Karlheinz Paskuda
Knapp 20.000 Menschen demonstrierten am 11. September 2021 in Berlin für eine andere Wohnungspolitik. Einen Erfolg gab es bereits im Vorfeld: Drei sehr unterschiedliche Akteur*innen einigten sich auf eine gemeinsame Demonstration und erlaubten sich gegenseitig, unterschiedliche Forderungen aufzustellen.
So war das im Februar 2021 entstandene MIETENSTOPP-Bündnis dabei: ein Zusammenschluss aus Deutscher Mieterbund (DMB), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), der Münchner Initiative „ausspekuliert“ und einiger großer Wohlfahrtsverbände. Das Ziel dieser Gruppe: Sechs Jahre Mietenstopp, um Mieter*innen zu entlasten und bis zum Ende der sechs Jahre möglichst mehr preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu haben.
Die zweite initiierende Gruppe war die Berliner Initiative „dw-enteignen“. Sie hatte an der großen Demo ein besonderes Interesse, weil vierzehn Tage später ihr Volksentscheid zu Enteignungen der Wohnungskonzerne stattfinden sollte. (Heute wissen wir: Dieser war mit 56,4% Ja-Stimmen höchst erfolgreich.)
Als dritte Gruppe veranstalteten das Berliner und das bundesweite Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn die Demo. Dieser Zusammen- schluss von Initiativen aus rund dreißig deutschen Städten fordert alle Maßnahmen, die gegen die Verdrängung der Bewohner*innen aus ihren Wohnungen in den Städten und in den Kiezen notwendig sind: einen bundesweiten Mietendeckel, die Enteignung der Immobilienkonzerne bundesweit und das Recht auf Wohnen. Kurzum: Kein Profit mit der Miete!
Gemeinsam stärker
Geleitet war dieser Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Akteur*innen von der Erkenntnis, dass erstens alle eine andere Wohnungspolitik wollen und zweitens alle unterschiedliche Stärken einbringen können. Die Initiativen sorgten für mehr Mobilisierungskraft und die „großen Tanker“*(zum Beispiel DMB und DGB) für mehr Gehör in der medialen Öffentlichkeit sowie die nötige Finanzkraft, die leider für eine derartige Demo erforderlich ist.
Majorisierungsängste wurden schon frühzeitig diskutiert und ausgeräumt. Sowohl auf der Pressekonferenz im Vorfeld des 11. September als auch in der Berichterstattung während und nach der Demonstration wurden viele Ängste widerlegt. Die Medien stürzten sich nicht – wie befürchtet – nur auf die wenigen bekannten Repräsentant*innen der großen Verbände.
Ich durfte das bundesweite Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn sowohl bei der vorbereitenden Pressekonferenz am 7. September 2021 in Berlin als auch mit einem Redebeitrag bei der Auftaktkundgebung (siehe auf YouTube: https://youtu.be/1fsbAn7uOSM) vertreten. Es zeigte sich, dass unsere Forderungen nach einem bundesweiten Mietendeckel und bundesweiten Enteignungen der Immobilienkonzerne große Resonanz fanden.
Aus Mannheim fuhren frühmorgens Demonstrant*innen mit einem Gruppen-Ticket der DB AG nach Berlin. Am späten Abend kehrten sie mit interessanten Erfahrungen, neuer Motivation und gestärkter Kraft zurück. Der Mieterverein Mannheim hatte übrigens die Fahrt organisiert und finanziell gefördert.
Weiterer Druck erforderlich
Die Demo war ein Erfolg – aber gleichzeitig nur ein kleiner Schritt in die Richtung einer besseren Wohnungspolitik. Jetzt geht es erst mal darum, weiter Druck zu machen. Nur so wird es gelingen, den Erfolg der Volksabstimmung in Berlin in einen wirklichen Enteignungsprozess umzusetzen – gegen den Widerstand der Giffey-SPD und leider auch vieler Grünen-Politiker*innen. Die bundesweite Wohnungsnot bleibt groß. Widerstand muss mit langem Atem organisiert werden. Eine große Demo ist da nur ein kleiner Schritt nach vorne!