Erfolgreiche Betriebs- und Gewerkschafts-Tagung
des RSB Rhein-Neckar
Fast zwanzig Aktive aus Betrieben, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen hatten sich zu unserer Tagung am Samstag, den 29. November 2014, in Mannheim angemeldet. Sie wollten sich mit dem Thema „Unsere Gesundheit ist mehr wert als ihre Profite“ auseinandersetzen.
H.N.
Nach der Begrüßung durch den Veranstalter, den RSB Rhein-Neckar, folgte eine kurze Vorstellungsrunde der TeilnehmerInnen. Sie waren unter anderem aus den Bereichen Chemie, Dienstleistungen, Einzelhandel, Erwerbslose, Logistik, Metall- und Elektroindustrie sowie Soziales gekommen. Schon zu Beginn des Treffens zeigte sich hier sowohl die große Bedeutung, die dem Thema beizumessen ist, als auch die starke persönliche Betroffenheit aus Erfahrungen mit arbeitsbedingten Erkrankungen.
Widersprüche des Gesundheitswesens
In einer grundlegenden Einführung zu „Kapitalismus, Arbeit und Gesundheit“ skizzierte ein Genosse aus dem Gesundheitswesen nicht nur wesentliche Widersprüche zwischen der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und dem zentralen Interesse der ArbeiterInnen und Angestellten am Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit. Er kritisierte auch fundiert die Mängel des kapitalistischen Gesundheitssystems.
Bürgerliche Gesundheitspolitik habe im wesentlichen auf zwei Lösungsansätze gesetzt: Zum einen auf „Kostendämpfung“ (das große Schlagwort im Gesundheitswesen ab den 1970er Jahren), mit dem Versuch, eine „Optimierung“ zu erreichen. Der andere Weg war: Das Gesundheitssystem selber zu einem Zweig der Kapitalverwertung zu machen (das große Ziel seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts), und alles was daran noch öffentlich ist, zu priva- tisieren.
Im Kapitalismus gebe es vorwiegend Verhaltensprävention, keine Verhältnisprävention. Da Verhalten etwas sei, was jemand (zumindest vordergründig betrachtet) steuern kann, wäre der Schritt von da zur persönlichen Schuldzuweisung an Kranke nicht weit.
Woran es fehlte, so unser Referent, seien Programme, welche die Verhältnisse derart ändern, dass sie gesünder werden. Das wäre auch in einer nachkapitalistischen Gesellschaft nicht einfach. Denn es müsste buchstäblich alles auf den Prüfstand gestellt werden: Verkehrspolitik, Umweltpolitik, Städteplanung, Versorgung mit Lebensmitteln, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen und vieles andere mehr. Mit anderen Worten: Es handle sich um eine Querschnittsaufgabe, die im Kapitalismus allerdings nicht gelöst werden könne.
In allen Auseinandersetzungen mit dem Kapital könnten wir Gesundheit zum Thema machen nach dem Motto: „Kapitalismus schadet Ihrer Gesundheit und kann tödlich sein“. Wer arm ist, sterbe in der Regel früher. An uns, so das Fazit dieser Einführung, liege es, Kämpfe für bessere Arbeits- und Gesundheitsbedingungen so zu gestalten, dass sie eine über die bestehende Gesellschaft hinausweisende Dynamik entwickeln können.
Der Skandal bei den Berufskrankheiten
Nach einer Kaffeepause stand das Thema „Das Elend mit den Berufskrankheiten“ auf dem Programm. Ein aktueller Überblick über die Entwicklung von Berufskrankheiten (BK) und deren Anerkennung zeigte mehrere Probleme auf. Erstens ist die Liste der Berufskrankheiten sehr begrenzt. Zum Beispiel fehlen die zahlenmäßig explodierenden psychischen Erkrankungen durch Arbeitsbedingungen wie Stress vollständig. Zweitens wird die BK-Liste mit derzeit 73 Berufskrankheiten nur sehr zögerlich und völlig unzureichend ergänzt. Drittens sind die bürokratischen Hürden der Anerkennung von Berufskrankheiten durch die zuständigen Berufsgenossenschaften (BG) extrem hoch. Und viertens wird nur ein skandalös kleiner Bruchteil von BK-Anzeigen durch die BG anerkannt.
Als gewerkschaftspolitische Forderungen ergeben sich aus dieser kritischen Lage die schnelle und konsequente Erweiterung der BK-Liste (vor allem um die Anerkennung arbeitsbedingter psychsicher Erkrankungen), ferner die grundlegende Vereinfachung des Anerkennungsverfahrens und schließlich die flächendeckende Umnsetzung einer kompromisslosen Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz.
Ganzheitlicher Gesundheitsschutz
Nach einer weiteren Kaffeepause folgte als dritter Punkt der Tagesordnung die Fragestellung „Ganzheitliche Gefährdungsanalyse und -beurteilung (GFA/GFB) - ein sinnvoller Weg?“
In den fundierten Ausführungen eines betrieblich aktiven Genossen konnten nicht nur die gesetzlichen Grundlagen des seit 1996 geltenden Arbeitsschutzgesetzes skizziert werden, sondern auch praktische Erfahrungen mit der Umsetzung einer ganzheitlichen GFA/GFB vermittelt werden. Ganzheitlich meint hier die systematische Ermittlung sowohl physischer als auch psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz unter Einbeziehung der Beschäftigten.
Durch einen kontinuierlichen Kreislaufprozess, auf den ein aktiver Betriebsbsrat maßgeblichen Einfluß nehmen kann, werden Maßnahmen zur Beseitigung oder wenigstens Minimierung gesundheitlicher Gefahren festgelegt, dokumentiert und ihre Umsetzung überprüft.
Die abschließende Zusammenfassung der Ergebnisse unserer Tagung griff nicht nur Kernthesen der drei Referate auf, sondern leitete daraus die Notwendigkeit ab, sich in Zukunft näher mit „Methoden der Ausbeutung“ zu befassen.
In der gemeinsamen, sehr positiv ausfallenden Bewertung des Seminars wurde dieser Gedanken begrüßt und eine Folgeveranstaltung für das Frühjahr 2015 verabredet.