Ein Gespräch mit Betriebsrätinnen und Betriebsräten (Teil I)*
Im April 2020 sprachen wir das erste Mal mit Kolleg*innen aus Chemie-, Metall- und Speditionsunternehmen über die betrieblichen Auswirkungen der Pandemie. Im November 2020, mitten in der zweiten Pandemie-Welle, fragten wir erneut nach.
Gibt es in „Eurer“ Belegschaft Krankheitsfälle?
Clara: Ja. Aber vor allem gab es viele Verdachtsfälle. Kolleg*innen mussten in Quarantäne, die im privaten Umfeld Kontakt mit Erkrankten hatten. Aber wir hatten keine schweren Erkrankungen. Niemand musste auf die Intensivstation.
Kevin: Ein Kollege hatte einen schweren Verlauf. Er hatte sich im Urlaub angesteckt. Daher musste auf seiner Schicht niemand in Quarantäne. Inzwischen ist er wieder zuhause. Ansonsten sind wir gut durch die Pandemie gekommen. Die Fehlzeiten waren niedriger als in einem heftigen Grippejahr.
Heiko: Bei uns war rund ein Prozent der Belegschaft coronabedingt zu Hause. Die Hälfte davon hatte eine „milde“ Corona-Erkrankung. Die anderen mussten aufgrund einer Anordnung des Gesundheitsamtes in Quarantäne.
Tom: Bei uns fand Corona als Krankheit so gut wie nicht statt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Kollegen mit leichten Erkältungssymptomen sich immer haben testen lassen. Gerade im Bereich meiner unqualifizierten und befristeten Kollegen herrscht aufgrund der Krise Unsicherheit und Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren.
Wurde seit April das Unternehmen „pandemiefit“ gemacht?
Clara: Ja. Die Pandemie ist ein zentrales Thema. Die Arbeitsgruppen tagen mindestens wöchentlich und arbeiten eng mit dem Werksarzt zusammen. Es wurden viele Maßnahmen umgesetzt: Kontaktreduzierung, Schichttrennung, „Home-Office“, Maskenpflicht, Abstandsregelung, Desinfektionskonzept, Duschkonzept, Lüftungsgebot. Klar, die Produktion soll weiterlaufen. Da will niemand den Ausfall von dutzenden Arbeitern riskieren.
Kevin: Bei uns ist die Situation etwas anders. Wir (die Betriebsratsmehrheit, d. Red.) liegen sowieso im Dauerclinch mit der Geschäftsführung. Gerade auch wegen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Natürlich gibt es da eine Zusammenarbeit. Aber in den Abteilungen werden immer wieder Maßnahmen ohne Betriebsrat umgesetzt.
Heiko: Bei uns ist es ähnlich wie bei Kevin. Am Anfang hatten einige Abteilungsfürsten gemeint, sie könnten ohne Betriebsrat und ohne Konzept Maßnahmen ergreifen. Das haben wir inzwischen abgewehrt. Bei uns ist das Problem, dass wir beständig um unsere Mitbestimmungsrechte kämpfen müssen.
Tom: Bei uns ist das widersprüchlich. Im Speditionsbereich geht es um knappe Zeitkontingente. Natürlich will da das Unternehmen keine Ausfälle. Zum Beispiel gibt es Maskenpflicht und die Anordnung von Hygienemaßnahmen. Aber mein Eindruck ist, dass die Umsetzung vor allem von unseren Auftraggebern eingefordert wird. Bei uns gibt es ja auch im Arbeiterbereich viele „Einzelarbeitsplätze“, da ist die Ansteckungsgefahr eher gering.
Halten die Beschäftigten die Hygienekonzepte ein?
Clara: In der Regel werden die Konzepte nach einer kurzen Eingewöhnung beachtet. Einzelne Maßnahmen waren nicht umsetzbar. Es gibt zum Beispiel Situationen, da müssen zwei Kollegen körperlich schwere Arbeiten verrichten und kommen sich relativ nahe. Nicht immer wird da die Maskenpflicht beachtet. Aber das sind wirklich Ausnahmen. Für solche Fälle werden Lösungen gesucht und meistens auch gefunden.
Kevin: Ja, soweit ich das überblicke, werden die Konzepte eingehalten. Aber die Pandemie ist nicht die einzige Gefährdung. Wir wollen als Betriebsrat nach wie vor einen ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz durchsetzen. Gerade bei der Beseitigung psychischer Belastungen sind wir da noch lange nicht am Ziel.
Heiko: Auch bei uns werden die Hygienekonzepte meistens eingehalten. Einzelne Vorgesetzte versuchen, „Verstöße“ für Disziplinarmaßnahmen zu nutzen. Die Berichte im Fernsehen, Internet usw. über die Pandemie und die Krise machen vielen Kolleg*innen Angst. Darum halten sie die Regeln ein und versuchen, nicht aufzufallen und „unterm Radar zu fliegen“.