R. G.
„Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn AG – ein politischer Streik?“ Mit dieser Fragestellung hatten wir zu unserem ISO-Infoabend am 27. August 2021 eingeladen.
Kurzfristig hatte sich Kollege Lutz Dächert – Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) Süd-West – bereit erklärt teilzunehmen. Ein Glücksfall. Denn so erhielten wir wenige Tage vor dem 3. Streik der GDL in diesem Jahr Informationen zur Geschichte der GDL und zum aktuellen Konflikt aus erster Hand.
Toller Vortrag
Lutz Dächert zeichnete authentisch, mit Sachkenntnis und angenehm unaufgeregt ein lebendiges Bild der GDL und des aktuellen Tarifkonflikts. Dabei ging er nicht zuletzt auch auf die Fehlentwicklungen innerhalb der Deutschen Bahn AG (DB AG) ein.
1994 wurden DDR-Reichsbahn und BRD-Bundesbahn zur privatrechtlichen DB AG fusioniert. Damals wurde sie vom deutschen Staat komplett entschuldet.
Seit dieser Zeit hat sich die DB AG verstärkt vom ursprünglichen „Geschäftsfeld“ Bahnverkehr entfernt. Sie hat mit Großinvestitionen ihre Aktivitäten weltweit ausgedehnt und Megaprojekte wie das Milliardengrab Stuttgart 21 begonnen. Sie hat die Zahl der Verwaltungs-Beschäftigten massiv erhöht, um die rund 600 Unternehmen des Konzerns zu „steuern“. Insgesamt hat sie so rund 35 Mrd. Euro Schulden aufgetürmt.
Gleichzeitig hat die DB AG Inlands-Strecken ausgedünnt oder stillgelegt und immer weniger Geld in das Schienennetz investiert. Sie hat Personal im Fahr,- Strecken- und Reparaturdienst abgebaut mit der Folge einer massiven Verschlechterung der Dienstpläne für das Fahrpersonal.
Tricksereien des Vorstands
Der DB-Vorstand täuscht medienwirksam „Kompromissbereitschaft“ vor. Er behauptet, das Bahn-Angebot und die GDL-Forderungen lägen nicht weit auseinander. Aber das stimmt nicht: Das Bahn-Angebot bedeutet Reallohnverlust und beinhaltete zum Zeitpunkt unseres Infoabends keine konkrete Höhe der Corona-Sonderzahlung.
Lautstark werden die GDL-Forderungen als überzogen und ruinös diffamiert. Dabei hat die GDL ihre ursprüngliche Forderung bereits auf das Niveau des letzten ver.di-Abschlusses für den Öffentlichen Dienst gesenkt. Übrigens konnte die GDL ihre Forderungen mit privaten Bahnfirmen schon tariflich vereinbaren.
In Wahrheit betreibt der Bahn-Vorstand Tarif-Blockade. Mit billigen Verhandlungstricks will er Zeit schinden und die Mobilisierungsfähigkeit der GDL schwächen. Darauf will sich die GDL nicht einlassen.
Politischer Streik?
In Deutschland ist das Streikrecht eingeschränkt. Politische Streiks sind verboten. Die GDL führt keinen politischen Streik. Aber der Bahn-Vorstand und ein Teil der Medien werfen genau dies der GDL vor. Dabei ist es der Vorstand der DB AG selbst, der diesen Tarifkonflikt politisiert und massiv politische Ziele verfolgt. Er will in dieser „Tarifrunde“ die kämpferische GDL in die Knie zwingen. Dazu benutzt er das 2015 verabschiedete Tarifeinheitsgesetz (TEG). In Zukunft will er nur noch mit einer Gewerkschaft, der DB-AG-freundlichen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), verhandeln.
Tarifeinheitsgesetz
Das TEG bestimmt, dass in einem Unternehmen ausschließlich der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft gültig ist. Dieses Gesetz wurde unter der SPD- Arbeitsministerin Nahles verabschiedet und skandalöser Weise von den DGB-Gewerkschaften mit Ausnahme von ver.di, NGG und GEW begrüßt. Es hat nur einen Zweck: Es soll kleine und kämpferische Gewerkschaften wie die GDL, Cockpit oder den Marburger Bund handlungsunfähig machen und die Vorherrschaft der großen sozialpartnerschaftlichen DGB-Gewerkschaften sichern.
Solidarität erforderlich
Die Teilnehmenden unseres Infoabends waren sich darin einig, dass dieser Tarifkampf über Deutsche Bahn AG und GDL hinaus für die gesamte arbeitende Klasse von Bedeutung ist. Exemplarisch solle eine kleine, aber kämpferische Gewerkschaft besiegt und zerstört werden.
Darauf könne es nur eine Antwort geben: Die GDL im Falle weiterer Streiks solidarisch und praktisch unterstützen. Dies könne mit der Verteilung der „Streikzeitung“, einem Solidaritäts-Besuch der Streikposten, aber auch mit Information und Diskussion zum Streik im Arbeits- und Lebensumfeld geschehen.