Betriebs­rä­te­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz“

Mehr Schein als Sein?

H.S.

Am 21. Mai 2021 hat der Bun­des­tag den Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung für ein „Betriebs­rä­te­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz“ beschlos­sen. Nach Aus­sa­ge von Arbeits­mi­nis­ter Heil (SPD) soll es die Grün­dung von Betriebs­rä­ten erleich­tern und Betriebs­rats­wah­len ver­ein­fa­chen. Zudem soll Betriebs­rats­ar­beit erleich­tert und unter ande­rem das Recht auf Wei­ter­bil­dung gestärkt werden.

Zurück­drän­gen von Betriebsräten
2019 gab es nur noch in 9 % der betriebs­rats­fä­hi­gen Betrie­be in West­deutsch­land und in 10 % in Ost­deutsch­land einen Betriebs­rat (BR). Das heißt, dass nur noch rund 41 % der Beschäf­tig­ten in West­deutsch­land und 36 % in Ost­deutsch­land von Betriebs­rä­ten ver­tre­ten wer­den. Die­se Situa­ti­on ist nicht zuletzt auf die rechts­wid­ri­ge Ver­hin­de­rung von Betriebs­rä­ten durch Unter­neh­mens­lei­tun­gen zurück­zu­füh­ren. Die Initia­ti­ve zur Grün­dung eines BR führt oft zu Repres­sa­li­en bis hin zur Kün­di­gung. Zudem wer­den bereits akti­ve Betriebs­rä­te zuneh­mend gemobbt.

Transparent: Gegen BR-Mobbing

Viel hei­ße Luft
Bei genaue­rem Hin­se­hen ent­hält das Gesetz viel hei­ße Luft. So ist die Aus­wei­tung der Mit­be­stim­mungs­rech­te bei der mobi­len Arbeit und der künst­li­chen Intel­li­genz mehr oder weni­ger kos­me­tisch. Die­se The­men waren schon zuvor durch die Mit­be­stim­mungs­rech­te nach § 87 Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz erfasst. Die Ände­rung bezüg­lich der Beschluss­fas­sung von Betriebs­rat, Gesamt­be­triebs­rat und Kon­zern­be­triebs­rat bei vir­tu­el­len Sit­zun­gen rati­fi­ziert nur die durch die Pan­de­mie erzwun­ge­ne Lage.

Kein wirk­li­cher Kündigungsschutz
Ein wirk­sa­mer Kün­di­gungs­schutz für Akti­ve, die einen Betriebs­rat grün­den oder sich in einem bereits vor­han­de­nen Betriebs­rat enga­gie­ren wol­len, ist offen­bar nicht gewollt.

Außer­or­dent­li­che Kün­di­gun­gen schließt das neue Gesetz nicht aus. Damit ist der Ent­fer­nung von akti­ven Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen nach wie vor Tür und Tor geöff­net. Vor die­ser sind sie näm­lich in kei­ner Pha­se des Wahl­vor­gangs geschützt. Regel­mä­ßig wer­den aber gera­de dann außer­or­dent­li­che Kün­di­gun­gen ausgesprochen.

Bei ordent­li­chen Kün­di­gun­gen mit Ein­hal­tung von Kün­di­gungs­fris­ten könn­ten die zur BR-Wahl ein­la­den­den Beschäf­tig­ten den Wahl­vor­gang wei­ter vor­be­rei­ten und einen BR-Wahl­vor­stand bestel­len. Genau dies soll aber ver­hin­dert werden.

Neu ist, dass Beschäf­tig­te bei einem Notar eine Absichts­er­klä­rung zur BR-Grün­dung abge­ben kön­nen. Dadurch sind sie bis zu der Betriebs­ver­samm­lung, in der der Wahl­vor­stand bestellt wird, maxi­mal aber drei Mona­te lang, nur vor einer ordent­li­chen Kün­di­gung geschützt. Aller­dings nur soweit kei­ne „betriebs­be­ding­ten Grün­de“ vorliegen.

Wei­te­re Dul­dung von BR-Mob­bing
Es ist ganz offen­sicht­lich, dass das kri­mi­nel­le Mob­bing von Betriebs­rä­ten durch Geschäfts­lei­tun­gen von der Regie­rung igno­riert oder sogar bewusst gedul­det wird. Anders ist es nicht zu erklä­ren, dass der straf­recht­li­che Schutz der Betriebs­rä­te ein rei­nes Lip­pen­be­kennt­nis des Gesetz­ge­bers bleibt. Ver­ur­tei­lun­gen in Fäl­len von Betriebs­rats­be­hin­de­rung gibt es fast nicht.

Ein wei­te­res Pro­blem ist der man­geln­de Schutz von Beschäf­tig­ten mit befris­te­tem Arbeits­ver­trag. Sie haben zwar einen „Kün­di­gungs­schutz“, aber der endet mit dem Aus­lau­fen des Ver­trags. Dies ist ein mas­si­ves Demo­kra­tie­de­fi­zit. „Befris­te­te“ kön­nen sich fak­tisch nicht im BR engagieren.

Nur wenig Positives
Posi­tiv ist, dass das ver­ein­fach­te Wahl­ver­fah­ren nun­mehr auf Betrie­be mit bis zu 100 Wahl­be­rech­tig­ten aus­ge­wei­tet wird. In Betrie­ben mit bis zu 200 Beschäf­tig­ten kann im gegen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men eben­falls das ver­ein­fach­te Ver­fah­ren ange­wen­det wer­den. In die­sem Fall kann ein BR inner­halb von 2-3 Wochen gegrün­det werden.

Posi­tiv ist auch die Aus­wei­tung der Rech­te des Betriebs­rats beim Bil­dungs­be­darf und der beruf­li­chen Wei­ter­bil­dung der Beschäf­tig­ten. Bis­lang konn­te der Betriebs­rat hier nur bera­ten und Vor­schlä­ge machen. Zukünf­tig soll hier die Anru­fung der Eini­gungs­stel­le ermög­licht wer­den. Unklar ist aber, ob die­se auch gegen den Wil­len der Geschäfts­lei­tung rechts­wirk­sam ent­schei­den kann,

Fazit
Für Geset­ze im Sin­ne der abhän­gig Beschäf­tig­ten braucht es mehr als Ver­hand­lun­gen am Kabi­netts­tisch oder ein Kreuz bei den Bun­des­tags­wah­len. Wirk­lich posi­ti­ve Ergeb­nis­se im Sin­ne der Beschäf­tig­ten las­sen sich nur durch die brei­te Dis­kus­si­on und Mobi­li­sie­rung der Betrof­fe­nen selbst errei­chen. Es ist vor allem die Auf­ga­be der Gewerk­schaf­ten, den ent­spre­chen­den Druck zu organisieren.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Juni 2021
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