Frau­en­streik

Wenn frau will, steht alles still”

N. B.

Im Vor­feld des Inter­na­tio­na­len Frau­en­tags spra­chen wir am 5. März 2021 bei einer Video-Ver­an­stal­tung mit zwei Genos­sin­nen der Bewe­gung für den Sozia­lis­mus (BfS) in der Schweiz. Bei­de waren an der Orga­ni­sie­rung des Frau­en­streiks in der Schweiz am 14. Juni 2019 beteiligt.

Mehr als eine hal­be Mil­lio­nen Men­schen sind damals gegen die Unter­drü­ckung von Frau­en auf die Stra­ße gegan­gen. Die Refe­ren­tin­nen erläu­ter­ten die Idee des Frau­en­streiks und berich­te­ten von der Mobi­li­sie­rung und Organisierung.

Frau­en­streik am 14. Juni 2019 in Basel (Foto: Privat)

Gemein­sam gegen Patriarchat
Ziel eines Frau­en­streiks sei es ins­be­son­de­re, kol­lek­ti­ve Ant­wor­ten zu fin­den auf die Unter­drü­ckung und Gewalt im Patri­ar­chat. Unter ihr lei­den sowohl Frau­en als auch Per­so­nen mit ande­ren geschlecht­li­chen Iden­ti­tä­ten. Der Frau­en­streik bezieht sich nicht zuletzt auf die oft unter­schätz­te oder ver­leug­ne­te Bedeu­tung der schlecht oder gar nicht bezahl­ten Repro­duk­ti­ons­ar­beit für das Funk­tio­nie­ren der kapi­ta­lis­ti­schen Wirtschaft.

Mobi­li­sie­rung und Organisierung
Ein sol­cher Streik ist aber kein Selbst­läu­fer. Das wur­de in dem Bericht unse­rer Refe­ren­tin­nen sehr deut­lich. Dem Streik am 14. Juni 2019 war ein Jahr der Orga­ni­sie­rung und Mobi­li­sie­rung vorangegangen.

Wäh­rend der Frau­en­kon­gress des Schwei­zer Gewerk­schafts­bunds (SGB) bereits im Janu­ar 2018 dazu die Initia­ti­ve ergrif­fen hat­te, spiel­ten die Gewerk­schaf­ten im Fol­gen­den eine ambi­va­len­te Rol­le. Ins­be­son­de­re in der deutsch­spra­chi­gen Schweiz waren sie wenig unterstützend.

Des­halb wur­de der Frau­en­streik von einer Viel­zahl an Kol­lek­ti­ven orga­ni­siert. Sie hat­ten sich seit dem Som­mer 2018 zunächst in der fran­zö­sisch­spra­chi­gen West­schweiz und spä­ter auch in den ande­ren Lan­des­tei­len gebildet.

Die Genos­sin­nen in der Schweiz mobi­li­sier­ten über das gan­ze Jahr hin­weg durch ihre Betei­li­gung an Demos wie am 8. März und am 1. Mai, durch Streiktreffs, Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen, Ver­an­stal­tun­gen und ins­be­son­de­re durch vie­le Gesprä­che. Wäh­rend sie vie­le Frau­en in unter­schied­li­chen Lebens­la­gen errei­chen konn­ten, gestal­te­te sich der Kon­takt zu Frau­en in pre­kä­ren Arbeits­si­tua­tio­nen als schwierig.

Vor­der­grün­dig fand die Orga­ni­sie­rung und Mobi­li­sie­rung auf regio­na­ler Ebe­ne statt. Jedoch koor­di­nier­ten sie die Genos­sin­nen schweiz­weit. Zudem bezo­gen sie sich auf die inter­na­tio­na­le Frau­en­be­we­gung, aus der sie Inspi­ra­ti­on, Kraft und Hoff­nung schöpfen.

Krea­ti­ve Protestformen
Das restrik­ti­ve Schwei­zer Streik­recht und die sozi­al­part­ner­schaft­lich ori­en­tier­ten Gewerk­schaf­ten stell­ten den Genos­sin­nen vie­le Hür­den in den Weg. Sie fan­den aber krea­ti­ve Mög­lich­kei­ten, dem kol­lek­tiv entgegenzutreten.

Die Orga­ni­sa­to­rin­nen waren selbst über­wäl­tigt von der Mas­se an Men­schen, die am 14. Juni 2019 ihrem Auf­ruf folg­ten, die demons­trier­ten, streik­ten, zumin­dest teil­wei­se ihre Arbeit nie­der­leg­ten oder gemein­sam ver­län­ger­te Mit­tags­pau­sen einlegten.

Aktio­nen gab es in vie­len gesell­schaft­li­chen Berei­chen: Sor­ge- und Betreu­ungs­ar­beit, Bil­dung, Kon­sum und Lohn­ar­beit wur­den bestreikt. Selbst­or­ga­ni­sier­te Aktio­nen fan­den statt in Kitas, Schu­len, Kli­ni­ken, im Gas­tro­ge­wer­be und in ande­ren Betrieben.

Wir­kung des Streiks
Die Refe­ren­tin­nen berich­te­ten von einer deut­lich spür­ba­ren Poli­ti­sie­rung durch den Streik. Bereits in der Vor­be­rei­tung erar­bei­te­ten sich ver­schie­de­ne Kol­lek­ti­ve ein kapi­ta­lis­mus­kri­ti­sches Ver­ständ­nis der Frau­en- unterdrückung.

Auch nach dem Streik grei­fen die ent­stan­de­nen Kol­lek­ti­ve wei­ter in die öffent­li­che Debat­te ein. Der Frau­en­streik ist in der gesell­schaft­li­chen Debat­te zu einem Bezugs­punkt gewor­den, wenn es um Frau­en­rech­te geht.

Mut für wei­ter Aktionen
Die Teil­neh­men­den waren begeis­tert von den anschau­li­chen Erläu­te­run­gen und Berich­ten der bei­den Refe­ren­tin­nen. Sie lie­ßen uns ein wenig nach­emp­fin­den, welch ein ermäch­ti­gen­des und ermu­ti­gen­des Erleb­nis der Frau­en­streik in der Schweiz war. Und sie reg­ten uns zum Nach­den­ken dar­über an, wie ähn­li­che Mobi­li­sie­run­gen in Deutsch­land aus­se­hen könnten.

Aus Avan­ti² Rhein-Neckar April 2021
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