U. D.
Wir erleben zurzeit die größte antifaschistische Massenbewegung in Deutschland seit der Niederlage des braunen Terrorregimes 1945. Aber den gesellschaftlichen Rechtsruck können die Proteste nur dann wirklich umkehren, wenn sie auch dessen Wurzeln bekämpfen.
Seit Jahren befinden sich die Faschisten von AfD & Co. im Aufwind. Rassistische und faschistische Positionen finden immer breitere Zustimmung und sind längst in der „bürgerliche Mitte“ angekommen. Ob Krise, Corona, Flucht, Frauenrechte, Rechte für sexuelle Minderhei- ten, Gendersprache, Streikrecht oder Klimazerstörung, immer wieder gelingt es den Faschisten, mit ihren völkisch-rassistischen Kampagnen die politischen Koordinaten nach rechts zu verschieben.
Die jetzige Massenbewegung ist ein wichtiger Befreiungsschlag gegen diesen Rechtsruck. Sie hat mit ihrer Dynamik den gesellschaftlichen Raum für Faschisten enger gemacht. Anti-Faschismus, Anti-Rassismus, demokratische Grund- und Menschenrechte werden öffentlich und positiv besetzt. Dies ist eine große Ermutigung, im persönlichen Lebens- und Arbeitsumfeld gegen rechte Hetze Position zu beziehen.
Vorwärts und nichts vergessen …
Die Breite der Bewegung ist beeindruckend und ein Teil ihrer Stärke. Daher ist es richtig, mit anderen politischen Strömungen gemeinsam gegen den Faschismus zu demonstrieren − auch mit SPD, FDP, Grünen und CDU/CSU.
Dabei darf jedoch weder vergessen noch verschwiegen werden, dass deren Politik den Aufstieg der Faschisten ermöglicht hat. Ihre Politik im Interesse des Kapitals wälzt die Lasten der Krisen auf die arbeitende Klasse und die Ausgegrenzten ab. Sie steht für weiteren sozialpolitischen Kahlschlag, Aufrüstung, Abbau demokratischer Rechte, Bekämpfung von Geflüchteten, Flexibilisierung der Arbeitswelt, Steuererleichterung für Unternehmen und Reiche und für vieles andere mehr. Für sie steht der „eigene“ Staat und die „eigene“ Wirtschaft in Konkurrenz zum Rest der Welt.
Diese Politik führt am Ende nicht nur in den Krieg, sondern stärkt auch die ideologischen Grundlagen für völkisch-nationalistisches Denken und Faschismus.
Doch für den Rechtsruck trägt nicht nur die „bürgerliche Mitte“ Verantwortung. Denn weder die Linkspartei noch die gesamte politische Linke haben es geschafft, sich als glaubwürdige und konsequente sozialistische Alternative in der arbeitenden Klasse aufzubauen. Und nicht zuletzt haben auch Gewerkschaften und deren bürokratische Führungen an Glaubwürdigkeit verloren. Anstatt der neoliberalen und nationalistischen Standortpolitik zu Gunsten des Kapitals entgegenzutreten, tragen sie nach wie vor diese Politik mit. So konnten sich nationalistische, neoliberale und rassistische Ideologien auch in der Arbeitswelt immer stärker ausbreiten.
Genug ist nicht genügend …
Die aktuelle Massenbewegung hat unbestritten eine große Bedeutung, aber sie reicht nicht aus, um den Rechtsruck umzukehren. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass AFD & Co. trotz der zahlreichen Proteste bisher erstaunlich wenig Wahlprozente verloren haben. Die mediale Reichweite des Faschismus ist unverändert groß. Aber es ist erstmals gelungen, auf einer Massenebene die Faschisten in die Defensive zu bringen.
Die größte Schwäche der Bewegung ist, dass sie bisher nicht die kapitalistischen Wurzeln des Faschismus erkennt und bekämpft. Der Faschismus ist untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden! Dieses Wissen und diese Erfahrung waren nach der Niederlage des Faschismus 1945 selbst in bürgerlichen Parteien vorhanden. 80 Jahre später stellt die große Mehrheit den Kapitalismus nicht mehr in Frage.
Was tun?
Der Kampf gegen Faschismus muss mit der Gegenwehr gegen die kapitalistische Krisenpolitik auf allen Ebenen verbunden werden. Das bedeutet unter anderem:
• Über den Faschismus, seine Wurzeln und seine Funktion aufklären
• Aktiv antifaschistische Bündnisse stärken und eine solidarische Front aufbauen
• Auf allen Ebenen Widerstand gegen die kapitalistischen Krisen organisieren
• Alternativen zum Kapitalismus populär machen
• „Sozialpartnerschaft“ und Standortdenken bekämpfen
• Solidarisch und international gegen Konzerne und Kapital vorgehen.