend des Jah­res 2025 statt. Das The­ma lau­te­te „Die ver­ra­te­ne Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 – Weg­schei­de der Klas­sen­kämp­fe in Deutsch­land”. Dabei ging es dar­um, ange­sichts von Kri­sen, Krie­gen und Rechts­ruck die­sen Aus­gangs­punkt für die deut­sche Geschich­te der letz­ten ein­hun­dert Jah­re bes­ser zu verstehen.

Revolutionäre Demo in Berlin, 9. November 1918. (Bild: Gemeinfrei [CC BY-SA 3.0 de.])

Revo­lu­tio­nä­re Demo in Ber­lin, 9. Novem­ber 1918. (Bild: Gemein­frei [CC BY-SA 3.0 de.])

Der Abend wur­de mit einer kur­zen Ein­füh­rung zur fol­gen­rei­chen Unter­drü­ckung der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on und mit his­to­ri­schen Film­auf­nah­men aus der dama­li­gen Zeit eingeleitet.

Danach war ein Vor­trag unse­res viel zu früh ver­stor­be­nen Genos­sen Win­fried Wolf über die dama­li­gen dra­ma­ti­schen Ereig­nis­se zu hören. Sei­ne fak­ten­rei­chen Aus­füh­run­gen waren 2018 anläss­lich des 100. Jah­res­tags der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on auf­ge­nom­men worden.*

Geschichts­klit­te­rung
Win­fried Wolf geht als ers­tes auf die ver­zerr­te Dar­stel­lung die­ser Revo­lu­ti­on durch His­to­ri­ker und Poli­ti­ker ein. So wur­de und wird sie immer wie­der – unter ande­rem durch Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er – als gewalt­tä­tig und unde­mo­kra­tisch dif­fa­miert. Die­ser Geschichts­klit­te­rung zufol­ge hat­te „die Demo­kra­tie“ erst gesiegt, nach­dem es 1919 der „gemä­ßig­ten Arbei­ter­be­we­gung“ gelun­gen war, die par­la­men­ta­ri­sche Repu­blik durchzusetzen.

Für Wolf ist dies eine Ver­dre­hung der Tat­sa­chen. Ihm zufol­ge ereig­ne­te sich 1918 „eine zutiefst demo­kra­ti­sche, von brei­ten Mas­sen getra­ge­ne Revo­lu­ti­on“. Sie „hat­te das Ziel einer direk­ten Demo­kra­tie“ und war „weit­ge­hend unblu­tig, inso­weit es die Revo­lu- tio­nä­re betrifft.“ Sie war nicht gewalt­tä­tig, son­dern „gna­den­los gut­mü­tig und idea­lis­tisch“. Im Gegen­teil, die Gewalt ging von den Herr­schen­den und der Mehr­heits­so­zi­al­de­mo­kra­tie (MSPD) aus.

Ver­rat und Gewalt
Um den Cha­rak­ter der Revo­lu­ti­on und die Gewalt der Herr­schen­den zu bele­gen, beschreibt Win­fried Wolf drei Ereig­nis­se: die Pha­se der Revo­lu­ti­on im Novem­ber und Dezem­ber 1918, den „Spar­ta­kus-Auf­stand“ im Janu­ar 1919 und die Zeit nach dem Kapp-Putsch im März 1920.

In die­sen drei Pha­sen gewan­nen revo­lu­tio­nä­re For­de­run­gen stark an Ein­fluss. Die Füh­rung der Mehr­heits­so­zi­al­de­mo­kra­tie unter Ebert und Noske reagier­te jeweils mit bru­ta­ler Unter­drü­ckung. Dabei ver­riet sie nicht nur ihre frü­he­ren sozia­lis­ti­schen Zie­le, son­dern setz­te rück­sichts­los die mili­tä­ri­sche Gewalt der rechts­ra­di­ka­len Frei­korps ein. Also der­je­ni­gen Kräf­te, die schon 1918/19 Haken­kreu­ze tru­gen und die Vor­läu­fer von Hit­lers SA und SS waren. Die Gewalt stei­ger­te sich laut Wolf „von Ereig­nis zu Ereig­nis“ und for­der­te Zehn­tau­sen­de Opfer. Eine „in der deut­schen Geschich­te seit dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg nie dage­we­se­ne Gewaltorgie“.

Revo­lu­tio­nä­re Obleute
Wolf geht auch auf die beson­de­re Rol­le der revo­lu­tio­nä­ren Obleu­te in den Ber­li­ner Metall­be­trie­ben wäh­rend der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on ein. Sie waren dort unter der Lei­tung Richard Mül­lers die ent­schei­den­de orga­ni­sie­ren­de Kraft. Im Gegen­satz zur MSPD-Füh­rung war ihr Ziel die Been­di­gung des Krie­ges und die Über­win­dung des Kai­ser­reichs und des Kapi­ta­lis­mus durch eine sozia­lis­ti­sche Räterepublik.

Ange­reg­ter Austausch
In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on konn­ten aus Zeit­grün­den nur ein­zel­ne Aspek­te ange­spro­chen wer­den. Zum Bei­spiel: die Rol­le der orga­ni­sier­ten Metall­ar­bei­ter beim Auf­stand der Matro­sen und Sol­da­ten sowie für die Bil­dung der Arbei­ter- und Sol­da­ten­rä­te, die Poli­tik der Mehr­heits­so­zi­al­de­mo­kra­tie und der Unab­hän­gi­gen Sozi­al­de­mo­kra­tie (USPD) und die Fra­ge der Betei­li- gung revo­lu­tio­nä­rer Kräf­te an der ers­ten Regie­rung nach dem 9. Novem­ber 1918, dem „Rat der Volksbeauftragten“.

Die­ser Info­abend war eine gelun­ge­ne Anre­gung, sich mit der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on und ihren „Leh­ren“ inten­si­ver zu befas­sen. Gera­de auch weil ihre Nie­der­schla­gung letzt­end­lich nicht nur in den Faschis­mus führ­te, son­dern dar­über hin­aus Aus­wir­kun­gen bis heu­te hat.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2025
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