Eine Seuche breitet sich aus
Avanti² hat mit Clara, einem Betriebsrats-Mitglied aus Südwestdeutschland, über ihre Erfahrungen gesprochen. Ein weiterer aktueller Fall von BR-Mobbing.*
Wann und wie hast Du gemerkt, Dass Du wegen Deines Engagements als gewähltes BR-Mitglied von der Unternehmensseite gemobbt wirst?
Clara: Im Rückblick und mit der Kenntnis von heute muss ich sagen, diese organisierten Angriffe gingen schon sehr früh los, circa ein halbes Jahr, nachdem ich das erste Mal gewählt wurde. Bei dem „Wie“ erinnere ich mich vor allem daran: Durch meinen Einsatz für den Arbeitsschutz kam ich aus Unternehmenssicht schon sehr früh „vom rechten Weg“ ab. Im Kampf für die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes aus dem Jahre 1996 war ich von der Geschäftsleitung schon schnell als treibende Kraft und Unruhestifter ausgemacht. Beschimpfungen durch das Management wie „quer im Kopf“ waren und sind fast schon normal. Unser Gremium und natürlich auch ich wollten nur, dass vor allem das Betriebsverfassungsgesetz im Unternehmen eingehalten wird. Das aber ist der Firmenspitze schon zu viel! Denn Originalton Chef: „Gelten Gesetze auch für mein Unternehmen?“
Der Kontakt zu BR-Gremien in anderen Firmen öffnet einem zusätzlich die Augen. Das Vorgehen der jeweiligen Unternehmensleitungen ist vergleichbar.
Hier einige Beispiele der aktuellen Eskalation. Der Boss hat das BR-Gremium auf einer Betriebsversammlung vor der gesamten Belegschaft angegriffen. Es fielen Sätze wie: Die Betriebsratsvorsitzende macht vor der Betriebsversammlung krank, um ihre Rede schreiben zu können. Oder: Das BR-Mitglied […] ist zu dumm, um die Organisation der Betriebsversammlung richtig durchzuführen. Das BR-Gremium an sich ist untragbar. Natürlich fehlte auch nicht die Behauptung, dass die Geschäftsleitung sich jeden Tag für den Standort stark machen würde. Hingegen würde der Betriebsrat weniger dringliche Themen wie den Arbeitsschutz eskalieren und damit das Management binden. Damit würde er die Arbeitsplätze gefährden.
Im Anschluss an diese Versammlung wurde durch Mandatsniederlegung eingeschüchterter BR-Mitglieder versucht, den Betriebsrat zu spalten.
Bestimmte Betriebsräte werden zur Seite genommen. Es wird ihnen suggeriert, dass man mit ihnen viel besser könne als mit der aktuellen Vorsitzenden. Mit der wolle von der Geschäftsleitung sowieso keiner mehr reden und arbeiten.
Wie bist Du mit der Situation umgegangen?
Clara: Äußerlich „business as usual“. Man arbeitet routinemäßig im negativen Sinne alles ab. Man ist aber nicht mehr mit dem Kopf, schon gar nicht mehr mit dem Herz dabei. Innerlich wird man nervös. Man verliert empathische Eigenschaften, die einem selbst doch immer wichtig waren. Man wird unsicher. Man beginnt zu zweifeln an dem, was man tut und getan hat. Man bekommt Existenzängste. Das nimmt man dann auch mit nach Hause. Am Anfang „nervt“ man damit noch die Familie, den Partner. Dann kommt der Punkt, an dem man die Rote Karte zu Hause gezeigt bekommt. Danach kommt die Phase, in der man sich in sein Schneckenhaus zurückzieht und sich isoliert.
Von wem und in welcher Form hast Du Unterstützung erhalten?
Clara: Durch meine Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat und durch das Komitee „Solidarität gegen BR-Mobbing!“ aus Mannheim, welches sich schon seit Jahren mit dem Mobbing gegen Betriebsräte beschäftigt. Im Betriebsrat selbst hat sich zum Glück ein stabiler Kern herausgebildet. Menschen, auf die man sich aufgrund der gemeinsamen Erfahrung mit dem Unternehmer verlassen kann. Wir haben in diesem Kreis gelernt, uns gegenseitig aus der Schusslinie zu holen oder die Versuche, uns zu spalten, abzuwehren.
Ohne die Ratschläge aus dem Solikomitee hätte ich wahrscheinlich aufgegeben. Die Ratschläge sind praxiserprobt und führen durchaus zum Erfolg. Man weiß aber auch, nichts kommt von allein. Man muss am Ball bleiben und aktiv werden. Man muss wieder aus dem Loch kommen, in das man geworfen wurde.
Auch die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb haben das zum Teil erkannt. Man selbst ist da oft etwas betriebsblind, was einen selbst angeht. Die Betrachtung von außen, von den Kolleginnen und Kollegen ist da sehr wichtig, um wieder geerdet zu werden. Überhaupt ist es die Belegschaft, die über die Hintergründe des Mobbings aufgeklärt und in die Abwehr einbezogen werden muss.
Der Geschäftsleitung geht es nicht ausschließlich um die Person, die gerade gemobbt wird. Es geht ihr vor allem darum, die Belegschaft und den Betriebsrat zu spalten sowie die „Unruhestifterin“ kaltzustellen. Dann, so ihr Kalkül, kann sie in Gutsherrenmanier die eigenen Ziele zu Lasten der Belegschaft widerspruchslos durchsetzen. Das ist der wahre Kern des Mobbings gegen Betriebsräte.
Eine aufgeklärte Belegschaft wird sich aber nicht so leicht von der Geschäftsleitung um den Finger wickeln lassen. Eine aufgeklärte und kampfbereite Belegschaft ist der Schlüssel, um effektiv gegen das Mobbing vorgehen zu können.
Was erwartest Du in diesem Zusammenhang zukünftig von Deiner Gewerkschaft?
Clara: Für uns ist die IG Metall zuständig. Die IG Metall hat ja auf ihrem Gewerkschaftstag im Jahr 2015 beschlossen, das Thema Betriebsratsmobbing als eine wichtige gewerkschaftliche Herausforderung zu begreifen und offensiv dagegen vorzugehen. An diesem Anspruch werden wir sie auch messen. Was ich erwarte, liegt auf der Hand. Eine klare Positionierung und eine basisorientierte Gewerkschaftsarbeit. Eine Gewerkschaft, die aktiv vor ihren Betriebsräten steht und die solchen Angriffen auf Betriebsräte entgegentritt.
* [Die Fragen stellte H. S., den Namen der BR-Kollegin haben wir aus Sicherheitsgründen geändert.]