BR-Mob­bing

Eine Seu­che brei­tet sich aus

 

Avan­ti² hat mit Cla­ra, einem Betriebs­rats-Mit­glied aus Süd­west­deutsch­land, über ihre Erfah­run­gen gespro­chen. Ein wei­te­rer aktu­el­ler Fall von BR-Mobbing.*

Ple­nums­dis­kus­si­on auf der Kon­fe­renz am 17. Okto­ber 2020 in Mann­heim (Foto:helmut-roos@web.de)

Wann und wie hast Du gemerkt, Dass Du wegen Dei­nes Enga­ge­ments als gewähl­tes BR-Mit­glied von der Unter­neh­mens­sei­te gemobbt wirst?
Cla­ra: Im Rück­blick und mit der Kennt­nis von heu­te muss ich sagen, die­se orga­ni­sier­ten Angrif­fe gin­gen schon sehr früh los, cir­ca ein hal­bes Jahr, nach­dem ich das ers­te Mal gewählt wur­de. Bei dem „Wie“ erin­ne­re ich mich vor allem dar­an: Durch mei­nen Ein­satz für den Arbeits­schutz kam ich aus Unter­neh­mens­sicht schon sehr früh „vom rech­ten Weg“ ab. Im Kampf für die Umset­zung des Arbeits­schutz­ge­set­zes aus dem Jah­re 1996 war ich von der Geschäfts­lei­tung schon schnell als trei­ben­de Kraft und Unru­he­stif­ter aus­ge­macht. Beschimp­fun­gen durch das Manage­ment wie „quer im Kopf“ waren und sind fast schon nor­mal. Unser Gre­mi­um und natür­lich auch ich woll­ten nur, dass vor allem das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz im Unter­neh­men ein­ge­hal­ten wird. Das aber ist der Fir­men­spit­ze schon zu viel! Denn Ori­gi­nal­ton Chef: „Gel­ten Geset­ze auch für mein Unternehmen?“

Der Kon­takt zu BR-Gre­mi­en in ande­ren Fir­men öff­net einem zusätz­lich die Augen. Das Vor­ge­hen der jewei­li­gen Unter­neh­mens­lei­tun­gen ist vergleichbar.

Hier eini­ge Bei­spie­le der aktu­el­len Eska­la­ti­on. Der Boss hat das BR-Gre­mi­um auf einer Betriebs­ver­samm­lung vor der gesam­ten Beleg­schaft ange­grif­fen. Es fie­len Sät­ze wie: Die Betriebs­rats­vor­sit­zen­de macht vor der Betriebs­ver­samm­lung krank, um ihre Rede schrei­ben zu kön­nen. Oder: Das BR-Mit­glied […] ist zu dumm, um die Orga­ni­sa­ti­on der Betriebs­ver­samm­lung rich­tig durch­zu­füh­ren. Das BR-Gre­mi­um an sich ist untrag­bar. Natür­lich fehl­te auch nicht die Behaup­tung, dass die Geschäfts­lei­tung sich jeden Tag für den Stand­ort stark machen wür­de. Hin­ge­gen wür­de der Betriebs­rat weni­ger dring­li­che The­men wie den Arbeits­schutz eska­lie­ren und damit das Manage­ment bin­den. Damit wür­de er die Arbeits­plät­ze gefährden.

Im Anschluss an die­se Ver­samm­lung wur­de durch Man­dats­nie­der­le­gung ein­ge­schüch­ter­ter BR-Mit­glie­der ver­sucht, den Betriebs­rat zu spalten.

Bestimm­te Betriebs­rä­te wer­den zur Sei­te genom­men. Es wird ihnen sug­ge­riert, dass man mit ihnen viel bes­ser kön­ne als mit der aktu­el­len Vor­sit­zen­den. Mit der wol­le von der Geschäfts­lei­tung sowie­so kei­ner mehr reden und arbeiten.

Wie bist Du mit der Situa­ti­on umgegangen?
Cla­ra: Äußer­lich „busi­ness as usu­al“. Man arbei­tet rou­ti­ne­mä­ßig im nega­ti­ven Sin­ne alles ab. Man ist aber nicht mehr mit dem Kopf, schon gar nicht mehr mit dem Herz dabei. Inner­lich wird man ner­vös. Man ver­liert empa­thi­sche Eigen­schaf­ten, die einem selbst doch immer wich­tig waren. Man wird unsi­cher. Man beginnt zu zwei­feln an dem, was man tut und getan hat. Man bekommt Exis­tenz­ängs­te. Das nimmt man dann auch mit nach Hau­se. Am Anfang „nervt“ man damit noch die Fami­lie, den Part­ner. Dann kommt der Punkt, an dem man die Rote Kar­te zu Hau­se gezeigt bekommt. Danach kommt die Pha­se, in der man sich in sein Schne­cken­haus zurück­zieht und sich isoliert.

Von wem und in wel­cher Form hast Du Unter­stüt­zung erhalten?
Cla­ra: Durch mei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen im Betriebs­rat und durch das Komi­tee „Soli­da­ri­tät gegen BR-Mob­bing!“ aus Mann­heim, wel­ches sich schon seit Jah­ren mit dem Mob­bing gegen Betriebs­rä­te beschäf­tigt. Im Betriebs­rat selbst hat sich zum Glück ein sta­bi­ler Kern her­aus­ge­bil­det. Men­schen, auf die man sich auf­grund der gemein­sa­men Erfah­rung mit dem Unter­neh­mer ver­las­sen kann. Wir haben in die­sem Kreis gelernt, uns gegen­sei­tig aus der Schuss­li­nie zu holen oder die Ver­su­che, uns zu spal­ten, abzuwehren.

Ohne die Rat­schlä­ge aus dem Soli­ko­mi­tee hät­te ich wahr­schein­lich auf­ge­ge­ben. Die Rat­schlä­ge sind pra­xis­er­probt und füh­ren durch­aus zum Erfolg. Man weiß aber auch, nichts kommt von allein. Man muss am Ball blei­ben und aktiv wer­den. Man muss wie­der aus dem Loch kom­men, in das man gewor­fen wurde.

"never work alone"

Auch die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen im Betrieb haben das zum Teil erkannt. Man selbst ist da oft etwas betriebs­blind, was einen selbst angeht. Die Betrach­tung von außen, von den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen ist da sehr wich­tig, um wie­der geer­det zu wer­den. Über­haupt ist es die Beleg­schaft, die über die Hin­ter­grün­de des Mob­bings auf­ge­klärt und in die Abwehr ein­be­zo­gen wer­den muss.

Der Geschäfts­lei­tung geht es nicht aus­schließ­lich um die Per­son, die gera­de gemobbt wird. Es geht ihr vor allem dar­um, die Beleg­schaft und den Betriebs­rat zu spal­ten sowie die „Unru­he­stif­te­rin“ kalt­zu­stel­len. Dann, so ihr Kal­kül, kann sie in Guts­her­ren­ma­nier die eige­nen Zie­le zu Las­ten der Beleg­schaft wider­spruchs­los durch­set­zen. Das ist der wah­re Kern des Mob­bings gegen Betriebsräte.
Eine auf­ge­klär­te Beleg­schaft wird sich aber nicht so leicht von der Geschäfts­lei­tung um den Fin­ger wickeln las­sen. Eine auf­ge­klär­te und kampf­be­rei­te Beleg­schaft ist der Schlüs­sel, um effek­tiv gegen das Mob­bing vor­ge­hen zu können.

Was erwar­test Du in die­sem Zusam­men­hang zukünf­tig von Dei­ner Gewerkschaft?
Cla­ra: Für uns ist die IG Metall zustän­dig. Die IG Metall hat ja auf ihrem Gewerk­schafts­tag im Jahr 2015 beschlos­sen, das The­ma Betriebs­rats­mob­bing als eine wich­ti­ge gewerk­schaft­li­che Her­aus­for­de­rung zu begrei­fen und offen­siv dage­gen vor­zu­ge­hen. An die­sem Anspruch wer­den wir sie auch mes­sen. Was ich erwar­te, liegt auf der Hand. Eine kla­re Posi­tio­nie­rung und eine basis­ori­en­tier­te Gewerk­schafts­ar­beit. Eine Gewerk­schaft, die aktiv vor ihren Betriebs­rä­ten steht und die sol­chen Angrif­fen auf Betriebs­rä­te entgegentritt.

* [Die Fra­gen stell­te H. S., den Namen der BR-Kol­le­gin haben wir aus Sicher­heits­grün­den geändert.]

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar Dezem­ber 2020
Tagged , , , , . Bookmark the permalink.