Teil I: Wie Gegenmacht im Betrieb organisieren?
O. T.
Im Vorfeld der anstehenden Betrebsratswahlen wollen wir uns mit zwei grundlegenden Fragen beschäftigten. Welche Aufgaben haben Betriebsrat und Gewerkschaft? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander und zum Kapital?
Der Betriebsrat ist eine durch das Betriebsverfassungsgestz (BetrVG) legitimierte Institution. Das BetrVG gibt ihm gleichzeitig seinen rechtlichen Handlungsrahmen vor.
§ 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat zur „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung. Im Gegensatz zur Gewerkschaft darf der Betriebsrat nicht streiken oder andere Arbeitskampfmethoden anwenden, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen.
Er kann allenfalls bestimmte Rechtsmittel in Anspruch nehmen, um die Einhaltung von gesetzlichen und – vorausgesetzt es gibt sie - tarifvertraglichen Rechten durchzusetzen. Die Festlegung zur „vertrauensvollen“ Zusammenarbeit beschränkt massiv die Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats.
Die sogennante Mitbestimmung des Betriebsrats aus dem BetrVG ist ebenfalls nur in einem engem Umfang möglich. Sie endet, wenn es um „wirtschaftliche Angelegenheiten“ wie zum Beispiel Betriebsschließung, Verlagerung von Produktion oder Auslagerung von Tätigkeiten geht. In solchen Fällen stehen dem Betriebsrat wegen des Grundsatzes der „unternehmerischen Entscheidungsfreiheit“ grundsätzlich keine Mitbestimmungsrechte, sondern nur Unterrichtungs- und Beratungsrechte zu.
Daher hat der Betriebsrat hier rechtlich nur die Möglichkeit, die Auswirkungen solcher Entscheidungen auf die Beschäftigten durch Sozialplan und Interessenausgleich abzumildern. Die Entscheidung des Kapitalisten, einen Betrieb zu schließen und die gesamte Belegschaft zu entlassen, kann mit dem BetrVG rechtlich nicht verhindert werden.
Den Kapitalisten und ihren Geschäftsleitungen geht es vor allem um Profitmaximierung. Dafür werden Betriebe aufgespalten und verlagert. Wenn sie aus Sicht der Eigentümer nicht mehr rentabel genug sind, dann wird rationalisiert, Beschäftigten wird gekündigt oder der Betrieb wird komplett dichtgemacht. In allen Fällen dient der Fetisch der „Wettbewerbsfähigkeit“ als Begründung für das scheinbar alternativlose Handeln der Geschäftsleitungen bzw. der Kapitaleigner.
Das BetrVG bildet somit auch den Schutzrahmen zur Wahrung der Kapitalinteressen an der Nutzung der Produktionsmittel.
„Sozialpartnerschaft“
Die Verpflichtung des Betriebsrats zur „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zum „Wohl des Betriebs“ bildet auch die Grundlage für das sozialpartnerschaftliche Verhalten vieler BR-Gremien. Sie nehmen diese Formulierung wörtlich und sehen sich als die Verteidiger der „Wettbewerbsfähigkeit“ „ihres“ Unternehmens.
Damit werden im Umkehrschluss wesentliche Forderungen der Belegschaft abgebügelt – nicht nur von der Geschäftsleitung, sondern auch oft genug vom Betriebsrat selbst: Sie wären dem „Wohl des Betriebs“ abträglich und könnten die „Wettbewerbsfähigkeit“ beeinträchtigen.
Tatsache ist: Die allermeisten Forderungen von Beschäftigten sind vom Grundsatz tatsächlich der uneingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit entgegengesetzt, weil sie die Kosten erhöhen und den Profit schmälern.
Eine solche kapitalfreundliche Haltung des Betriebsrats stärkt nicht gerade das Vertrauen der Beschäftigten in diese Institution.
Gegenmacht
Uns geht es aber gerade darum, wie wir den Betriebsrat im Sinne der Beschäftigteninteressen nutzbar machen können.
Der Betriebsrat ist, sofern es ihn gibt, die gewählte Vertretung aller „ArbeitnehmerInnen“ im Betrieb.
Die Wahl eines Betriebsrats ist vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Einen Betriebsrat gibt es nur, wenn zumindest ein Teil der Belegschaft aktiv wird und die Wahl möglichst mit der Unterstützung einer Gewerkschaft initiiert. In etwa 80 % aller Betriebe in Deutschland gibt es keinen Betriebsrat.
Schon dass es überhaupt einen Betriebsrat gibt, verhindert in vielen Fällen, dass die Beschäftigten um ihre Rechte gebracht werden. Ohne Betriebsrat kann die Geschäftsleitung weitgehend machen, was sie will, denn die „Arbeitnehmerrechte“ aus dem BetrVG sind für einzelne Beschäftigte eng begrenzt.
So ist zum Beispiel ein Sozialplan und Interessenausgleich nur erzwingbar, wenn es einen Betriebsrat gibt.
Um Nachteile aus der Wahrnehmung der Funktion eines Betriebsrats möglichst auszuschließen, gibt es ein Benachteiligungsverbot für BR-Mitglieder. Für sie gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Dieser Kündigungsschutz gerät immer dann unter Beschuss, wenn es darum geht, aktive bzw. kritische BR-Mitglieder loszuwerden (BR-Mobbing).
Die Betriebsrats-Arbeit im Interesse der Beschäftigten wird massiv behindert oder gar verhindert, wenn es der Geschäftsleitung gelingt, unternehmerfreundliche „Betriebsratsmitglieder“ in das Gremium einzuschleusen und diese dort zu etablieren. Eine Betriebsratsarbeit im Interesse der Beschäftigten ist dann nur noch schwer oder kaum möglich.
*[Teil II folgt in der Februar-Ausgabe von Avanti².]