Wirk­sa­me Gegen­wehr im Betrieb

Wie geht das?

B. G.

Ein Gespenst geht in zuneh­mend mehr Unter­neh­men und Ein­rich­tun­gen um – die „Dik­ta­tur der Zah­len“. Betriebs- und Per­so­nal­rä­te, Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tun­gen, Gewerk­schaf­ten, Geset­ze und Tarif­ver­trä­ge wer­den immer häu­fi­ger als Hin­der­nis­se für die Pro­fit­ma­xi­mie­rung durch per­ma­nen­te „Kos­ten­sen­kung“ ange­se­hen. Hin­der­nis­se müs­sen aus einem sol­chen Blick­win­kel min­des­tens umgan­gen, bes­ser aber noch besei­tigt wer­den. Frei nach dem Mot­to – legal, ille­gal, …egal.

"never work alone"

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Wer bereit ist, sich in einer Inter­es­sen­ver­tre­tung zu enga­gie­ren, ist in der Regel auch moti­viert, sich für Ver­bes­se­run­gen des Arbeits­all­tags ein­zu­set­zen. Die­ses Enga­ge­ment beinhal­tet grund­le­gend, auf die Ein­hal­tung bestehen­der Geset­ze, Tarif­ver­trä­ge und Betriebs­ver­ein­ba­run­gen zu achten.

Unter den gege­be­nen Bedin­gun­gen sind dann Kon­flik­te vor allem mit der Gegen­sei­te, also dem Unter­neh­men und sei­nem Füh­rungs­per­so­nal, vor­pro­gram­miert. Selbst akti­ve Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen kön­nen in sol­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht auf eine auto­ma­ti­sche Unter­stüt­zung durch „ihre“ Beleg­schaf­ten blind vertrauen.

Wie vor­an­kom­men?
Um dem für akti­ve Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen spür­ba­ren Druck auf Dau­er Stand hal­ten zu kön­nen und sich einen lan­gen Atem bewah­ren zu kön­nen, soll­ten fol­gen­de zehn Fra­gen beach­tet werden:

1. Hat die Inter­es­sen­ver­tre­tung ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis von ihrer Arbeit als Organ der Betriebsverfassung?

2. Wird die Balan­ce Arbeit und Leben von jedem/jeder Ein­zel­nen stän­dig im Auge behalten?

3. Ist die Funk­ti­ons­wei­se des Gre­mi­ums demo­kra­tisch, koope­ra­tiv und für alle sei­ne Mit­glie­der und die Beleg­schaft transparent?

4. Wird die Bedeu­tung des Auf­baus und der Ent­wick­lung eines „har­ten, wider­stands­fä­hi­gen Kerns“ im Betriebs­rat (Per­so­nal­rat, in der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung) kon­ti­nu­ier­lich verfolgt?

5. Fin­det eine geplan­te poli­ti­sche, recht­li­che und fach­spe­zi­fi­sche Bil­dung des Gre­mi­ums statt (Ver­ste­hen von Stra­te­gie und Tak­tik, Zeit­ma­nage­ment, Rhe­to­rik, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Ver­hand­lungs­tech­ni­ken, EDV-Kennt­nis­se …) und wird sys­te­ma­tisch Wis­sen über das Unter­neh­men, die Bran­che und das Wirt­schafts­sys­tem erworben?

6. Gibt es eine struk­tu­rier­te, pro­zess­ori­en­tier­te Orga­ni­sa­ti­on der BR-Arbeit mit über­prüf­ba­ren Schwerpunktsetzungen?

7. Gelingt es, aus dem Hams­ter­rad des stän­di­gen Reagie­rens auf die offe­nen und ver­deck­ten Aktio­nen der Gegen­sei­te aus­zu­stei­gen und durch die Umset­zung einer eige­nen Zeit­pla­nung und inhalt­li­chen Agen­da selbst zum Trei­ber zu werden?

8. Gibt es ein prak­tisch wirk­sa­mes Pro­jekt des Orga­ni­zing, um den Orga­ni­sa­ti­ons­grad und die Ver­an­ke­rung in der Beleg­schaft aus­bau­en zu kön­nen (mit „Betriebs­plan“, der geziel­ten Suche von Unterstützer*innen, dem Auf­bau bezie­hungs­wei­se Aus­bau eines Ver­trau­ens­kör­pers und der gewerk­schaft­li­chen Nachwuchsförderung …)?

9. Wird die Akti­ons- und Mobi­li­sie­rungs­fä­hig­keit zu betrieb­li­chen und gewerk­schaft­li­chen The­men im Unter­neh­men bewusst entwickelt?

10. Gelingt es, wirk­sa­me über­be­trieb­li­che Struk­tu­ren, Netz­wer­ke und Ver­bin­dun­gen auf­zu­bau­en und zu stär­ken – natür­lich auf gewerk­schaft­li­cher Ebe­ne aber auch dar­über hinaus?

Ermu­ti­gen, akti­vie­ren, organisieren
Ant­wor­ten auf die­se oder ande­re Fra­gen sind nicht schnell und mühe­los zu fin­den. Im Kern geht es also nicht um eine auf­op­fern­de und gut gemein­te Stell­ver­tre­ter­po­li­tik. Son­dern es geht dar­um, gemein­sam mit mög­lichst vie­len ande­ren die Ängs­te, die Lethar­gie und die Spal­tungs­li­ni­en in einer Beleg­schaft zu erken­nen und zu über­win­den. Oder mit ande­ren Wor­ten: Es geht dar­um, Freu­de am gemein­sa­men Enga­ge­ment zu wecken und aus den gemach­ten Erfah­run­gen Kraft und Mut zu schöpfen.

Die Stär­ke einer Inter­es­sen­ver­tre­tung hängt letzt­end­lich vom Aus­maß der kol­lek­ti­ven Unter­stüt­zung durch die Beleg­schaft ab. Grö­ße­re und wirk­sa­me Erfol­ge sind nur durch die rea­le Bereit­schaft zur gemein­sa­men Gegen­wehr der Beschäf­tig­ten zu erzie­len. Um die­se ent­wi­ckeln zu kön­nen, braucht es Enga­ge­ment und eine poli­ti­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Stra­te­gie. Sie muss kon­kret von dem aus­ge­hen, was im Unter­neh­men mit der vor­han­de­nen Beleg­schaft und den bis­her gemach­ten Erfah­run­gen mög­lich und per­sön­lich leist­bar ist.

Vor allem aber braucht es Geduld! Nur mit Geduld lässt sich das Fun­da­ment für eine betrieb­li­che Gegen­macht auf­bau­en und stär­ken. Nur so lässt sich Aner­ken­nung für die Arbeit der Inter­es­sen­ver­tre­tung in der Beleg­schaft errei­chen. Nur so lässt sich ver­mei­den, dass die gesteck­ten Zie­le zu groß sind und die eige­ne Kraft zu schnell ver­braucht wird.

Der größ­te Feh­ler wäre es jedoch, mit die­ser Arbeit zu warten.

Um dem Druck durch BR-Mob­ber und Gewerk­schafts­fein­de stand­hal­ten zu kön­nen, müs­sen wir uns bes­ser bil­den und orga­ni­sie­ren – im Unter­neh­men, in der Gewerk­schaft und in der Gesellschaft.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar März 2021
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