Sind nur Kim und Trump verrückt?
H. N.
Aus Anlass des Antikriegstages und der aktuellen Spannungen zwischen Nordkorea und den USA haben wir uns mit der größten Bedrohung für unsere Existenz auseinanderzusetzen – dem Atomwaffenarsenal. Es ist todsicher, denn die 2017 gezählten nuklearen 14.935 Sprengköpfe reichen aus, um alles Leben auf der Erde mehrfach zu vernichten. Umso faszinierender ist die fast völlige Verdrängung dieser Gefahr in der öffentlichen Debatte.
Aktuelle Zuspitzung
Am 9. August, dem Jahrestag des Atomwaffenabwurfs von Nagasaki, der 70.000 Menschen das Leben kostete und bis heute schwere Spätfolgen bei Betroffenen verursacht, zeigten sich Atomwaffenexperten alarmiert von der immer angespannter werdenden aktuellen Situation. Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW, kommentierte:
„Wenn diese Drohgebärden weiter eskalieren, führen sie womöglich zu einer Katastrophe, die weit über die Grenzen der koreanischen Halbinsel zu spüren sein wird.“ Mit Blick auf den sich zuspitzenden Konflikt warnte auch der Bürgermeister von Nagasaki vor einer neuen nuklearen Bedrohung. Nagasaki müsse „der letzte Ort“ bleiben, der atomar bombardiert wurde.
Die Bombe
Die Atomwaffe ist das tödlichste Instrument zur Massenvernichtung, die es gibt.
Atomwaffen verursachen riesige Zerstörungen. Von herkömmlichen Waffen unterscheiden sie sich dadurch, dass sie
- eine tausend-millionenmal so große Sprengkraft besitzen wie herkömmliche Waffen
- bei der Explosion wesentlich höhere Temperaturen entwickeln (Lichtblitz, Hitzestrahlung)
- durch die Explosion radioaktive Strahlung freisetzen; außerdem entstehen radioaktive Spaltprodukte, die zu einer Verseuchung der Umgebung führen.
Atomwaffen können in Form von Bomben, Geschossen, Raketensprengköpfen oder Torpedogefechtsköpfen eingesetzt werden.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) urteilt, dass „die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen generell gegen diejenigen Regeln des Völkerrechts verstoßen würde, die für bewaffnete Konflikte gelten, insbesondere gegen die Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts“. Außerdem folgert der IGH, dass die Vernichtungskraft der Atomwaffen „weder in Raum noch Zeit eingedämmt werden kann. Sie können die gesamte Zivilisation und das gesamte Ökosystem des Planeten zerstören.“
Die Auswirkungen
Grob werden vier direkte Auswirkungen einer Atomwaffenexplosion unterschieden:
1. Hitzewelle
Die erste Wirkung einer Atomexplosion ist ein intensiver Lichtblitz. Dabei steigen die Temperaturen ins Unermessliche. In einem bestimmten Umkreis wird alles verdampft. Die Wärmeenergiemenge, die in einer bestimmten Entfernung von der nuklearen Explosion wahrgenommen wird, hängt von der Sprengkraft der Waffe und dem Zustand der Atmosphäre ab.
Die direkte Hitze entfacht nicht nur Brände an Gebäuden und in Wäldern, sondern sie verursacht auch schwerste Verbrennungen am Menschen.
2. Druckwelle
Ungefähr die Hälfte der Energie einer Atomexplosion wird als Druckwelle freigesetzt. Die Explosionskraft ist gewaltig. Die Schäden werden sowohl durch den Luftüberdruck an der Vorderseite der Druckwelle, als auch durch die extrem starken Stürme verursacht. Diese Stürme halten auch dann noch an, wenn die Druckwellenfront das Gebiet längst passiert hat.
Die entfachten Brände dehnen sich bei den orkanartigen Winden rasend schnell aus, sie sind in einem Umkreis von 10 bis 20 km wirksam. Es ist, wie wenn ein gigantischer Blasebalg ein Feuer schüren würde.
3. Strahlung
Die durchdringende radioaktive Strahlung führt zu ernsthaften Verletzungen im Körper.
Die von einer Explosion ausgehende radioaktive Strahlung kann in zwei Kategorien unterteilt werden:
- Sofortstrahlung, bestehend aus Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlen; sie geht vom Explosionsmittelpunkt aus und wirkt bis zu einer Minute.
- Rückstandsstrahlung, Teil der Strahlung, der nach Ablauf einer Minute noch wirksam ist; sie besteht aus radioakti vem Niederschlag, auch Fallout genannt, und sogenannter neutroneninduzierter Strahlung.
4. Radioaktiver Niederschlag
Die Radioaktivität im verstrahlten Gelände nimmt innerhalb der ersten 24 Stunden stark ab. Nach etwa einer Woche kann sie bis unter einen lebensbedrohlichen Wert absinken. Der radioaktive Niederschlag schwebt langsam zu Boden und kann je nach Dauer der Schwebzeit mehr oder minder starke Verstrahlungen verursachen. Dabei ist zwischen zwei verschiedene Arten zu unterscheiden, dem frühen und dem verzögerten radioaktiven Niederschlag. Findet eine nukleare Explosion nahe der Oberfläche statt, wird die Erde oder das Wasser von einer pilzförmigen Wolke bedeckt und mit den Überresten der radioaktiven Waffe verseucht. Das verseuchte Material beginnt innerhalb weniger Minuten herabzufallen. Dieser Vorgang kann bis zu 24 Stunden fortdauern.
„Nuklearer Winter“
Eine weitere Folge von Atomwaffenkriegen sind massivste Klimaveränderungen
Ein großflächiger Einsatz nuklearer Waffen durch mehrere Staaten würde höchstwahrscheinlich katastrophale Auswirkungen auf das globale Klima haben.
Im Dezember 1983 entwickelte eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern die Theorie vom „nuklearen Winter“. Ein großer nuklearer Schlagabtausch führt zu ausgedehnten Bränden von Städten und Wäldern. Unmengen von Staub und Rauch gelangen in die Atmosphäre und bilden eine lastende, dunkle Decke. Die Sonne schimmert höchstens noch als undeutliche, helle Scheibe durch die dichte Rauchdecke. Es wird kalt. Die einschneidenden Temperaturveränderungen führen zu großräumigen Luftbewegungen. Eisstürme verwüsten in überlangen Nächten das Land. Zum unablässigen radioaktiven Niederschlag entsteht giftiger Smog. Pflanzen erfrieren, die Landwirtschaft steht still.
2045 Atomtests
Bisher sind 2045 Atomtests weltweit registriert worden (Stand Dezember 2012).
Am 16. Juli 1945 wurde in Alamogordo in der Wüste New Mexicos der erste Test, Trinity, gezündet. Seitdem haben USA, UdSSR (Rußland), Frankreich, Großbritannien und China 2045 Atomwaffentests in der Atmosphäre und unter der Erde durchgeführt. Bis 1998 gab es alle anderthalb Wochen einen Test. Zusätzlich haben Indien, Pakistan und Nordkorea 14 Tests durchgeführt.
Von allen Versuchen wurden 528 in der Atmosphäre, unter Wasser, auf der Erdoberfläche oder im Weltraum gestartet. Das hat eine enorme weltweite Strahlenbelastung verursacht. Sie ist eine der größten Gefährdungen unserer Gesundheit (Krebs!) nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in Gegenwart und Zukunft. In der Nähe von Testgeländen gibt es häufig besonders intensiven Fallout. Die Folge sind schwere Schädigungen der lokalen Bevölkerung und Verseuchungen der Umwelt.
Atomwaffenstaaten
Atommächte im Atomwaffensperrvertrag sind China, Frankreich, Russland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten.
Erklärte Atommächte außerhalb des Atomwaffensperrvertrags sind Indien, Nordkorea und Pakistan. Israel gilt als unerklärte Atommacht außerhalb des Atomwaffensperrvertrags. Zudem gibt es „Mitgliedsstaaten der nuklearen Teilhabe“ und ehemalige Atommächte.
Aber auch in anderen Staaten existieren Atomwaffen. In fünf europäischen Ländern sind geschätzte 180 taktische Atomwaffen stationiert, von denen rund 90 der NATO zugeordnet sind. Sie sind in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Italien und der Türkei gelagert – also in Ländern, die offiziell als Nicht-Atomwaffenstaaten gelten und dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten sind.
Atomwaffen verbieten!
Am 7. Juli 2017 haben 122 Staaten der Vereinten Nationen in New York den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen. Nach jahrelangen Verhandlungen zur Abrüstung senden sie damit ein klares Signal an die Atomwaffenstaaten. Der völkerrechtlich verbindliche Atomwaffenverbotsvertrag verbietet neben der Herstellung, dem Einsatz und Besitz auch die Drohung mit einem Nuklearschlag sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten.
Indem die Bundesregierung die Stationierung von US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel duldet und Bundeswehr-Soldaten deren Einsatz trainieren, verstößt sie nun auch gegen den Atomwaffenverbotsvertrag sowie gegen den Friedens- und Abrüstungsgedanken.
Die Antiatomwaffenbewegung ruft alle PolitikerInnen und vor allem die Bundesregierung auf:
- der Forderung von 93 % der BundesbürgerInnen (laut For sa, März 2016) nach einem Verbot von Atom-, Bio- und Chemiewaffen zu folgen
- dafür einzutreten, dass Deutschland dem Atomwaffenver botsvertrag beitritt
- die nukleare Aufrüstung in Deutschland zu verhindern
- den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 26. März 2010 umzusetzen, der den Abzug aller Atomwaffen aus Bü chel fordert!